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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Rätselhafte Ukraine-Botschaften Trumps gefährliche Gratwanderung
Trumps Verhältnis zur Ukraine ist seit jeher gespalten. Der Ex-Präsident lobt Putin und beschimpft Selenskyj. Nun traf er den ukrainischen Präsidenten und gab sich milde. Was steckt hinter den Doppelbotschaften?
Bastian Brauns berichtet aus Washington
Am 26. Februar 2022 betrat Donald Trump in Orlando im Bundesstaat Florida die Bühne bei der Conservative Political Action Conference (CPAC). Das war nur zwei Tage, nachdem der russische Präsident Wladimir Putin seine groß angelegte Invasion der Ukraine gestartet hatte. Und da stand der ehemalige US-Präsident und nannte den russischen Präsidenten einen "schlauen" Mann. Dass sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dem Mann im Kreml entgegenstelle, bezeichnete Trump als "mutig".
In diesem Moment setzte Trump den Ton für seinen Umgang mit dem Ukraine-Krieg: Einerseits zeigte er ein gewisses Mitgefühl für das Leid der Ukraine und deren Anführer Selenskyj. Andererseits aber hielt er sich damit zurück, Russlands Handlungen zu verurteilen oder sich von seinem Bild als jemand mit einer "sehr guten Beziehung" zu Putin zu distanzieren. Während der völkerrechtswidrige Angriffskrieg mit inzwischen Hunderttausenden Toten und Verletzten bald drei Jahre andauert, behielt Trump seine doppelten Botschaften stets bei.
Trumps Lob für Putin: Eine fortwährende Bewunderung
Trumps bekundete Anerkennung für Putin war schon bei dessen Einmarsch im Februar 2022 nichts Neues. Schon während seiner Präsidentschaft beschrieb Trump den russischen Präsidenten oft als "Genie" und "clever". Bei seiner CPAC-Rede von Orlando kritisierte er dann aber die westlichen Staats- und Regierungschefs dafür, dass sie den Krieg nicht verhindert hätten.
Für Trump liegt das Problem bis heute nicht bei Putins Aggression, sondern in der vermeintlichen Schwäche und Unfähigkeit der Biden-Regierung, die den Konflikt zugelassen habe. Auch als er an diesem Freitag in seinem Trump Tower in New York zum ersten Mal nach fünf Jahren wieder persönlich auf den ukrainischen Präsidenten Selenskyj traf, wiederholte der Präsidentschaftskandidat diese Sichtweise.
In Wahrheit stecken dahinter wohl weniger umfangreiche Kenntnisse der komplexen Problemlage zwischen der Ukraine und Russland. Vielmehr ermöglicht diese Darstellung Trump, das öffentliche Bild von ihm als starken und pragmatischen Anführer zu wahren.
Trumps angebliche Doppel-Freundschaft
Als Trump neben Selenskyj in New York vor die Kameras trat, betonte er einerseits, was für ein "großartiges Verhältnis" er mit ihm habe. Er lobte den ukrainischen Präsidenten als "beinhart", weil dieser sich geweigert habe, politische Spielchen zu spielen, als die Demokraten ihn 2019 des Amtes entheben wollten. Damals wurde Trump vorgeworfen, Militärhilfen für die Ukraine zurückgehalten zu haben, um politische Gefälligkeiten zu erlangen.
Selenskyj, der sich darum in einer schwierigen Lage befand, erklärte öffentlich, dass Trump nichts falsch gemacht habe – eine Aussage, die Trump offensichtlich nie vergessen hat. Neben Selenskyj fuhr Trump fort: "Und ich habe, wie Sie wissen, auch ein sehr gutes Verhältnis zu Präsident Putin."
Auch hinter dieser Doppelbotschaft steckt eine Strategie. Der Ex-Präsident stellt sich als derjenige dar, der durch seine starken Beziehungen sowohl zu Selenskyj als auch zu Putin den Krieg hätte verhindern können. Auf diese Weise gelingt es Trump, sich von jeglicher Verantwortung für den Krieg zu entziehen, während er impliziert, dass der Konflikt einzig das Ergebnis schlechter Diplomatie seiner Nachfolger sei. Ergo, sei er auch viel besser in der Lage, den Krieg zu beenden.
Mitgefühl für die Ukraine – aber zu welchem Preis?
"Irgendwann muss es enden, es muss enden", sagte Trump. Selenskyj und sein Land seien "durch die Hölle gegangen", wie nur wenige Länder zuvor in der Geschichte. "So etwas hat noch niemand erlebt. Es ist eine schreckliche Situation", sagte Trump. In Gegenwart von Selenskyj bekundete er plötzlich so etwas wie Mitgefühl. Dabei hatte er den ukrainischen Präsidenten erst vor einigen Tagen noch wüst beschimpft.
Denn in Wahrheit erreicht Trumps zur Schau gestelltes Mitgefühl für die Ukraine schnell seine Grenzen. Beispielsweise, wenn es um seine Wiederwahl geht. Über Jahre haben Trump und Mitstreiter wie der frühere "Fox News"-Moderator Tucker Carlson bei den eigenen Anhängern darum eine sehr anschlussfähige Erzählung verbreitet: Selenskyj sei nichts weiter als ein korrupter Schmarotzer, der wegen der benötigten milliardenschweren Militärhilfen die amerikanischen Steuerzahler um ihr sauer verdientes Geld bringen würde.
Deshalb kritisierte Trump bei einem Wahlkampfauftritt in North Carolina Selenskyj in dieser Woche auch dafür, dass er nicht friedenswillig sei und keinerlei Zugeständnisse an Russland gemacht habe. Trump sagte wörtlich, die Ukraine hätte "ein bisschen nachgeben" sollen, um den Krieg zu vermeiden. "Jeder Deal, selbst der schlechteste Deal, wäre besser gewesen als das, was wir jetzt haben", sagte Trump.
In dieser Aussage spiegelt sich einmal mehr Trumps transaktionales Weltbild wider. Anstatt den Angriffskrieg durch die Brille des Völkerrechts, der Demokratie oder der Menschenrechte zu sehen, scheint Trump auch im Fall der Ukraine einen geschäftsmäßigen Pragmatismus und reine Kosten-Nutzen-Abwägungen zu priorisieren. Nur logisch erscheint darum auch seine Frustration über die vielen Milliarden von Dollar, welche die derzeitige US-Regierung der Ukraine zur Verfügung gestellt hat.
Indem Trump die Ukraine als rein finanzielle Belastung darstellt, rechtfertigt er vor seinen Anhängern seine Zurückhaltung, weitere Unterstützung zu leisten. Zugleich spricht er deren isolationistischen Instinkte an, die in der Gleichung gründen: Würden wir kein Geld im Ausland verschwenden, würde es uns wirtschaftlich viel besser gehen.
Trumps geschicktes Spiel mit beiden Seiten
Die Aussagen, die Donald Trump zum russisch-ukrainischen Krieg macht, sind in ihrer Zweideutigkeit bemerkenswert konsistent. Er lobt sowohl Selenskyj als auch Putin, verspricht, den Krieg zu beenden, während er gleichzeitig die US-Unterstützung für die Ukraine kritisiert und beteuert, dass der Konflikt nie stattgefunden hätte, wenn er Präsident geblieben wäre. Was aber steckt hinter diesen verwirrend wirkenden Botschaften?
Einmal mehr kann festgestellt werden, dass Trump über bemerkenswerte politische Instinkte verfügt, um sich Mehrheiten zu sichern. Denn er muss wissen, dass die Republikanische Partei in der Ukraine-Frage extrem gespalten ist:
Auf der einen Seite gibt es eine bedeutende Fraktion von Republikanern, die die Ukraine fest unterstützen und den Krieg als Kampf für Freiheit und Demokratie sehen. Vereinfacht dargestellt, sind dies die patriotischen Republikaner nach dem Vorbild des ehemaligen Präsidenten Ronald Reagan. Sich den Kommunisten und ihren russischen Nachfolgern um Wladimir Putin entgegenzustellen, ist eine Frage der Ehre und der Prinzipien.
Auf der anderen Seite gibt es bei den Republikanern spätestens seit der sogenannten Tea-Party-Bewegung einen wachsenden isolationistischen Flügel, der skeptisch gegenüber ausländischen Interventionen ist. Diese Vertreter befürchten, dass die USA in der Ukraine und anderswo nicht nur erneut Milliarden von Dollars in einen weiteren aussichtslosen Konflikt im Ausland investieren. Auch soll nicht wie in Vietnam, im Irak oder in Afghanistan wieder tausendfach das Blut von Amerikanern vergossen werden.
Indem Trump Selenskyj lobt, Putin lobt und dann wieder auf Selenskyj herumhackt, kann er beide Seiten dieser Kluft ansprechen. Dass er dabei offenkundig weder die eine noch die andere Seite verprellt, mag am Ende hauptsächlich daran liegen: Gerade in Zeiten des Wahlkampfes gegen die Erzfeinde der Demokraten, versammelt man sich hinter dem eigenen Kandidaten. Womöglich wissen einige sogar um die Wichtigkeit dieser doppelten Botschaften, um das eigene Lager zu vereinen.
Trump inszeniert sich als Friedensstifter
Trumps Zögern, sich klar auf eine Seite zu schlagen, entspricht außerdem seiner generellen Strategie, sich vor klaren politischen Positionen zu drücken. Indem er seine Haltung bewusst vage hält, bewahrt er sich die größtmögliche Flexibilität. In Bezug auf die Ukraine kann er einfach versprechen, den Krieg zu beenden, ohne sich dabei auf konkrete Maßnahmen festzulegen. Somit lässt er die Möglichkeit offen, sowohl mit der einen als auch der anderen Seite Deals abzuschließen.
Als Selenskyj in New York zu Trump sagte, dass er doch darauf hoffe, dass das ihrige gute Verhältnis trotzdem besser sei als das zu Putin, reagierte der Republikaner erneut listig. Durchaus mehrdeutig sagte er:
"Ja, aber zum Tangotanzen braucht es immer zwei. Wir werden heute ein gutes Treffen haben. Und ich denke, die Tatsache, dass wir heute überhaupt zusammen sind, ist ein sehr gutes Zeichen. Und hoffentlich werden wir einen guten Sieg erringen. Denn, wenn die andere Seite gewinnt, wird es offen gestanden gar keine Siege mehr geben."
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Ob Trump mit der "anderen Seite" aber nun eine Niederlage Wladimir Putins meinte oder die Demokraten und Kamala Harris, darüber kann nur spekuliert werden.
Was zählt: Trump hat sich wieder nicht festlegen lassen. Es gelang ihm, öffentlich zu bekunden, dass er im Falle seiner Wiederwahl im November noch vor seiner Amtseinführung mit Joe Biden eine Lösung für die Ukraine und Russland erarbeiten würde.
Seine Anhänger feiern ihn darum schon jetzt als Friedensstifter. Dass auch schon geschlossene Absprachen von Putin vielfach hintertrieben wurden, spielt dabei keine Rolle. Dass sich Wolodymyr Selenskyj auf dieses Spiel einlässt, hat allerdings ebenfalls ganz pragmatische, wenngleich überlebenswichtige Gründe. Es sichert ihm zumindest die Chance, dass Donald Trump im Falle eines Wahlsiegs ihn nicht vollkommen übergehen kann. Wohl auch um diese Option zu wahren, bezeichnete Selenskyj das Treffen im Nachhinein als "sehr produktiv".
Selenskyj weiß aber auch, dass er sich tags zuvor in Washington mit ihm wohlgesonnenen Republikanern im Senat und Repräsentantenhaus getroffen hat. Im Zweifel wird er wohl nur auf die bauen können.
- Eigene Beobachtungen
- Auftritt von Donald Trump und Wolodymyr Selenskyj in New York