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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Zukunftsrat der CDU" Falsche CDU-Gruppe sorgt für Verwirrung – was steckt dahinter?
Verwirrung bei der CDU: Eine Gruppe verkündete vor der Berliner Parteizentrale die Gründung eines CDU-Zukunftsrats. Doch: Die Partei selbst wusste davon nichts. Was dahintersteckt.
"Die Stimme der Zukunft": Das will der Zukunftsrat für die CDU sein, der sich am Dienstagvormittag der Öffentlichkeit vorstellte – und prompt die CDU in Aufregung versetzte. Denn offensichtlich war das, was vor der Parteizentrale passierte, nicht mit der CDU abgesprochen.
Die CDU beeilte sich mit einer Klarstellung, mehrere Medien, die zuvor den Termin angekündigt hatten, korrigierten ihre Berichterstattung. Der CDU-Bundesgeschäftsführer Stefan Hennewig schrieb auf Twitter auch, wen er hinter der Aktion vermutet: Fünf Mitglieder der Umweltschutzgruppe Extinction Rebellion hätten sich als CDU-Zukunftsrat "getarnt". Hennewig warf der Gruppe vor, Tarnidentitäten und falsche Namen zu nutzen. Es sei "genau die Form von false flag operation, durch die Demokratie und fairer Wahlkampf gefährdet wird", kritisierte er.
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Die Gruppe selbst hielt dagegen: "Es ist sehr schade, dass Sie sich nicht vorstellen können, dass sich Manon Gerhardt bei ER (Anm. Extinction Rebellion) für Klimaschutz engagiert und zugleich den Zukunftsrat der CDU unterstützt", antwortete die Gruppe. "Dieses Unverständnis zeigt umso deutlicher, dass wir Brücken bauen müssen, statt Gräben zu vertiefen."
Doch wer steckt hinter der Aktion?
Mit Extinction Rebellion scheint nur eine Person in direkter Verbindung zu stehen: Manon Gerhardt, eine der Gründerinnen des "Zukunftsrats" und Musikerin aus Berlin. "Bis auf Manon Gebhardt von der Homepage kennen wir niemanden davon", teilte ein zu Extinction Rebellion gehörender Twitteraccount mit. Auch Tino Pfaff, ein Sprecher von Extinction Rebellion, sagte t-online am Dienstagabend: "Uns ist über die Aktion nichts bekannt." Die Reaktion der CDU, die das Video der Protestgruppe zuschreibt und es als "Deepfake" bezeichnet, halte er für "extrem und überzogen bei dieser unklaren Faktenlage". Pfaff weiter: "Da fühlt man sich durchaus an den Wahlkampf in den USA erinnert."
Verbindung zu Seenotrettern
Bei einem anderen Teammitglied lassen sich zwar keine Verbindungen zu Extinction Rebellion finden, dafür zu einer anderen Organisation. Hannes Rabenhorst bezeichnet sich auf der Homepage des Zukunftsrats als Umweltingenieur aus Rostock, er führt auch einen Linked-in-Account mit demselben Berufstitel. Was er auf der Seite nicht angibt: Er war auch für die Seenotrettungsorganisation Sea Eye aktiv. Ein Magazin der Organisation von November 2016 zeigt ihn als Kapitän an Bord der Sea Eye auf dem Mittelmeer.
Zumindest bei Gerhardt und Rabenhorst scheint Hennewigs Vorwurf, die Akteure würden unter falschen Namen operieren, falsch zu sein. Aber wie sieht es mit den anderen zwei Personen aus, die sich auf der Seite als Karl Steinlein und Rosa Schneider vorstellen?
Steinlein nutzt nach t-online-Recherchen normalerweise seinen anderen Vornamen und ist Schauspieler – und nach eigenen Angaben seit 12 Jahren Mitglied der Jungen Union. Rosa Schneider, Sprecherin der Gruppe, bestätigte t-online am Telefon, dass Steinlein seinen anderen Vornamen als Künstlernamen als Schauspieler nutze. Unter ihrem Namen allerdings ist im Internet nichts auffindbar – bis auf ihre Präsenz auf der Seite des Zukunftsrats. Sie erklärt es am Telefon so: Sie sei erst 21 Jahre alt und noch nicht berufstätig – dementsprechend sei sie auch nicht über eine Arbeitsstelle oder Ähnliches zu finden. Sich anders gegenüber t-online zu identifizieren, lehnt sie ab. Allerdings: Alle anderen drei nutzen ihren richtigen Namen.
"Wir sehen uns als ein externes Beratungsgremium"
Schneider wehrt sich gegen den Vorwurf, es handele sich um eine "Fake-Aktion". Sie selbst sei zwar kein CDU-Mitglied, das sei jedoch auch nicht so schlimm. "Wir sehen uns als ein externes Beratungsgremium", sagte sie. Es sei "sehr schade, dass jungen Leuten, die etwas verändern wollen, so viel Misstrauen entgegengebracht wird." Sie gab allerdings zu, dass ihre Gruppe "nicht direkt" mit der Bundesgeschäftsstelle in Kontakt war – sie hätten lediglich zu Mitgliedern der Basis Kontakt gehabt. Mit der Bundesgeschäftsstelle habe es einige "Missverständnisse" gegeben. Die wolle die Gruppe nun ausräumen.
Aus der CDU hieß es hingegen, dass der "CDU-Zukunftsrat" nicht zur Partei gehöre und keinerlei Verbindung zu der Partei habe. Es habe sich nach Einschätzung der CDU um eine gezielte U-Boot-Aktion von Umweltaktivisten gehandelt, an der keine CDU-Mitglieder teilgenommen hätten. Laut t-online-Informationen soll es sich allerdings bei mindestens einer Person um ein Mitglied der Jungen Union handeln, wenn auch um kein aktives.
Nach t-online-Informationen wurde auch überlegt, gegen den "Zukunftsrat für die CDU" wegen der Zuschreibung zur Partei vorzugehen – die Idee wurde allerdings wieder verworfen. Womöglich will die Partei mitten im Wahlkampf dieser Aktion nicht noch mehr Aufmerksamkeit schenken.
Update vom 14.07.: CDU-Bundesgeschäftsführer Hennewig korrigierte seine Aussage, es sei eine Aktion von Extinction Rebellion und entschuldigte sich bei der Gruppe. Wer dahinter stecke, sei ihm weiter nicht bekannt. Wie der Spiegel berichtet, heißt Rosa Schneider mit Vornamen eigentlich Henriette und engagierte sich bei "Fridays for Future" in Russland.
- Eigene Recherche
- Nachrichtenagentur dpa