Attentat während Trauerfeier Erneut blutiger Anschlag in Kabul
Bei der Beerdigung eines getöteten Demonstranten in Kabul ist erneut ein blutiger Anschlag verübt worden. Dutzende Trauergäste wurden getötet oder verletzt.
Bei dem zweiten schweren Anschlag in der afghanischen Hauptstadt in nur vier Tagen sind mindestens 20 Menschen getötet worden. Gleich drei Bomben seien in schneller Folge während eines hochrangig besuchten Begräbnisses explodiert, sagte ein Polizist im Stadtviertel Badambach. Laut einem Sprecher des Gesundheitsministeriums wurden mindestens 119 Menschen verletzt in Kliniken gebracht.
Mit dem Vorfall stieg die Zahl der durch Anschläge ums Leben gekommenen Menschen in Kabul in nur vier Tagen auf mindestens 110. Zu den Tätern gab es zunächst keine Hinweise. Die radikalislamischen Taliban wiesen in einer Botschaft über einen WhatsApp-Kanal jegliche Beteiligung zurück. Bilder zeigten Männer in formeller afghanischer Kleidung, wie sie leblos auf einer staubigen Fläche an einem Hügel zwischen Grabsteinen lagen.
Die Bomben explodierten während der Beerdigung von Mohammed Salim Isedjar, dem Sohn des stellvertretenden Senatssprechers. Er hatte am Freitag zusammen mit etwa 1000 anderen Menschen nach dem schweren Anschlag im Kabuler Diplomatenviertel vom Mittwoch mehr Sicherheit im Land verlangt sowie den Rücktritt von Präsident Aschraf Ghani und Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah.
Offenbar drei Selbstmordattentäter
Abdullah Abdullah war ebenfalls zu dem Begräbnis gekommen, aber unversehrt geblieben. Im Fernsehen sprach er von drei Selbstmordattentätern, die sich unter die Trauernden gemischt hätten. Außenminister Salahuddin Rabbani, der ebenfalls zur Trauerfeier gekommen war, schrieb auf seiner Facebook-Seite, auch er sei unverletzt. Wer die Todesopfer sind, blieb zunächst unklar.
Bomben auf Begräbnisse sind in Afghanistan nicht neu: Manchmal töten Attentäter absichtlich eine prominente Figur, um beim Begräbnis eine größere Zusammenkunft weiterer bekannter Führer anzugreifen. Einen solchen Fall gab es 2011, als die Taliban Ahmed Wali Karsai, einen Bruder des damaligen Präsidenten, töteten und nur zwei Tage später während des Begräbnisses wieder zuschlugen.
Mindestens 90 Tote bei Anschlag vom Mittwoch
Zuerst waren am Mittwoch bei der Explosion einer massiven Lastwagenbombe in unmittelbarer Nähe der deutschen Botschaft mindestens 90 Menschen getötet und rund 460 weitere verletzt worden. Ein Mitarbeiter der Kabuler Kliniken sagte, er gehe von mehr Opfern aus - viele seien wohl in zu kleine Stücke zerrissen worden, um noch gefunden zu werden.
Bei dem Anschlag war auch ein Gebäude der deutschen Botschaft schwer beschädigt, eine deutsche Diplomatin leicht und eine afghanische Mitarbeiterin schwer verletzt worden. Ein afghanischer Wächter wurde getötet. Die staatliche deutsche Organisation für Entwicklungshilfe, GIZ, hat nach dem Bombenanschlag vom Mittwoch nahezu ihr gesamtes deutsches und internationales Personal aus Afghanistan ausgeflogen.
Wer hinter der Tat steckte, blieb weiter unklar. Der afghanische Geheimdienst NDS sagt, das Hakkani-Netzwerk habe die Tat geplant. Die Hakkanis sind eine besonders brutale afghanische Aufständischengruppen, die eng mit den Taliban zusammenarbeitet.
Mit scharfer Munition gegen Demonstranten
Bei den emotionalen Demonstrationen für mehr Sicherheit im Land wurden zwei Tage nach dem Bombenanschlag sieben Menschen getötet. Die Polizei hatte am Freitag mit Maschinengewehren auf die wütenden Demonstranten geschossen, die auf dem Weg zum Palast waren.
Die Bundesregierung hatte auf den Anschlag mit der Lastwagenbombe mit einem fast vollständigen Stopp der Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber reagiert. Das Auswärtige Amt werde zunächst eine Neubewertung der Sicherheitslage vornehmen, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag in Berlin nach einem Treffen mit den Ministerpräsidenten der Länder.
Bis die Neubewertung vorliege und die deutsche Botschaft in Kabul wieder voll funktionsfähig sei, solle es Abschiebungen von Afghanen nur in bestimmten Fällen geben. Zurückgeschickt werden sollen laut Merkel zum Beispiel weiter Straftäter und sogenannte Gefährder - also Menschen, denen die Sicherheitsbehörden einen Terrorakt zutrauen.
Die Sicherheitslage hat sich in Afghanistan seit dem Abzug der meisten internationalen Truppen Ende 2014 stark verschlechtert. Die radikal-islamischen Taliban kontrollieren mittlerweile nach US-Militärangaben rund elf Prozent des Landes. Knapp 30 Prozent sind umkämpft. Die afghanischen Sicherheitskräfte erleiden Rekordverluste, und seit Anfang 2016 sind mehr als 760 000 Zivilisten vor der Gewalt aus ihren Dörfern geflohen.