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Das Corona-Jahr: Trump, Johnson, Merkel – Wenn die List der Vernunft zuschlägt


Meinung
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Das Jahr der Pandemie
Wenn die List der Vernunft zuschlägt

MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

Aktualisiert am 28.12.2020Lesedauer: 3 Min.
Donald Trump und seine Maske: Sein nachlässiger Umgang mit der Pandemie könnte ihn die Wiederwahl gekostet haben (Archivbild).Vergrößern des Bildes
Donald Trump und seine Maske: Sein nachlässiger Umgang mit der Pandemie könnte ihn die Wiederwahl gekostet haben (Archivbild). (Quelle: UPI Photo/imago-images-bilder)

Ohne Pandemie wäre Donald Trump wiedergewählt worden und Boris Johnson hätte nicht im letzten Moment den Vertrag mit der EU unterzeichnet. Geduldsmenschen wie Angela Merkel haben das bessere Ende für sich.

Am zweiten Weihnachtsabend fragte mich jemand, was von 2020 als Produkt der Pandemie bleiben werde. Typische Frage bei Rotwein, wenn uns die Reste der Gans vorwurfsvoll ansehen und das ersterbende Gespräch wiederbelebt werden muss.

Erstens: Der Kapitalismus hat sein klassisches Doppelgesicht im ablaufenden Jahr gezeigt, das ist schon mal wichtig. Der Staat, in Gestalt unserer Regierung, federt mit ungeheuer viel Geld so viele negative Folgen wie irgend möglich ab. Staatskapitalismus ist zwar keine begeisternde Utopie, sonst wäre Deutschland allezeit ein kleines China, aber im Notstand fällt die soziale Marktwirtschaft eben darauf zurück und das ist gut so, das wissen wir jetzt. Vorübergehend nur soll der Staat stark sein, das ist ausgemacht, auch wenn der eine oder andere Linke im Lande an ihm Gefallen findet, und auch der eine oder andere Rechte ohnehin Stärke für einen Selbstzweck hält. Die Extreme berühren sich eben immer wieder.

Kehrseite des Kapitalismus: das Hütchenspiel von Wirecard

Die Kehrseite des Kapitalismus ist das Hütchenspiel, mit dem der digitale Dienstleister Wirecard den Finanzmarkt zum Narren hielt. Betrug und Hochstapelei, Schneeballsysteme und Ponzo-Spielchen gehören unabänderlich zum freien Spiel der Kräfte hinzu, da muss man sich keine Illusionen machen. Wenn aber nur ein Konzern die Kunden und Banken um ein paar Milliarden Euro schröpft, sind Lug und Trug zu verkraften.

Man muss sich nur kurz mal vorstellen, wie die Welt aussähe, wenn eine Finanzkrise wie im Jahr 2007/08 Covid-19 flankieren würde. Eine Pandemie ist schlimm genug. Zwei Pandemien wären die Hölle.

Zweitens: Einer meiner Lieblingsgedanken ist dieser: Es gibt die List der Vernunft, die sich hinterrücks durchsetzt, ohne dass es derjenige ahnt, auf den sie es abgesehen hat. Ohne Pandemie wäre Donald Trump Präsident geblieben. Ohne seine steinerne Gleichgültigkeit gegenüber den Toten wäre er Amerika nochmals vier Jahre erhalten geblieben. Er konnte sich ja leisten, was er wollte, und wir konnten uns so maßlos empören, wie wir wollten: Nichts konnte ihn beeindrucken, aber die Pandemie kann es.

Trump muss es in den Wahnsinn treiben, dass ein Mann, der noch älter ist und eigentlich keine Zukunft mehr hatte, am 20. Januar seine Stelle im Weißen Haus einnehmen wird. Ohne Trump kein Joseph Biden jr.

Die List der Vernunft hat zugeschlagen.

Drittens: Boris Johnson hingegen ist nur ein Clown, kein Mephisto. Bevor ihn die Kombination aus Pandemie und Brexit wegfegen kann, biegt er bei. Schnell noch macht er, was er in schöner Selbstgefälligkeit nicht machen wollte, und lässt sich auf einen Handelsvertrag mit der Europäischen Union ein. Mag er ihn noch so wortreich als geniales Abwarten bis zur allerletzten Minute ausgeben, weiß doch jedermann, dass er knapp eine Katastrophe abwendete. Kurz vor Weihnachten konnte das Königreich absehen, was ein vertragsloser Zustand bedeuten würde, als Europa die Grenzen dicht machte: leere Regale und volle Lastwagen, die sich in Calais stauen. Auch Boris Johnsons Besinnung kann man unter List der Vernunft abbuchen.

Viertens: Dass es nicht zum Bruch mit Großbritannien kommt, ist auch ein Verdienst der unermüdlichen Verhandlerin, die wir in unserer Bundeskanzlerin haben. Ab jetzt dreht sie ihre letzte Runde und wenn sie im September abtritt, ist hoffentlich die Pandemie so gut wie vorbei. Zugleich können wir uns schon ab der zweiten Januarhälfte an den Gedanken gewöhnen, dass ein frisch gewählter Bundesvorsitzender der CDU sie beerben will.

Der Kontrast dürfte allerdings wenig erbaulich ausfallen. Was Angela Merkel lässig aus dem Ärmel schüttelt, muss sich der Neue erst mühselig aneignen, auch wenn Friedrich Merz so groß von sich denkt, als sei er für die Kanzlerschaft geboren und nur durch unglückliche Umstände noch nicht dort angelangt, wohin er gehört, während Armin Laschet mit seinem Weiter-so-wie-unter-Angela-Merkel die Bescheidenheit zur Tugend erklärt. Natürlich wollen wir auch nicht Markus Söder vergessen, den Ich-habe-recht-und-zwar-immer-egal-was-ich-sage. Zyniker würden sagen: Das wird noch lustig mit den Dreien.

Erst einmal klingt das Jahr der Pandemie still aus. Es gibt keinen Grund zu glauben, dass sich die Zahl der Infizierten und Toten bis zum 10. Januar erheblich verringern wird. Der Lockdown wird verlängert und vielleicht sogar noch einmal verschärft. Na ja, immerhin hat der Wettlauf zwischen Virus und Impfung begonnen. Daraus lässt sich gedämpfte Zuversicht für 2021 schöpfen, ist doch was.

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