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Migrationsdebatte bei Lanz: "Wir behandeln diese Menschen wie Kuscheltiere"


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Migrationsdebatte bei Lanz
"Wir behandeln diese Menschen wie Kuscheltiere"


Aktualisiert am 11.04.2024Lesedauer: 3 Min.
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Ahmad Mansour (Archivbild): Der Extremismusforscher hält Obergrenzen bei der Migration für diskutabel. (Quelle: IMAGO/Bernd Elmenthaler/imago)
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Macht Zuwanderung unser Land unsicherer? Bei Markus Lanz hatten ein Kriminalbeamter, eine Soziologin und ein Extremismusforscher dazu kontroverse Ansichten.

Wegen der Champions-League-Zusammenfassungen im ZDF später als sonst und verkürzt im Programm, nutzte Markus Lanz seine mitternächtliche Kompakt-Ausgabe für eine Diskussion über die polizeiliche Kriminalstatistik 2023. Gemäß den am Dienstag von Bundesinnenministerin Nancy Faeser vorgestellten Daten gab es im vergangenen Jahr in Deutschland 5,5 Prozent mehr registrierte Straftaten als 2022; in absoluten Zahlen fast sechs Millionen insgesamt. Besonders stark nahmen die Gewaltdelikte zu (um 8,6 Prozent), auch Jugend- und Ausländerkriminalität stiegen an.

Die Gäste:

  • Sebastian Fiedler (SPD), Bundestagsabgeordneter und Kriminalhauptkommissar
  • Nicole Bögelein, Soziologin
  • Ahmad Mansour, Extremismusforscher

So eindeutig die Zahlen auf den ersten Blick erscheinen, so unterschiedlich waren allerdings die Schlussfolgerungen, die die Diskutanten daraus ableiteten. Es gelte, "zurückhaltend" zu sein bei der Auswertung der "am meisten missbrauchten Statistik überhaupt", empfahl der ehemalige Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Sebastian Fiedler. Der heutige SPD-Bundestagsabgeordnete verwies darauf, dass das Zahlenwerk nur Fälle enthält, die die Polizei "zu Gesicht bekommen" habe, es also ein Dunkelfeld gibt. Zudem müsse man die verschiedenen Kriminalitätsphänomene betrachten.

Im Bereich der Drogenkriminalität sei das Land unsicherer geworden, auch bei Gewalt- und Einbruchskriminalität gebe es Anlass zur Sorge. Andere Bereiche seien dagegen gar nicht enthalten, etwa islamistischer Terror oder russische Einflussnahme auf Parteien. "Und wenn Sie sich im internationalen Bereich bewegen, dann sind Sie in aller Regel froh, dass sie in Deutschland leben."

Ganz anders beurteilte der Extremismusforscher Ahmad Mansour die "erschreckenden Zahlen". Es gehe auch um die "subjektive Sicherheit", die Erfahrungen der Menschen auf der Straße. In der Wahrnehmung sei das Land unsicherer geworden, "wir verdrängen die Probleme". Man müsse aussprechen können, dass der Anstieg der Gewaltkriminalität auch "mit Migration und Einwanderung zu tun" habe, ohne deswegen gleich als rechtsradikal zu gelten.

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Lanz hat Schwierigkeiten, der Soziologin zu folgen

Eher auf Fiedlers Linie einer vorsichtigen Interpretation des "Zahlenkonvoluts" argumentierte die Kriminologin und Soziologin Nicole Bögelein. Die Kriminalstatistik sei kein "Fieberthermometer". 95 Prozent der Delikte seien dort erfasst, weil Bürger sie angezeigt hätten. Diese Entscheidung, Anzeige zu erstatten, geschehe in einem gesellschaftlichen Zusammenhang. Und in einem Diskurs, in dem "Migration ohnehin schon sehr problematisiert wird", sei "die Wahrscheinlichkeit einer Anzeige bei jemandem, den ich als ausländisch lese, doppelt so hoch" wie bei "jemandem, den ich als deutsch lese".

"Ernsthaft?", fragte da ungläubig Markus Lanz. "Wenn mir jemand mein Portemonnaie oder mein Telefon klaut", so der Moderator, "ist mir vollkommen wurscht, wer das ist. Wenn der das macht, zeig' ich den an." Die Wissenschaftlerin aber beharrte auf ihrer Position: "Studien sagen uns das Gegenteil."

Wie Ahmad Mansour hatte auch Lanz in der Folge erkennbare Schwierigkeiten, Bögeleins Sichtweise zu folgen. Als sie anführte, dass der Anteil der nicht deutschen Opfer in der Kriminalstatistik wesentlich höher sei als der Anteil nicht deutscher Tatverdächtiger, insistierte der Moderator: "Fast die Hälfte aller Tatverdächtigen haben keinen deutschen Pass." 41 Prozent seien es, korrigierte ihn Sebastian Fiedler, "bereinigt 34 Prozent".

Ahmad Mansour spricht "das Unwort der Sendung" aus

Während Soziologin Bögelein ins Feld führte, dass Menschen ohne deutschen Pass auch häufiger von Armut betroffen seien und in marginalisierten Stadtteilen lebten, monierte Mansour: "Wir behandeln diese Menschen wie Kuscheltiere, damit wir uns besser fühlen." Die eingespielten, betont entschlossenen Originaltöne von Innenministerin Nancy Faeser ("Wer sich nicht an die Regeln hält, muss gehen") konnten ihn nicht von seiner Einschätzung abbringen: "Unser Rechtsstaat wird als schwach wahrgenommen", Migranten erlebten das als "Einladung". Das Gegenteil sei der Fall, konterte Fiedler, gerade dass sie in der Statistik stünden, sei ein "Zeichen guter Polizeiarbeit".

"Wenn die Statistik so interpretationsbedürftig ist, warum veröffentlichen wir sie dann?", rief Markus Lanz irgendwann aus – und stieß auf Zustimmung: "Ja, wir brauchen einen neuen Sicherheitsbericht, eine andere Debattengrundlage", forderte Fiedler. Nicole Bögelein sprach sich für "mehr Schulsozialarbeit" aus, um Jugendkriminalität zu bekämpfen: "Die Null-Toleranz-Debatte hat in den vergangenen 20 Jahren nichts gebracht." Fiedler betonte die Wichtigkeit von Präventionsprojekten. Ahmad Mansour hingegen wollte lieber bei kulturellen Hintergründen, patriarchalen Strukturen und Erziehungsmethoden ansetzen – und noch "das Unwort der Sendung" beitragen: "Wir müssen über Obergrenzen sprechen (…), damit wir in der Lage sind, diejenigen, die kommen, gut zu begleiten."

Verwendete Quellen
  • zdf.de: Sendung "Markus Lanz" vom 10. April 202p
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