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Raketenfund in Italien: Die Spur führt nach Spanien


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Beunruhigender Fund in Italien
Die Spur der Neonazi-Rakete führt um die halbe Welt


18.07.2019Lesedauer: 5 Min.
Polizisten mit ihrem spektakulren Fund: Ein über 250 Kilogamm schwere Luft-Luft-Rakete vom Typ Matra Super 530F.Vergrößern des Bildes
Polizisten mit ihrem spektakulren Fund: Ein über 250 Kilogamm schwere Luft-Luft-Rakete vom Typ Matra Super 530F. (Quelle: Tino Romano/ANSA/ap)

In Norditalien findet die Polizei eine Rakete für Kampfflugzeuge in einem privaten Hangar. Wo kam die Waffe her? Und wofür oder für wen war sie gedacht? Die Hinweise führen quer über die Kontinente.

War der Fund einer 250 Kilogramm schweren Kriegsrakete in einem privaten Hangar in Norditalien nur der Auftakt für eine noch größere Entdeckung? Am Mittwoch stellten Sonderermittler der italienischen Staatspolizei weitere schwere Kriegswaffen in der Halle sicher. In Kisten lagerten offiziellen Angaben zufolge zwei Raketenwerfer, gebaut für den Einsatz an italienischen Kampfflugzeugen.

Die Herkunft der Raketenwerfer blieb zunächst ebenso unklar wie die der am Montag entdeckten Luft-Luft-Rakete. Bei letzterer aber beginnt sich die Spur inzwischen zu vervollständigen. Sie führt von einer französischen Waffenschmiede zur Armee von Katar und von dort zu den Streitkräften Spaniens. Wie fand sie dann den Weg zu einer kleinen Firma in der norditalienischen Provinz? Und was hatten ein früherer Senatskandidat einer neofaschistischen Kleinstpartei und zwei weitere Männer mit ihr vor?

Waffen-Deal zwischen Katar und Frankreich

Die Geschichte der Rakete beginnt in den Siebziger Jahren in Frankreich. Die Waffenschmiede Matra war dabei, einen neuen Lenkflugkörper zum Abschuss feindlicher Flugzeuge im Luftkampf zu entwickeln. Die französische Luftwaffe plante, damit unter anderem ihre Maschinen vom Typ Mirage F1 zu bestücken. 1979 wurden die ersten Exemplare in Dienst gestellt.

Katar interessierte sich für die französische Entwicklung. Der reiche Wüstensstaat schloss einen Deal mit Paris über die Lieferung von 14 Mirage-Jagdfliegern inklusive Bewaffnung ab: Luft-Luft-Raketen vom Typ Matra Super 530F. 1980 ging das Geschäft über die Bühne. Auf dem Behälter des nun in Norditalien beschlagnahmten Exemplars wird als Besitzer die Armee Katars und als Herstellungsdatum der Oktober 1980 vermerkt.

Im Zuge der Modernisierung seiner Luftwaffe begann Katar in den 90er Jahren, die Mirage F1 weiterzuverkaufen. Eine Sprecherin des Außenministeriums in Doha bestätigte den Deal. An wen die Jagdflieger nebst der dazugehörigen Raketen gingen, wollte sie auf Bitten des Empfängerlandes allerdings nicht sagen. Die Sprecherin sagte lediglich, dass es sich um eine befreundete Nation handle, die damals 40 Matra Super 530F von der katarischen Regierung gekauft habe.

Allerdings gibt ein Artikel aus jener Zeit und das Archiv des Konfliktforschungsinstituts Sipri Aufschluss darüber, wer 1994 Empfänger des Kriegsgeräts war, fand das auf Technikthemen und Sicherheitsfragen spezialisierte Portal "The Drive" heraus. Am 4. Juli 1994 berichtete die spanische Zeitung "El Pais" über eine Entscheidung des Verteidigungsministeriums in Madrid, 18 Kampfjets vom Typ Mirage F1 aus zweiter Hand zu erwerben: fünf von Frankreich, 13 von Katar. Aus Aufzeichnungen von Sipri geht hervor, dass im Rahmen des Geschäfts auch 40 Matra Super 530F von der arabischen auf die iberische Halbinsel wechselten.

Das spanische Verteidigungsministerium erklärte dazu, "dass alle aus Katar bezogenen Raketen von der spanischen Luftwaffe in ihrer Gesamtheit entsorgt wurden", berichtet das Fachportal "Defensa". Es bleibe somit die Verantwortung der italienischen Behörden herauszufinden, woher die Super 530F aus Norditalien stammt.

Rechtsextremisten mit Verbindungen in die Ukraine

Fest steht, dass der Hinweis eines italienischen Neofaschisten die Ermittler in den Hangar in der Ortschaft Rivanazzano Terme in der Region Pavia führte, in dem man nun die Rakete fand. Seit Juli 2018 observierten die Behörden Personen mit Verbindungen zu militanten und rechtsextremen Gruppen in der Ukraine, die am Konflikt im Osten des Landes beteiligt sind. Dabei fiel ihnen auch der 60-Jährige auf, ein früherer Zollbeamter am Flughafen Malpensa nahe Mailand, der 2001 für die neofaschistische Partei Forza Nuova für einen Sitz im Senat in Rom kandidierte. Er ist wohnhaft in Gallarate in der Provinz Varese.

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Über Whatsapp soll der Mann in Kontakt mit ukrainischen Interessenten für die Rakete gestanden haben. Knapp 500.000 Euro hat er nach Polizeiangaben für das Geschoss verlangt.

Solche Verbindungen sind für die italienischen Sicherheitsbehörden erst einmal nichts neues. Der Geheimdienst notierte in seinem 2018er Bericht, dass eine signifikante Zahl italienischer Rechtsextremisten sich aus unterschiedlichen Beweggründen in der Konfliktregion in der Ukraine aufhalte. Einige hätten sich proukrainischen, ultranationalistischen Milizen angeschlossen, die größere Zahl den prorussischen Separatisten.

Aber dass jemand aus diesem Umfeld eine Kriegswaffe von diesem Kaliber in die Konfliktregion verkaufen wollte, war den Ermittlern noch nicht untergekommen.

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Waffenlager mit Gewehren, Pistolen und Nazi-Devotionalien

In den vergangenen Tagen erfolgte schließlich der Zugriff. In dem Haus, in dem der Mann mit seiner Mutter wohnte, stießen die Einsatzkräfte auf ein reiches Arsenal an Waffen: neun Sturmgewehre, sieben Pistolen, drei Schrotflinten, 20 Bajonette, fast 1.000 Schuss Munition, sowie zahlreiche NS-Devotionalien. In ersten Vernehmungen führte der Mann die Beamten schließlich zu dem Hangar, in dem die Rakete lagerte.

Er selbst will nur in die Vermittlung der Waffe involviert gewesen sein, er sei Sammler, sagte der Mann nach Angaben der Turiner Ausgabe der Zeitung "Corriere della sera", die seinen Anwalt zitierte. "Ich sollte den Wert der Waffe schätzen, das stimmt. Aber nach meiner Ansicht ist das nur die Attrappe einer Rakete." Angeblich hätten dem Geschoss das Radarsystem und der Antrieb gefehlt. Es hätte so niemals eingesetzt werden können.

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Trotzdem soll der Verdächtige die angebliche "Attrappe" Interessenten zum Kauf angeboten haben. Nach Angaben der Ermittler war die Rakete zum Zeitpunkt der Entdeckung nicht einsatzfähig. Ihr fehlte jedoch lediglich der Sprengkopf. Die Ermittler sind sich sicher, dass Personen mit Fachwissen die Waffe jederzeit wieder hätten scharf machen können.

Wissen möglicherweise die Besitzer des Hangars mehr? Die Halle gehört der Firma Star Air Service, die eigentlich auf Reparatur und Verkauf von Kleinflugzeugen spezialisiert ist. Geschäftsführer ist ein 42-jähriger Schweizer, sein Partner ist ein 51-jähriger Italiener. Beide haben eine kriminelle Vergangenheit und stehen unter Hausarrest.

Zweifel an der Vermutung, dass die Rakete in die Ukraine verkauft werden sollte, säte in dieser Woche ausgerechnet Italiens Innenminister Matteo Salvini. Er vermutete vielmehr, dass sie für einen Anschlag auf sein Leben gedacht war. Er selbst habe die Behörden darauf hingewiesen, sagte er am Dienstag in Genua. "Es war eine der vielen Todesdrohungen, die ich tagtäglich erhalte. Der Geheimdienst sprach von einer ukrainischen Gruppe, die es auf mein Leben abgesehen hat. Ich bin froh, dass das Arsenal dieser Verrückten ausgehoben wurde."


Die Sonderabteilung "Digos" der italienischen Staatspolizei widersprach Salvinis Darstellung umgehend. Wahrscheinlich scheint deshalb, dass der Minister den Fall für eigene Zwecke zu nutzen versucht. Tatsächlich pflegen er und sein Umfeld enge Verbindungen nach Russland, das die Separatisten im Donbass im Kampf gegen die ukrainische Armee unterstützt. Salvini wird vorgeworfen, Geld für seine Partei Lega Nord vom Kreml zu erhalten.

Verwendete Quellen
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