Umstrittenes Interview Sind wir Putin auf den Leim gegangen?
Das Interview von Trumps engem Vertrauten Tucker Carlson mit Wladimir Putin wurde weltweit diskutiert. Laut Kreml-Insidern steckte dahinter ein perfider Plan.
Auch Russlands Staatsmedien haben das Interview von Tucker Carlson mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin ausgestrahlt und äußerst positiv besprochen. Dabei war es in erster Linie gar nicht für das inländische Publikum gedacht.
Ein Bericht der russischen Exil-Zeitung "Meduza" legt nahe, warum Putin bereit gewesen ist, dem rechtspopulistischen US-Moderator und Trump-Anhänger ein Interview zu geben. "Meduza" bezieht sich dabei auf anonyme Quellen aus Putins Regierung. Diese bestätigen, dass das mehr als zweistündige Gespräch vor allem in den westlichen Ländern eine ganz bestimmte Wirkung entfalten solle.
Hysterie erzeugen
Demnach sollte das umstrittene Gespräch vor allem dazu dienen, die US-Nachrichten möglichst breit und für einen längeren Zeitraum zu bestimmen und so eine gewisse Hysterie zu erzeugen. Jeder Artikel und jeder Fernsehbericht über das Interview half dem Kreml also dabei, dieses Ziel zu erreichen.
Die Putin-Regierung hoffte demnach auch darauf, dass die ausführlichen Reaktionen im Westen auf das Interview wiederum die russische Bevölkerung positiv in Bezug auf Putin beeinflussen würde. Der russische Präsident steht kurz vor (nicht freien) Wahlen im eigenen Land. Diese finden vom 15. bis 17. März statt.
Die Kreml-Quelle sagte laut "Meduza": "Alle drehen dort [im Westen] durch. Biden hat Journalisten dringend einberufen. Eine Zustimmung von Trump oder Musk konnte auch Millionen an Zuschauern bedeuten." Putins Propaganda-Maschine soll darauf gehofft haben, dass die russische Bevölkerung wiederum denkt, dass Putin "immer noch die Agenda setzt". Die Schlussfolgerung: "Seht, wie sehr er allein mit einem Interview alle beeinflusst hat!"
Inwiefern der Plan des Kremls aber wirklich aufgegangen ist, lässt sich schwer beurteilen. Eine der Quellen sagte gegenüber "Meduza", dass er die Schlagzeilen anschließend gesehen und "nichts Neues erfahren" habe. Tatsächlich hatte Putin längst Bekanntes referiert. Das Interview selbst besaß keinen inhaltlichen Nachrichtenwert.
Aber darum sei es eben in erster Linie auch nicht gegangen. Eine weitere Quelle, die Putins Partei "Einiges Russland" nahesteht, sagte "Mezuza": Tucker Carlson sei ein "hochrangiger Journalist". Schon in den ersten Stunden nach der Veröffentlichung hätten zig Millionen Menschen das Interview angesehen – "es spielt keine Rolle, was die Fragen waren", so die Quelle.
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Eine andere, der Putin-Regierung nahestehende Quelle wies gegenüber "Meduza" außerdem auf ein Schlüsselthema hin, das in dem Interview hervorgehoben wurde: "Wir wollten mit euch [dem Westen] zusammenarbeiten, jetzt sind wir aber zusammen mit China. Aber das liegt nur daran, dass die US-Führung uns dazu gedrängt hat." Der durchschnittliche Amerikaner müsse jetzt denken: "Oh, was hat unsere politische Führung nur angerichtet!", so die Kreml-Quelle.
Auch die amerikanische Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) geht davon aus, dass Putin ganz gezielt die amerikanische Öffentlichkeit erreichen wollte. Das Ziel: Die Rechtfertigungen des Kremls für den Einmarsch und angebliche Friedensbemühungen zu verbreiten. In einem Bericht heißt es dazu:
"Der russische Präsident Wladimir Putin versuchte, ein am 8. Februar veröffentlichtes Interview mit der amerikanischen Medienpersönlichkeit Tucker Carlson zu nutzen, um einem breiteren westlichen Publikum eine langjährige Informationsoperation des Kremls vorzustellen, die fälschlicherweise behauptet, Russland sei an einem ausgehandelten Ende seines Krieges in der Ukraine interessiert."
- meduza.io: Kremlin insiders explain key takeaways from Tucker Carlson’s interview with Putin (Englisch)
- understandingwar.org: Russian Offensive Campaign Assessment, February 8, 2024 (Englisch)