Forderungen an Deutschland Polens Außenminister spricht über Weltkriegsreparationen
Polen bringt erneute Reparationsforderungen an Deutschland für Verwüstungen im Zweiten Weltkrieg ins Spiel. Polen sei beim Prozess der Entschädigungen diskriminiert worden. Es geht um Hunderte Milliarden.
Kurz vor dem 80. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs beklagt Polen, dass es bei den deutschen Reparationszahlungen deutlich benachteiligt worden sei. Der polnische Außenminister Jacek Czaputowicz sagte im Interview, bei der Entschädigung der von Deutschland angegriffenen Länder habe es "einen Mangel an grundsätzlicher Fairness" gegeben. "Polen wurde in diesem Prozess diskriminiert."
"Ist das in Ordnung?"
Obwohl Polen besonders stark unter den Angreifern und Besatzern des Nazi-Regimes gelitten habe, sei der Anteil an den Entschädigungszahlungen minimal gewesen. "Es gibt Länder, die ein Vielfaches weniger verloren, aber mehr Kompensation bekommen haben. Ist das in Ordnung?", fragte Czaputowicz. "Die zentrale Frage ist, ob Polen im Vergleich zu anderen Staaten fair behandelt wurde." Ausdrücklich nannte er Frankreich und die Niederlande.
Polen hatte im Zweiten Weltkrieg gemessen an der Gesamtbevölkerung so viele Tote zu beklagen wie kein anderes Land. Fünf bis sechs Millionen Polen kamen ums Leben – und damit etwa jeder Sechste. Auch der Grad der Zerstörung durch den Vernichtungskrieg der Nazis war vergleichsweise hoch. Die Hauptstadt Warschau wurde vor dem Rückzug der Wehrmacht fast komplett dem Erdboden gleich gemacht.
Rund 800 Milliarden Euro
Die rechtskonservative PiS-Partei hat das Thema Entschädigung nach der Regierungsübernahme 2015 wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Nach früheren polnischen Berechnungen belaufen sich die von Deutschland verursachten Kriegsschäden auf etwa 800 Milliarden Euro. Eine polnische Parlamentskommission hat gerade einen neuen Bericht dazu fertiggestellt, bei dem aber noch nicht klar ist, wann er veröffentlicht wird. Am 13. Oktober finden in Polen Parlamentswahlen statt.
Am 1. September wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum Gedenken an den Überfall auf Polen nach Warschau und Wielun reisen, das als erste polnische Stadt von den deutschen Angreifern bombardiert wurde.
Wenige Tage vor dem Jahrestag äußert sich Czaputowicz nun ausgesprochen deutlich zu dem Thema. "In Polen gibt es die Überzeugung, dass Deutschland uns Anfang der Neunzigerjahre unter Druck gesetzt hat, dieses Thema nicht zur Sprache zu bringen. Deshalb kehren wir jetzt zu dem Thema zurück."
Deutschland sieht keine Ansprüche
Deutschland hält das Thema mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag von 1990 über die außenpolitischen Folgen der deutschen Einheit für rechtlich und politisch abgeschlossen. Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags kam kürzlich zu dem Ergebnis, dass Polen keine Entschädigung mehr zustehen. Unter anderem wird das damit begründet, dass Polen 1953 auf Reparationen verzichtet habe. Polen argumentiert dagegen, diese Erklärung sei unter sowjetischen Druck entstanden und verfassungswidrig.
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Ob Polen in letzter Konsequenz auch dazu bereit wäre, rechtliche Schritte einzuleiten, sagte Czaputowicz nicht. "Es ist zu früh, darüber zu diskutieren. Die Gerichte befassen sich nur mit rechtlichen Aspekten der Angelegenheit, in dieser Situation müssen aber auch Moral und Fairness eine Rolle spielen", sagte der Außenminister. "Zu einer guten Verständigung zwischen unseren Ländern gehört, dass die Polen das Gefühl haben, gerecht behandelt zu werden."
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Die polnische Regierung will auch abwarten, wie Deutschland mit den griechischen Reparationsforderungen umgeht. Die inzwischen abgewählte linke Regierung unter Ministerpräsident Alexis Tsipras hatte die Bundesregierung per diplomatischer Note offiziell zu Verhandlungen über Reparationen aufgefordert. Eine Antwort gibt es noch nicht. Nächste Woche will der neue, konservative Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis nach Berlin kommen. "Wir werden beobachten, wie Deutschland mit den Ansprüchen Griechenlands umgeht. Wir sprechen jedoch nicht mit Griechenland über dieses Thema", sagte Czaputowicz.
- Nachrichtenagentur dpa