Nach Holocaust-Aussagen Extinction-Rebellion-Aktivisten distanzieren sich von Gründer
Extinction Rebellion macht wieder von sich reden – dieses Mal aber nicht im Kampf um den Umweltschutz. Mitgründer Roger Hallam empört mit Aussagen zum Holocaust. Deutsche Aktivisten rücken von ihm ab.
Der Mitgründer der Umweltbewegung Extinction Rebellion hat mit Äußerungen zum Holocaust Empörung ausgelöst. In einem Interview mit der "Zeit" bezeichnete Roger Hallam den Massenmord an den europäischen Juden im Zweiten Weltkrieg als "fast normales Ereignis" in der Menschheitsgeschichte. Außenminister Maas und andere widersprachen ihm entschieden. Nun hat sich der deutsche Ableger der Klimaschutz-Bewegung von Hallam losgesagt.
In einer Pressemitteilung kritisierte Extinction Rebellion Deutschland die Äußerungen ihres Mitgründers zum Holocaust als verharmlosend und relativierend. "Seine Aussage ist in Diktion wie Inhalt für XR Deutschland nicht tragbar, er ist kein Sprecher für XR Deutschland und hat sich in keiner Weise mit uns abgesprochen", erklärte die Bewegung und ergänzte auf Twitter: Roger Hallam sei "bei XR Germany nicht mehr willkommen".
Der umstrittene Klimaaktivist hatte der "Zeit" gesagt, es sei Tatsache, "dass in unserer Geschichte Millionen von Menschen unter schlimmen Umständen regelmäßig umgebracht worden sind". Für ihn sei der Holocaust "nur ein weiterer Scheiß in der Menschheitsgeschichte". Genozide habe es in den vergangenen 500 Jahren immer wieder gegeben, sagte Hallam. "Um ehrlich zu sein, könnte man sagen: Das ist fast ein normales Ereignis."
Der 53-Jährige kritisierte in dem Interview die deutsche Haltung zum Holocaust. "Das Ausmaß dieses Traumas kann lähmen", sagte Hallam der "Zeit". "Das verhindert, dass man daraus lernt."
Maas: Holocaust ist einzigartig unmenschlich
Hallams Aussagen sorgten über Parteigrenzen hinweg für Empörung. "Der Holocaust ist mehr als Millionen Tote und grausame Foltermethoden", erklärte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD). "Jüdinnen und Juden industriell zu ermorden und ausrotten zu wollen, ist einzigartig unmenschlich. Das muss uns immer bewusst sein, damit wir sicherstellen: nie wieder!", schrieb er auf Twitter.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sprach auf Twitter von "inakzeptablem Gerede" Hallams, das den Holocaust relativiere. "Warum dieses antisemitische und rechtsradikale Framing, wenn es doch angeblich um Klimaschutz geht?"
Der Bundesvorsitzende der Grünen, Robert Habeck, forderte auch andere Ableger von Extinction Rebellion (XR) dazu auf, sich von Hallam loszusagen. Die Bewegung "muss sich in Gänze glasklar von ihm distanzieren", sagte Habeck der "Bild".
Der umstrittene Mitgründer von Extinction Rebellion
Extinction Rebellion ist in Großbritannien entstanden und macht mit Protestaktionen für den Klimaschutz inzwischen in vielen Ländern auf sich aufmerksam. Hallam, der im britischen Landesteil Wales lebt, ist das bekannteste Gesicht der Bewegung. Er ist Soziologe und Autor; demnächst erscheint auch in Deutschland sein neues Buch "Common Sense" über die Rebellion gegen die Klimakrise.
Hallam ist innerhalb der Bewegung seit längerem umstritten. Im September hatte er die Offenheit von Extinction Rebellion für neue Unterstützer als sehr weitreichend interpretiert. "Anders als klassische linke Bewegungen schließen wir niemanden aus", sagte er damals der "Zeit". "Auch jemand, der ein bisschen sexistisch oder rassistisch denkt, kann bei uns mitmachen."
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Der deutsche Ableger betonte in seiner heutigen Mitteilung, dass Rassismus, Sexismus und auch Antisemitismus nicht akzeptiert würden. Hallam polarisiere mit seinen Aussagen seit einigen Monaten auch intern die Bewegung.