Flüchtlingsdeal mit Ankara "Das Türkei-Abkommen erodiert"
Die Zahl der Flüchtlinge, die über den Balkan nach Deutschland kommen, nimmt zu. Nun fordern mehrere Politiker eine neue Strategie von der Türkei.
Angesichts steigender Migrantenzahlen auf der sogenannten Balkanroute plädieren Außenpolitiker aus Union und FDP für eine Revision des 2016 getroffenen Flüchtlingsabkommens zwischen der EU und der Türkei. Es sei "offenkundig, dass das Türkei-Abkommen erodiert", sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Johann Wadephul am Montag der Zeitung "Welt". Die Bundesregierung müsse "in Ankara vorstellig" werden und an die eingegangene Verpflichtung erinnern.
Die aktuell steigenden Zahlen auf der Balkanroute führen Menschenrechtsorganisationen vor allem auf die Angst syrischer Migranten vor Rückschiebung ins Kriegsgebiet zurück. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte sich am Wochenende besorgt über den Anstieg der Flüchtlingszahlen gezeigt. An der Grenze zu Österreich wurden Faeser zufolge die Kontrollen verlängert, an der tschechischen Grenze kontrolliert die Bundespolizei verstärkt im Rahmen der Schleierfahndung.
Abkommen 2016 beschlossen
Der FDP-Bundestagsabgeordnete Ulrich Lechte sagte der Zeitung, der EU-Türkei-Deal müsse weiterentwickelt werden. Ankara habe allerdings mit den 3,5 Millionen Migranten im eigenen Land stets ein Druckmittel zu Verfügung. Lechte verwies darauf, dass die Flüchtlingshilfe vor Ort um den Faktor 20 günstiger sei als für einen Flüchtling, der in Deutschland direkt versorgt werde.
Die Europäische Union hatte 2016 ein Flüchtlingsabkommen mit Ankara geschlossen, um die illegale Migration über die Türkei in EU-Staaten zu verhindern. Im Gegenzug erhielt die Türkei EU-Finanzhilfen in Milliardenhöhe.
In den Aufnahmezentren gebe es derzeit ein "hohes Ankunftsgeschehen", sagte Thüringens Minister für Migration, Justiz und Verbraucherschutz, Dirk Adams (Grüne), der Zeitung. Von der Bundesregierung erwarte er, wieder eine "regelmäßige Berichterstattung" aufzunehmen, um die Verteilung auf die Kommunen besser planen zu können.
Mehr Flüchtlinge in den kommenden Monaten?
Weil der Bund dem Bericht zufolge zuletzt keine Prognosen mehr über ein zu erwartendes Migrationsaufkommen veröffentlicht hatte, hatten die Länder selbst Schätzungen angestellt. Adams forderte zudem zusätzliche finanzielle Mittel von der Bundesregierung.
Die Integrations- und Flüchtlingsministerin von Nordrhein-Westfalen, Josefine Paul (Grüne), sagte der "Welt": "Wir bereiten uns derzeit darauf vor, dass gerade im späteren Herbst und Winter wieder mehr Menschen zu uns kommen könnten." Bei dieser Herausforderung müssten alle – also Bund, Länder und Kommunen – an einem Strang ziehen, forderte Paul.
- Nachrichtenagentur AFP