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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Laschet im Angriffsmodus "Die Leute mögen keinen Streit"
In allen Umfragen liegt die SPD mit Kanzlerkandidat Olaf Scholz zurzeit vorne. Auch mit seinen Attacken im letzten TV-Triell konnte CDU-Kandidat Armin Laschet die Wähler nicht überzeugen. Das liegt an einem altbekannten Problem.
"Wenn mein Finanzminister so arbeiten würde wie Sie, hätten wir ein ernstes Problem": Mit Sätzen wie diesem versuchte Armin Laschet im vergangenen TV-Triell seinen Konkurrenten von der SPD, Olaf Scholz, in ein schlechtes Licht zu rücken. Gebracht hat es ihm jedoch wenig. Am Ende sah eine Mehrheit der Zuschauer Scholz als Sieger. Am heutigen Sonntag steht ab 20.15 Uhr das nächste Aufeinandertreffen bei ProSieben und Sat.1 an – und für Laschet wird sich erneut die Frage nach der Strategie stellen. Greift er weiter an, obwohl das seiner Beliebtheit kaum hilft?
"Die Leute mögen keinen Streit"
"Die Leute mögen keinen Streit. Sie finden ihn unterhaltsam, aber zum Kotzen, auf gut Deutsch gesagt", erklärt Prof. Dr. Rüdiger Schmitt-Beck vom Lehrstuhl für Politikwissenschaften und Politische Soziologie an der Universität Mannheim. Dies zeige sich vor allem in Talkshows, die häufig so inszeniert seien, dass die Politiker sich zwangsläufig einen Schlagabtausch liefern. Ein Konzept, das zwar viele Zuschauer zum Einschalten bringe, die beteiligten Politiker erschienen den Leuten dabei aber eher unsympathisch, sagt der Experte.
Begründet sei dies in der Vorstellung der Bürger darüber, wie Politik funktionieren solle. Ein verbissener Zweikampf sei nicht gerne gesehen, denn er werde als destruktiv bewertet.
Die Zahlen aus dem jüngsten TV-Triell belegen das. Laschet griff Scholz vermehrt scharf an. Es entwickelte sich eine hitzige Diskussion. Zwar richtete das in Scholz Gesamtbeurteilung kaum Schaden an, doch bei den Sympathiewerten gab es am Ende eine klare Gewinnerin: Laut einer von der ARD veröffentlichten Umfrage der infratest dimap wirkte Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock für 39 Prozent der Befragten am sympathischsten. Sie hatte sich aus dem Schlagabtausch weitestgehend herausgehalten. Scholz kam lediglich auf 34 Prozent. Angreifer Laschet landete deutlich abgeschlagen bei 18 Prozent.
Ein Problem für die Demokratie
Generell seien die Bürger kein Freund des Parteienwettbewerbs, so Schmitt-Beck. Ein Problem, denn immerhin sei dieser Wettbewerb die Essenz der repräsentativen Demokratie. Ohne Streit könne am Ende nicht die beste Lösung gefunden werden. Doch die Bürger hätten am meisten Vertrauen in Institutionen, die außerhalb der Debatte stünden, wie unter anderem den Bundespräsidenten. "Die Bürger leben in der Demokratie, sie schätzen die Demokratie, aber das, was den Kern der Demokratie ausmacht, nämlich den Streit, den mögen sie weniger", sagt Schmitt-Beck.
Für aggressive Rhetorik war auch Angela Merkel nie bekannt. Nach Schmitt-Becks Angaben war sie während des größten Teils ihrer Amtszeit außerordentlich beliebt. Er führt dies auf ihren pragmatischen, bedächtigen und präsidentiellen Kurs zurück. Wie beliebt Merkel beim Volk war und ist, zeigt sich an einer Erhebung der Forschungsgruppe Wahlen. Sie bemisst die Beliebtheit der Kanzlerin während der gesamten Dauer ihrer Amtszeit anhand eines Wertes von plus fünf bis minus fünf. Dabei liegt ihr niedrigster je gemessener Wert bei 0,5. In den negativen Bereich gelangte sie nie.
Dass ein Laschet im Angriffsmodus bei den Triell-Zuschauern also deutlich weniger gut ankommt als der defensiv ausweichende Scholz, scheint auf Grundlage dieser Erfahrungen logisch. Nicht umsonst betiteln führende Unionspolitiker den SPD-Kandidaten schon als Erbschleicher.
Trielle mit größerem Einfluss
Olaf Scholz ist so gesehen der Kanzler, den die streitscheuen Deutschen verdienen. In Anbetracht der Triell-Ergebnisse lässt sich diese These durchaus halten. Zumal die Eindrücke aus den TV-Debatten in diesem Jahr eine noch größere Rolle spielen könnten als in vergangenen Wahlkämpfen. Die Wähler seien aufgrund der offenen und komplexen Situation immer noch auf der Suche nach Informationen, die bei der Entscheidung helfen können, sagt Schmitt-Beck. Das sei daran zu erkennen, dass in Umfragen viele Befragungspersonen immer noch Unentschiedenheit signalisierten sowie am bislang noch geringen Rücklauf der Briefwahlstimmen, so der Experte.
- Interview mit Prof. Dr. Rüdiger Schmitt-Beck, Politikwissenschaftler an der Universität Mannheim
- Tagesschau: Zuschauer sehen Scholz bei Triell vorn