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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Unterschiede zwischen Städten Glückssache Asylverfahren
Ein Flüchtling sollte in jeder deutschen Stadt die gleiche Chance auf Asyl haben. Neue Zahlen zeigen, dass die Wirklichkeit anders aussieht – und wo die Chancen höher und niedriger sind.
Wenn sich ein Flüchtling in einer deutschen Stadt meldet, dann kann es passieren, dass er in ein ganz anderes Bundesland geschickt wird. So sollen die Aufgaben fair über die Länder verteilt werden: Die großen und wohlhabenden nehmen mehr Asylbewerber auf als kleine und ärmere Bundesländer.
Für den einzelnen Flüchtling kann es aber große Folgen haben, wo er hingeschickt wird – ob er anerkannt wird oder abgelehnt, scheint auch davon abzuhängen, welche der vielen Bamf-Stellen seinen Asylantrag bearbeitet.
Wie groß die Unterschiede sind, geht aus Daten hervor, die die Bundesregierung jetzt zusammengestellt hat, als Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken im Bundestag, die t-online.de vorliegt.
Schutzquoten schwanken extrem
Betrachtet man nur diejenigen Fälle, in denen das Bamf wirklich inhaltlich über einen Antrag entschieden hat, schwankten die Schutzquoten in den ersten drei Monaten des aktuellen Jahres von Bundesland zu Bundesland etwa für Iraker zwischen rund 21 Prozent im Saarland und in Rheinland-Pfalz und 80,6 Prozent in Bremen; für Iraner zwischen 18,9 Prozent in Bayern und 100 Prozent im Saarland. Für Syrer, die größte Gruppe, veröffentlichte die Regierung keine Informationen.
Noch weitaus größer sind die Unterschiede allerdings zwischen einzelnen Bamf-Außenstellen oder Entscheidungszentren, für die Daten des Jahres 2017 vorliegen.
Für Menschen aus besonders wichtigen Herkunftsländern fallen die Ergebnisse sehr unterschiedlich aus.
- Afghanen: In Bad Berseburg bekamen im vergangenen Jahr 20,2 Prozent aller Afghanen Schutz, in Bingen aber in 89,8 Prozent. Im Schnitt waren es 47,7 Prozent.
- Iraker: In Trier wurden nur 39,3 Prozent der Iraker anerkannt, in Braunschweig und Bremen etwa 94 Prozent. Im Schnitt waren es 64,5 Prozent.
- Iraner: Während in Eisenhüttenstadt nur 11,9 Prozent aller Iraner eine Anerkennung erhielten, waren es in Bremen 86 Prozent. Im Schnitt waren es 57,1 Prozent.
- Türken: In Eisenhüttenstadt wurden nur 1,9 Prozent der Türken anerkannt, in Bonn dagegen 82,9 Prozent. Im Schnitt waren es 33,6 Prozent.
Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion Ulla Jelpke kritisiert diese Abweichungen: "Das Asylverfahren darf nicht zu einem Lotteriespiel verkommen - ob Geflüchtete einen Schutzstatus erhalten, darf nicht vom Standort der Bamf-Behörde abhängen". Es brauche eine Angleichung, aber nicht zu Lasten der Flüchtlinge: "Eine Vereinheitlichung darf nicht zu einer restriktiveren Entscheidungspraxis führen".
Regionale Häufung schutzwürdiger Gruppen
Dass eine Bamf-Stelle eher viele Anträge bewilligt oder ablehnt, bedeutet nicht, dass dort bewusst oder unbewusst im Zweifel für oder gegen Aslybewerber entschieden wird. Die meisten Unterschiede dürften damit zu zu tun haben, welche Gruppen von Asylbewerbern aus bestimmten Ländern in bestimmten Gegenden leben. Angehörige verfolgter Minderheiten haben in der Regel etwa höhere Chancen auf Schutz als Angehörige der Mehrheitsbevölkerung.
So leben in der Gegend um Bremen, Oldenburg und Braunschweig viele Jesiden; dort landeten dann auch weitere Jesiden, die vom IS verfolgt wurden und fast alle Asyl erhielten. Deshalb überrascht es nicht, dass die Anerkennungsquoten für Iraker in den drei Zentren 2017 extrem hoch war. Dazu kommt der Zufall: In manchen Städten leben rein zufällig mehr Asylbewerber mit Schutzanspruch als anderswo.
Bamf prüft weitere Stellen
Allerdings zeigt eine genauere Analyse der Daten auch, dass der Einfluss der Bamf-Außenstellen auf die Wahrscheinlichkeit einer Anerkennung relativ groß ist. Einzelne Zentren fallen durch einen hohen Anteil positiver oder auch niedriger Schutzquoten auf. In Bremen wird der ehemaligen Leiterin vorgeworfen, in 578 Fällen inhaltlich fragwürdige Bescheide ausgestellt zu haben.
Sehr viele Asylbewerber wurden zum Beispiel auch in Dortmund, Bonn, Münster oder Bingen anerkannt. Sehr wenige in Chemnitz, Zirndorf, Schweinfurt oder Eisenhüttenstadt. Das Bamf hatte nach dem Skandal in Bremen selbst angekündigt, 13 Standorte zu überprüfen, in denen es Abweichungen vom Schnitt nach unten oder oben gegeben habe. Bislang sind keine Ergebnisse dieser Untersuchungen bekannt.
- Antwort der Regierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion