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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Hart aber fair" "Das muss man der AfD mal beibringen"
Björn Höcke in Talkshows statt AfD-Parteiverbot, fordert ein Ex-Funktionär bei "Hart aber fair". Ein Jurist fragt: Ist die AfD zu groß, um sie zu verbieten?
Michael Kellner (Bündnis 90/Die Grünen) ist überzeugt, dass der AfD-Verbotsantrag im Bundestag Aussicht auf Erfolg hat. Ansonsten hätte er die fraktionsübergreifende Initiative nicht unterstützt, sagte der Parlamentarische Staatssekretär am Montagabend bei "Hart aber fair". Er sprach von einer "Sternstunde der Demokratie". "Ich will nicht zurückschauen und sagen: Ich habe es nicht probiert", sagte der Mitarbeiter von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen).
Die Gäste
- Michael Kellner (Bündnis 90/Grüne), Mitantragsteller eines AfD-Verbots
- Serap Güler (CDU), Mitglied im Bundesvorstand
- Alexander Leschik, Ex-AfD-Funktionär
- Ronen Steinke, "Süddeutsche Zeitung", Jurist
- Albrecht von Lucke, Politologe und Publizist
- Ruth Moschner, Moderatorin und Autorin
"Hart aber fair" diskutiert AfD-Verbot
"Nein, ich schließe mich dem Antrag nicht an", stellte hingegen die CDU-Bundestagsabgeordnete Serap Güler bei Louis Klamroth klar. Sie habe die Entscheidung den ganzen Sommer über abgewogen, denn die AfD sei fraglos brandgefährlich. Am Ende sei für sie die rechtliche Frage aber "tatsächlich sekundär", erklärte das CDU-Vorstandsmitglied, "weil ich die AfD im nächsten Bundestag nicht mit 30 Prozent sitzen haben möchte".
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Genau das droht laut Güler, wenn sich die AfD durch ein Verbotsfahren im Bundestagswahlkampf als Opfer stilisieren kann. Deshalb warnte auch der Publizist und Jurist Albrecht von Lucke bei "Hart aber fair", dass der Verbotsantrag der AfD eher in die Hände spielen könnte. Denn die Initiative habe im Bundestag zu wenig Unterstützer und sei damit zum Scheitern verurteilt.
"Du brauchst eine absolut überzeugende, von allen anderen Parteien mit Vehemenz getragene Überzeugung, dass dieses Verbot berechtigt und richtig ist", sagte von Lucke in der ARD-Talkshow, die 15 Minuten früher als gewohnt begonnen hatte. Andernfalls drohe eine antidemokratische Gegenbewegung unter den AfD-Sympathisanten.
"Die Funktionäre sind durchradikalisiert"
Die AfD-Wähler stehen nach Ansicht des ehemaligen AfD-Funktionärs Alexander Leschik hingegen größtenteils fest auf dem Boden der Demokratie – ganz im Gegenteil zur Führungsriege. "Die Funktionäre der Partei sind heute durchradikalisiert", sagte das Ex-Mitglied im Bundesvorstand der Jungen Alternativen bei Klamroth. Der Jurastudent war 2021 aus der Partei ausgetreten und hat das Buch "Im Bann der AfD" geschrieben.
Leschik warnte dennoch vor dem Verbotsantrag. Der könne dafür sorgen, dass sich AfD-Wähler endgültig von den etablierten Parteien abwenden. Ein Kamerateam von "Hart aber fair" hatte auf einem Fest zur Deutschen Einheit Bürger nach ihrer Meinung gefragt. "Warum wird die Opposition verboten?", fragte ein Herr. "Die sind für mich eine Partei wie jede andere", sagte eine Dame.
Angesichts der Wahlerfolge der AfD bei den Landtagswahlen in Ostdeutschland warf von Lucke bei Klamroth die Frage auf, ob sich die Partei überhaupt noch verbieten lässt. "Man könnte ja den Schluss nehmen: Too big to forbid, sie ist jetzt zu groß, um sie zu verbieten", sagte der Publizist. Wenn man Wählern im Osten ihre "größte und stärkste Partei" nehme, müsse das ausgesprochen gut begründet sein.
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"Das muss man der AfD mal beibringen"
Das lässt sich nach Auffassung von Ronen Steinke von der "Süddeutschen Zeitung" schon jetzt. Die AfD wolle mit Einschüchterung und Chaos die Macht in den Parlamenten an sich reißen und nicht wieder hergeben. "Lass uns das machen, was richtig ist und das Richtige steht im Grundgesetz: Da ist eine Grenze erreicht", sagte der Jurist.
Steinke betonte, es gehe gar nicht darum, dass es in Deutschland keine rechte Partei geben darf. Einige Jahre nach einem möglichen AfD-Verbot könnten ehemalige Abgeordnete ja eine neue Partei gründen, dann aber bitte im Rahmen der demokratischen Regeln. "Das muss man der AfD mal beibringen: So geht das nicht", sagte er.
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Nachsitzen in Sachen Demokratie haben laut von Lucke aber auch viele Bürger jenseits der AfD-Wählerschaft nötig. Jemand wie der Thüringer AfD-Fraktionschef Björn Höcke sei mitnichten eine "Überfigur" und habe im Osten nur dank der Schwäche der Volksparteien so stark werden können. Von Lucke kritisierte Menschen seiner Generation, "die in Gleichgültigkeit nicht in die Parteien gehen, die die schwache AfD stellen müssen".
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Auch der ehemalige AfD-Nachwuchspolitiker Leschik warnte davor, die Außendarstellung der AfD weitgehend der Partei selbst zu überlassen. Die Partei und Figuren wie Höcke seien auch deshalb so groß, weil sie sich in der Öffentlichkeit zu selten beweisen müssten. Mehr Einladungen in Talkshows oder TV-Duelle wie das von Höcke mit dem Thüringer CDU-Spitzenkandidaten Mario Voigt würden helfen, die AfD zu entzaubern, sagte Leschik.
"Hart aber fair": Pro und Contra AfD-Verbot
Ob Klamroth auch aktive Vertreter der AfD als Gäste angefragt hat, sprach in dieser Runde nur kurz Ruth Moschner an. Warnungen von Güler und von Lucke vor einem möglicherweise jahrelangen Verbotsverfahren gegen die AfD wies die Moderatorin zurück. "Nur, weil etwas lange dauert, kann ich es nicht einfach lassen", sagte die Erstunterzeichnerin der Petition "Prüft ein AfD-Verbot!"
Moschner berichtete bei "Hart aber fair" von Freunden, die sich angesichts der Wahlerfolge der AfD nicht mehr sicher fühlten. "Die haben Angst. Die wollen das Land verlassen", sagte sie. Hunderttausende seien gegen Rechts auf die Straße gegangen und immer wieder heiße es von Politikern, die AfD müsse inhaltlich gestellt werden. "Aber es kommt nichts", sagte Moschner. "Die Leute fühlen sich im Stich gelassen."
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"Wissen Sie, dass in der AfD V-Leute sind?", wollte Klamroth noch von Kellner wissen. Denn in dem von den Grünen unterstützen Antrag wird gefordert, mögliche Informanten des Verfassungsschutzes rechtzeitig abzuziehen. Daran war ein NPD-Verbotsverfahren gescheitert. Das dürfe sich nicht wiederholen, forderte Kellner. Von V-Leuten in der AfD wisse er aber nichts, er sitze ja nicht im Kontrollgremium der Geheimdienste.
V-Leute spielen in der AfD ohnehin kaum eine Rolle, sagten sowohl von Lucke als auch Leschik. "Es kam niemand mit einem Koffer Geld", scherzte der Ex-AfD-Funktionär – vielleicht auch, weil die AfD seiner Ansicht nach aus ihren Zielen keinen Hehl gemacht hat: "Die Partei war ohnehin gläsern."
- ARD: "Hart aber fair" vom 7. Oktober 2024