Sri Lanka nach dem Terrorangriff Zwischen Glaubenskrieg und Gemeinschaft
Eine Ausgangssperre wurde verhängt, Online-Netzwerke blockiert, und der Regierungschef ruft zu Ruhe auf: Gut drei Wochen nach den Anschlägen auf Kirchen in Sri Lanka gibt es neue Spannungen zwischen Christen und Muslimen.
Die Polizei ging nach eigenen Angaben am Montag gegen hunderte christliche Randalierer in mindestens sechs Städten im Westen des Landes vor, die dort Geschäfte von Muslimen und Moscheen attackierten. Im ganzen Land wurde eine sechsstündige nächtliche Ausgangssperre verhängt.
"Mehrere Läden wurden angegriffen", sagte ein Polizeisprecher der Nachrichtenagentur . "Als die Menschenmenge versuchte, Moscheen zu attackieren, haben wir in die Luft geschossen und Tränengas eingesetzt, um sie auseinanderzutreiben." Berichte über Verletzte oder Festnahmen gab es nach Polizeiangaben zunächst nicht.
Erster Todesfall wurde jetzt bestätigt
Klar ist jedoch: Ein Muslim ist am Montag bei gewaltsamen Unruhen in Sri Lanka jetzt getötet worden. Der 45-Jährige sei kurz nach seiner Einlieferung in ein Krankenhaus im Bezirk Puttalam an der Westküste des Landes gestorben, sagte ein Polizist der Nachrichtenagentur AFP. Es war der erste Todesfall im Zuge neuer anti-muslimischer Unruhen infolge der mutmaßlich islamistischen Anschläge auf Kirchen und Luxushotels an Ostern.
Zu Beginn war der Polizei zufolge nur in drei Bezirken eine Ausgangssperre verhängt worden. Als die Ausschreitungen sich auf mehrere Bezirke nördlich der Hauptstadt Colombo ausweiteten, sei die Sperre im ganzen Land verhängt worden. Der Polizeisprecher erklärte, die Unruhen seien "stark politisch" geprägt. "Es gibt Menschen, die versuchen, politisches Kapital aus der Situation zu schlagen."
Soziale Medien wurden gesperrt
Die Behörden hatten am Montag angeordnet, den Zugang zu Online-Netzwerken wie Facebook, WhatsApp und Instagram zu sperren, nachdem es bereits am Sonntag Zusammenstöße zwischen Christen und Muslimen gegeben hatte.
In der Stadt Chilaw kam es als Reaktion auf die Facebook-Botschaft eines muslimischen Ladenbesitzers zu Ausschreitungen. "Hört auf zu lachen, eines Tages werdet ihr weinen", schrieb der Mann. Christliche Gruppen sahen darin eine Anschlagsdrohung. Sie attackierten daraufhin den Laden des Händlers und weitere Geschäfte. Zudem randalierten sie in einer Moschee.
"Nicht von Falschinformationen beeinflussen lassen"
Regierungschef Ranil Wickremesinghe appellierte an die Bevölkerung, Gerüchten keinen Glauben zu schenken. "Ich rufe alle Bürger auf, ruhig zu bleiben und sich nicht von Falschinformationen beeinflussen zu lassen", schrieb er im Kurzbotschaftendienst Twitter, der von der Sperre nicht betroffen war. Er warnte zudem, die Unruhen belasteten die Sicherheitskräfte zusätzlich und behinderten laufende Ermittlungen. Seit der Anschlagsserie gilt in Sri Lanka der Ausnahmezustand. Zudem wurden die Befugnisse der Polizei ausgeweitet.
Der Verband der islamischen Gelehrten (ACJU) in Sri Lanka warnte vor zunehmendem Argwohn gegenüber der muslimischen Minderheit im Land. Der ACJU rief Muslime dazu auf, provokative Beiträge in Onlinenetzwerken zu vermeiden.
Lange keine Messen gefeiert
Am Sonntag hatten katholische Kirchen in Colombo erstmals wieder die Sonntagsmesse gefeiert. Aus Furcht vor neuen Anschlägen waren seit Ostersonntag keine Gottesdienste mehr abgehalten worden. Am Dienstag sollten auch private katholische Schulen wieder öffnen. Elterngruppen zufolge planen aber viele Schulen, erst nächste Woche den Betrieb wieder aufzunehmen.
Rund zehn Prozent der 21 Millionen Einwohner von Sri Lanka sind Muslime, etwa 7,6 Prozent sind Christen. Die Mehrheit der Bewohner des Inselstaats ist buddhistischen Glaubens.
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Bei den Selbstmordattentaten auf insgesamt drei Kirchen und drei Luxushotels waren am Ostersonntag insgesamt 258 Menschen getötet worden, etwa 500 weitere wurden verletzt. Die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) reklamierte die Attacken für sich. Sri Lankas Regierung macht die Islamistengruppe National Thowheeth Jama'ath (NTJ) für die Anschläge verantwortlich, glaubt aber, dass sie Unterstützung aus dem Ausland hatte.
- Nachrichtenagentur dpa