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Debatte um Schweinefleisch-Verbot in Leipziger Kitas: Gefährliches Zündeln


Meinung
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Drohungen gegen Kitas
Gefährlich zündeln mit: Schweinefleisch

  • Lamya Kaddor
MeinungEine Kolumne von Lamya Kaddor

Aktualisiert am 26.07.2019Lesedauer: 4 Min.
Schnitzel in einer Pfanne: Weil gläubige Muslime meist kein Schwein essen, wird über Schweinefleisch Identität verhandelt.Vergrößern des Bildes
Schnitzel in einer Pfanne: Weil gläubige Muslime meist kein Schwein essen, wird über Schweinefleisch Identität verhandelt. (Quelle: Friedrich Stark/imago)
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In Deutschland wird über Schweinefleisch diskutiert. Weil zwei Kitas es nicht mehr servieren wollen und die "Bild"-Zeitung das skandalisiert. Das ist nicht nur ärgerlich, sondern gefährlich.

Eine Kita muss ein geschützter Raum sein, abgeschirmt von den Gefahren und Idiotien unserer Gegenwart, damit unsere Kleinsten die Chance erhalten, sich in einer sicheren Umgebung frei und ungezwungen zu entfalten. In Leipzig ist es damit erst einmal vorbei – seit die Entscheidung eines Trägers zweier Einrichtungen über den Speiseplan (!) zu einem bundesweiten Seite-1-Aufmacher und Großaufreger in der größten deutschen Boulevardzeitung mit Millionen Lesern gemacht wurde. Gleich zwei kritische Kommentare brachte die "Bild" dazu. Hier wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen, und das kann gefährliche Folgen haben.

In den vergangenen Wochen gab es mehrere Bombendrohungen gegen Moscheen. Zwei der größten in Deutschland, sie stehen in Köln und Duisburg, mussten zeitweise geräumt und von der Polizei auf Sprengstoff hin überprüft werden. In Minden wurde eine Moschee mit Exkrementen beschmiert; was zeigt, wie krank manche Menschen sind. In Bremen oder Münster wurden Korane ins Klo geworfen. Trotz Sommerlochs scheint das jenseits der Betroffenen wenige sonderlich zu bewegen. Hat man sich mal gefragt: warum?

Sicherheitsbehörden warnen

In Hessen wurde kürzlich der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke von einem Rechtsextremisten erschossen. Ein 26-jähriger Mann aus Eritrea musste gerade notoperiert werden, weil ein Rassist sich ins Auto gesetzt hat, um in Wächtersbach auf irgendjemanden mit dunkler Hautfarbe zu schießen. Todes- oder Feindeslisten tauchen auf, darauf stehen Namen von Menschen, die sich für Freiheit, Pluralität und Demokratie einsetzen. Gegen den Leiter einer WDR-Redaktion, Georg Restle, gehen Morddrohungen ein.

Unsere Sicherheitsbehörden warnen, es sei jederzeit mit einem rechtsterroristischen Anschlag zu rechnen. Das müsste ein Land eigentlich beunruhigen. Und was Rechtsextremisten eint, ist auch der Hass auf den Islam. In diese Stimmung wurden die Meldungen über die Kita in Leipzig lanciert.

Jeder weiß, worum es geht

Aufhänger war ein beschlossener Verzicht auf Schweinefleisch. Selbst wenn die "Bild"-Zeitung das Wort "Islamisierung" nicht benutzt, so ist doch jedem klar, damit wird genau dieses verschwörungstheoretische Schreckensszenario aufgerufen. Auch wenn gläubige Juden ebenso wenig Schweinefleisch konsumieren: Schweinefleisch triggert, man weiß, es geht um Muslime. Mit der Folge, dass sich "Abendlandretter" im Dunstkreis von Pegida angestachelt fühlten.

Nun wird der kindliche Schutzraum Kita bedroht, die Polizei musste handeln, Rechtsaußen André Poggenburg ruft seine Anhänger zur Protestkundgebung gegen "Islamisierung" vor den Einrichtungen auf, und im Netz drehen die üblichen Verdächtigen durch.

In sozialen Medien verbreiten AfD, CDU und CSU Sharepics zum Schweinefleisch. Wie soll man darin etwas anderes als populistische Propaganda sehen? Mahnungen und Sorgen um unsere gesellschaftlichen Entwicklungen ließen sich ernster nehmen, wenn die Relationen nicht verzerrt und die Prioritäten eingehalten würden: in diesem Fall erst den Rechtsterror anprangern, dann den Verzicht einer Kita auf Schweinefleischgerichte mit erkennbar weniger Verve kritisieren.

Natürlich kann man berichten und diskutieren

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Man kann durchaus darüber berichten und diskutieren, wenn Einrichtungen Schweinefleisch vom Tablett nehmen. Die Auseinandersetzung mit diesem Thema trägt zur Aufklärung und Beseitigung von Halbwahrheiten bei – wie sie das letztlich bei der Mär über die Abschaffung von Weihnachtsmärkten oder St.-Martins-Zügen getan hat.

Und zur Wahrheit gehört, dass das Thema Menschen auch jenseits des völkischen Nationalismus umtreibt, weil es den sensiblen Punkt der Veränderung unserer Gesellschaft im Zeitalter der Pluralisierung adressiert. Das Aushandeln solcher Fragen ist jedoch ein heikler Prozess, in dem man den Rahmen wahren und an mögliche Folgen denken sollte.

Das haben die Verantwortlichen bei der "Bild"-Zeitung aus meiner Sicht an dieser Stelle nicht gemacht. Vielleicht haben sie die Entscheidung der Kita in ihrer Eigenschaft als Journalisten eines Boulevardblatts aufgebläht, weil die Aufregung, die damit erzeugt wird, leicht auszurechnen war. Vielleicht haben die zuständigen Redakteure selbst Angst davor, dass ihnen ihr kulturelles Erbe Schweinefleisch weggenommen werden könnte. Vielleicht geschah es einfach gedankenlos. Die Wahrheit kennen nur die Beteiligten selbst.

Ausbaden müssen es Erzieher und Kinder

Es geht mir nicht um "Bild"-Bashing. Unbedachtheit oder rücksichtsloses Kalkül gibt es auch bei anderen Medien. Ausbaden müssen das in diesem Fall aber Erzieher und Erzieherinnen, Familien und Kinder.

Tragisch ist zudem, dass der Leiter des Trägervereins jetzt diffamiert und bedroht wird, weil er im Sinne seines Auftrags Inklusion, Konsens und gleiche Bedingungen für alle Kinder schaffen wollte.

Jeder, der ein wenig Einblick in die Arbeit von Kitas hat, weiß, wie kompliziert die Zusammenstellung eines Speiseplans sein kann. Die einen essen kein Schweinefleisch, die anderen kein Rindfleisch, ein Junge ist allergisch gegen Haselnüsse, ein Mädchen hat eine Laktose-Intoleranz. Es ist eine logistische Herausforderung, das Essen in Einrichtungen zu organisieren; und Kitas sind nicht dafür bekannt, von Bewerbern überrannt zu werden. Ein Verzicht auf Schweinefleisch oder Fleisch allgemein kann also auch ganz pragmatische Gründe haben – völlig ideologiefrei.

Es lebe die Vielfalt

Ernste Forderungen von muslimischer Seite nach irgendeiner Art von Schweinefleischverbot in Deutschland gibt es meines Wissens nicht. Und gäbe es sie, würde ich mich deutlich dagegen positionieren.


So, und nun ist bei mir Essenszeit. Nach all den vielen Worten über Schweinefleisch habe ich Hunger und werde in mein kleines rustikales Restaurant an der Ecke gehen, wo es seit einiger Zeit allerlei Arten hausgemachter Schnitzel gibt. Ich werde mir meines als Putenschnitzel servieren lassen.

Es lebe die Vielfalt. Guten Appetit.

Lamya Kaddor ist Islamwissenschaftlerin, Religionspädagogin und Publizistin. Derzeit leitet sie ein Forschungsprojekt an der Universität Duisburg-Essen. Ihr neues Buch heißt "Die Sache mit der Bratwurst. Mein etwas anderes deutsches Leben" und ist bei Piper erschienen. Sie können unserer Kolumnistin auch auf Facebook oder Twitter folgen.

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