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Randale in Stuttgart: Presseschau – das sagen die Medien


Pressestimmen zu Gewalt in Stuttgart
"Der liberale Staat muss viel mehr Härte zeigen"

Von dpa-afx, mja

23.06.2020Lesedauer: 3 Min.
Bundesinnenminister Horst Seehofer bei seinem Besuch in Stuttgart: Der CSU-Politiker forderte harte Strafen für die Täter der nächtlichen Ausschreitungen.Vergrößern des Bildes
Bundesinnenminister Horst Seehofer bei seinem Besuch in Stuttgart: Der CSU-Politiker forderte harte Strafen für die Täter der nächtlichen Ausschreitungen. (Quelle: Marijan Murat/dpa)

Was muss die Polizei heute leisten? Und welche Rolle spielt das Feindbild Polizist bei den Ausschreitungen von Stuttgart? Dazu haben die Medien eine klare Meinung. Die Presseschau.

Die Medien in Deutschland und den Niederlanden kommentieren die chaotischen Szenen in der Stuttgarter Innenstadt. Die "Hessische Niedersächsische Allgemeine" aus Kassel beklagt eine Kluft zwischen einer gut ausgebildeten Polizei auf der einen Seite und einem gewaltbereiten Teil der Bevölkerung. Im "Tagesanbruch" von t-online.de schreibt Chefredakteur Florian Harms über die Phrasen, die Politiker aller Lager in solchen Momenten in den Mund nehmen. Die Pressestimmen im Überblick:

"Hessische Niedersächsische Allgemeine": Das Verstörende an dem Landfriedensbruch von Stuttgart ist: Noch nie hatte Deutschland eine so bürgernahe, zugängliche und gut ausgebildete Polizei wie heute. Noch nie aber gab es auch so viel fehlenden Respekt, so viel Gewalt gegen die Beamten. Ohne Rückhalt in der Gesellschaft kann es keine demokratische Polizei geben. Wer eine solche Polizei angreift, der wehrt sich nicht heldenhaft gegen eine böse Obrigkeit, sondern er vergreift sich an dem demokratischen Gemeinwesen als solchem. Auch deswegen war es so abwegig, als die SPD-Vorsitzende Saskia Esken der Polizei als ganzer ein Rassismus-Problem unterstellte. Das kann so nicht mehr lange gut gehen. Herausgefordert durch Extremisten und Gewalttäter aus allen Richtungen ist der liberale Staat. Kunststück: Er muss viel mehr Härte zeigen, wenn er sein Freiheitsversprechen bewahren will.

"Süddeutsche Zeitung": Vom Streifenpolizisten bis hinauf in die Spitze des Bundesinnenministeriums herrscht ein Maß an Nicht-Wissen über die interkulturelle Gesellschaft, das nicht mehr entschuldbar ist. Selbstverständlich ist Rassismus in Sicherheitsbehörden ein ernstes Problem, und selbstverständlich sieht man auf Deutschlands Straßen und an Grenzen regelmäßig Racial Profiling, also unerlaubte Kontrollen nur aufgrund des Aussehens. In Schulen kann Hautfarbe ein Aufstiegshindernis sein. Und selbst den vielen, die es aus sogenannten Gastarbeiterfamilien in akademische Berufe geschafft haben, wird stereotyp Anderssein unterstellt, mithin Unzugehörigkeit. Der Staat trägt dazu bei, dass Eingewanderte sich entfremden oder fremd bleiben. Das aber kann sich Deutschland nicht leisten. Es wäre die Aufgabe der Innenminister von Bund und Ländern gewesen, bei ihrem Treffen vor wenigen Tagen auch über behördliche Diskriminierung nachzudenken. Das Gegenteil ist passiert.

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"Tagesanbruch" bei t-online.de: Der Ablauf [nach der Randale, Anm. d. Red.] entsprach einem wohlbekannten Muster: Zunächst greifen einzelne Aktivisten und Journalisten Fotos und Videos aus der Tatnacht in den sozialen Medien auf und verbreiten sie mit gepfefferten Kommentaren. Auf Instagram, Twitter und Facebook teilen sich dann schnell die Fronten: Das rechtskonservative Lager von "Cicero" und "Neue Zürcher Zeitung" bis zu Friedrich Merz und Hans-Georg Maaßen will schon immer gewusst haben, dass der deutsche Staat seine Sicherheitsmacht viel zu lasch durchsetzt. Das linksliberale Lager von der Linkspartei über die Grünen bis zur SPD-Vorsitzenden Saskia Esken fühlt sich dem Generalverdacht der Verharmlosung von Gewalt gegen Polizisten ausgesetzt und verurteilt die Taten umso eindringlicher. Überhaupt fühlt sich jede und jeder bemüßigt, ganz dringend in jedes Mikrofon zu sagen, dass diese abscheulichen Gewalttaten zu verurteilen seien und "mit der ganzen Härte des Gesetzes" geahndet werden müssten. Ob Kommunalpolitiker, Fraktionsvorsitzende, Bundesminister oder Bundespräsident: Die Absender wechseln, die Phrasen bleiben dieselben. (mehr hier)

"Neue Osnabrücker Zeitung": Die Proteste gegen Rassismus in der amerikanischen Polizei haben in Deutschland eine Entwicklung ausgelöst, die in die falsche Richtung führt. Schon vor Stuttgart gab es einen zunehmenden Verlust an Respekt vor den Beamten. Polizisten werden bespuckt, beleidigt, verletzt, und das immer häufiger. Der Vorwurf, von Demonstranten und teils auch von hochrangigen Politikern vorgetragen, es gebe in der deutschen Polizei ein strukturelles Rassismus-Problem, hat die Position der Beamten im öffentlichen Raum in den vergangenen Wochen weiter geschwächt. Aber es ist fahrlässig, die Probleme in den USA mit Deutschland gleichzusetzen, denn es setzt die Beamten einem Generalverdacht aus, der so nicht zulässig ist und von der Mehrheit der Bevölkerung nicht bestätigt wird.

"De Telegraaf": Ganz Deutschland fragt sich verzweifelt, was das genau für Aufrührer waren, die Stuttgart mit stundenlangen mit Krawallen und Plünderungen heimgesucht haben. Das sei ein "Alarmsignal für den Rechtsstaat", erklärte Bundesinnenminister Horst Seehofer besorgt bei einem Besuch vor Ort. Was er im Bundesland Baden-Württemberg in Begleitung seines CDU-Parteifreundes Thomas Strobl zu sehen bekam, war ein Bild der Verwüstung. (...) Selbst die Verteidigungsministerin und CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer forderte, dass die Gewalttaten Folgen haben müssten. Linke Politiker, unter ihnen die SPD-Vorsitzende, erklärten hingegen, dass es bei der Polizei viel Rassismus gebe, womit sie Tausende von Polizisten zu Verdächtigen machten.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa-AFX
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