Lehrer enthauptet Terror in Paris – wieder Mohammed-Karikaturen das Motiv
Nach der Enthauptung eines Lehrers vor einer Pariser Schule gilt ein 18-jähriger Schüler als mutmaßlicher Täter. Neun Personen aus seinem Umfeld wurden festgenommen. Hatten sie Kontakt zu Terroristen?
Schock und tiefes Entsetzen in Frankreich: Wieder hat ein Angreifer wegen Mohammed-Karikaturen auf brutalste Weise zugeschlagen. Der Täter hat in einem Pariser Vorort einem Lehrer aufgelauert und ihn anschließend enthauptet. Die Republik sei vom islamistischen Terrorismus in ihrem Herzen getroffen worden, erklärte Premierminister Jean Castex. Mehrere Menschen, unter anderem aus dem Umfeld des mutmaßlichen Angreifers, sind festgenommen worden. Zahlreiche Menschen gingen am Samstag im ganzen Land aus Solidarität mit dem Getöteten auf die Straße.
Bei dem mutmaßlichen Angreifer handelt es sich laut Staatsanwalt Jean-François Ricard um einen 2002 geborenen Mann russischer und tschetschenischer Herkunft. Er sei als Flüchtling nach Frankreich gekommen, lebte nach Angaben der russischen Botschaft bereits seit zwölf Jahren in Frankreich. Seit diesem Frühjahr soll er eine Aufenthaltsgenehmigung haben.
Der 18-Jährige fiel bislang nicht wegen Radikalisierung auf. Er war der Polizei wegen krimineller Delikte bekannt, für die er jedoch nicht verurteilt wurde, wie die Staatsanwaltschaft am Samstag mitteilte. Nach der Tat wurde er von der Polizei erschossen. Zuvor soll er aber noch ein Foto des Opfers im Netz veröffentlicht und eine Nachricht an Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gerichtet haben, den er als "Anführer der Ungläubigen" bezeichnete. "Ich habe einen Ihrer Höllenhunde hingerichtet, der es wagte, Mohammed herabzusetzen."
Festgenommene haben offenbar Verbindungen zu Islamisten
Der Vorfall hatte sich am späten Freitagnachmittag im Pariser Vorort Conflans-Sainte-Honorine ereignet. Dort tötete der Angreifer den 47 Jahre alten Lehrer – seine Leiche wurde enthauptet mit zahlreichen Wunden an Oberkörper und Kopf aufgefunden. In der Nähe des Tatorts fanden die Ermittler zudem ein rund 30 Zentimeter langes blutverschmiertes Messer.
Mehrere Familienmitglieder des Täters wurden in der Nacht von Freitag auf Samstag in Gewahrsam genommen. Später wurden nach Angaben aus Gerichtskreisen fünf weitere Menschen festgenommen, darunter der Vater eines Schülers, der sich mit dem Lehrer über dessen Unterricht gestritten haben soll. Der Vater hatte sich im Internet darüber beschwert, dass der Lehrer seinen Schülern Karikaturen des Propheten Mohammed gezeigt habe. Die Halbschwester des Festgenommenen soll nach Angaben der Staatsanwaltschaft für die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) nach Syrien gezogen sein.
Lehrer zeigte Mohammed-Karikaturen im Unterricht
Staatsanwalt Ricard äußerte sich ausführlich zum mutmaßlichen Hintergrund der Tat. Dem Angriff seien bereits Drohungen gegen den Lehrer und die Schule vorausgegangen. Der Lehrer hatte Anfang Oktober im Rahmen des Unterrichts das Thema Meinungsfreiheit aufgegriffen. Anlass war die erneute Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen seitens des Satiremagazins "Charlie Hebdo". Der Lehrer zeigte im Unterricht entsprechende Karikaturen.
Daraufhin veröffentlichte ein Vater Posts in sozialen Netzwerken, beschwerte sich bei der Schulleitung und machte gegen den Lehrer mobil. Der Vater wurde Medien zufolge von einem bekannten Islamisten in die Schule begleitet, der nun wie der Vater ebenfalls in Polizeigewahrsam ist.
Am Samstagmorgen lagen zahlreiche Blumen vor der Schule des Opfers. Der Lehrer sei für seine Freundlichkeit und Höflichkeit sehr geschätzt worden, sagte Nordine Chaouadi, die Mutter eines Schülers der Nachrichtenagentur AFP.
Ob der mutmaßliche Angreifer einmal Schüler an der Schule des Opfers gewesen war, gab die Staatsanwaltschaft nicht bekannt. Er hatte den Angaben zufolge kurz nach der Tat eine Rachebotschaft beim Kurzbotschaftendienst Twitter veröffentlicht.
Macron: "Sie werden uns nicht spalten"
Nach den Worten von Präsident Emmanuel Macron handelt es sich bei dem Angriff "eindeutig" um einen "islamistischen Terroranschlag". Die Anti-Terror-Staatsanwaltschaft ermittelt seit Freitag wegen "Mordes" in Verbindung mit einem Terrorakt und wegen einer "kriminellen terroristischen Vereinigung".
Bei einer kurzen Rede vor der Schule am Freitagabend sagte Macron: "Sie werden nicht durchkommen. Sie werden uns nicht spalten." Der Lehrer sei ermordet worden, weil er seinen Schülern "Meinungsfreiheit und die Freiheit zu glauben und nicht zu glauben" beigebracht habe.
Auch Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verurteilten den tödlichen Anschlag. "Von Terror, Extremismus und Gewalt dürfen wir uns nie einschüchtern lassen", schrieb Maas am Samstag im Kurzbotschaftendienst Twitter. Von der Leyen betonte die Bedeutung von Lehrern in der Demokratie.
Redaktion von Satirezeitung immer wieder Ziel von Terror
Erst vor wenigen Wochen hatte es vor dem ehemaligen Redaktionsgebäude von "Charlie Hebdo" in Paris eine Messerattacke gegeben. Dabei wurden zwei Menschen verletzt – auch hier hatte der Täter Mohammed-Karikaturen als Motiv angegeben.
Auf die Redaktion von "Charlie Hebdo" hatte es im Januar 2015 einen verheerenden Mordanschlag gegeben, bei dem die wichtigsten Zeichner des Blattes getötet wurden. Aktuell läuft in Paris der Prozess gegen mutmaßliche Helfer der islamistischen Terrorserie im Januar 2015, bei der insgesamt 17 Menschen getötet wurden.
Die Redaktion befindet sich heute aus Sicherheitsgründen an einem geheimen Ort. Nach der Tat vom Freitag sprach die Satirezeitung beim Onlinedienst Twitter von einem "Gefühl des Schreckens und der Empörung".
- Nachrichtenagenturen dpa, AFP