Erstes Interview aus der Haft Nawalny: Muss im Straflager Staatsfernsehen schauen
Der Kreml-Kritiker Alexej Nawalny hat sein erstes Interview seit seiner Inhaftierung gegeben. Darin vergleicht er seine Strafkolonie mit einem chinesischen Arbeitslager und klagt über "psychologische Gewalt".
In seinem ersten Interview aus der Haft in Russland hat Kreml-Kritiker Alexej Nawalny den russischen Behörden schwere Vorwürfe gemacht. Der Oppositionsführer verglich in dem am Mittwoch veröffentlichten Gespräch mit der "New York Times" seine Strafkolonie in Pokrow 100 Kilometer östlich von Moskau mit einem chinesischen Arbeitslager und sprach von einer Art Gehirnwäsche, der er unterzogen werde.
Die Zeiten von auszehrender Arbeit in sowjetischen Gulags sei vorbei, sagte Nawalny der "NYT". Stattdessen werde nun "psychologische Gewalt" gegen die Häftlinge ausgeübt. So werde er gezwungen, täglich acht Stunden Kreml-treues Staatsfernsehen zu schauen. Lesen und schreiben dürfe er hingegen nicht. Außerdem weckten die Aufseher Häftlinge, wenn sie einschliefen. Seine Mithäftlingen piesackten ihn hingegen nicht, sagte Nawalny. Er habe sogar "Spaß" mit ihnen.
Nawalny gilt als der schärfste Gegner des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Er war im Februar zu mehreren Jahren Haft verurteilt worden, weil er gegen Bewährungsauflagen in einem früheren Strafverfahren verstoßen haben soll, während er sich in Deutschland von einem Mordanschlag erholte. Das Urteil wurde international vielfach als politisch motiviert kritisiert.
Insgesamt sollen 54 handgeschriebene Seiten mit Nawalnys Antworten bei den Journalisten angekommen sein. Seine Pressesprecherin Kira Jarmysch bestätigte auf Twitter, dass es sich um das erste Interview seit seiner Inhaftierung handelte.
Nawalny: "Das Putin-Regime ist ein historischer Unfall"
"Sie stellen sich vielleicht tätowierte Muskelprotze mit Stahl-überkronten Zähnen vor, die Messerkämpfe austragen, um das beste Bett am Fenster zu ergattern", sagte Nawalny. Die Realität in seiner Strafkolonie sehe aber anders aus. "Sie müssen sich so etwas wie ein chinesisches Arbeitslager vorstellen, wo jeder in Reih und Glied läuft und überall Videokameras hängen. Es gibt konstante Kontrolle und eine Kultur der Spitzelei.
In dem Interview der "New York Times" forderte der Oppositionspolitiker erneut harte Sanktionen gegen russische Oligarchen, die Putin unterstützen. Die Strafmaßnahmen von EU und den USA dürften nicht die einfache russische Bevölkerung treffen.
"Das Putin-Regime ist ein historischer Unfall und keine Gesetzmäßigkeit", schrieb Nawalny laut der Zeitung in einer Antwort an die Journalisten. "Früher oder später wird dieser Fehler korrigiert werden und Russland einen demokratischen, europäischen Weg einschlagen."
- Nachrichtenagenturen afp und dpa