Keine westlichen Bauteile? Dieser Jet soll 100 Prozent Russland sein

Westliche Sanktionen lähmen die russische Luftfahrt. Der Sektor setzt deshalb auf Russifizierung und heimische Produktion. Jetzt feierte die SJ-100 den ersten Flug ausschließlich mit Material der Marke Eigenbau.
Die Klage ist eindringlich. Bis zum Jahr 2030 könnten in Russland mindestens zweihundert Flugzeuge aus westlicher Produktion stillgelegt werden, warnte Sergei Tschemesow, Chef des staatlichen russischen Technikkonzerns Rostec in der Zeitung "Moscow Times".
Der Grund für das Grounding ist einfach: Entweder fehlen die notwendigen Ersatzteile westlicher Hersteller wie Boeing und Airbus oder die geschulten Techniker der Flugzeughersteller dürfen nicht ins Land reisen. Die nach Russlands Einmarsch in der Ukraine verhängten westlichen Sanktionen machen Russlands Luftfahrt zu schaffen. Ein Drittel der aus dem Westen gelieferten Flugzeuge könnten innerhalb der nächsten fünf Jahre am Boden bleiben, klagte Tschemesow weiter.
Testhöhe 3.000 Meter und Tempo 500
Deshalb setzt Russlands Luftfahrt auf Jets der Marke Eigenbau: Russifizierung heißt die Strategie. Für Flugzeuge der zivilen Luftfahrt sollen ausschließlich Komponenten aus Russland genutzt werden. Jetzt vermeldet Russlands Industrie einen späten Zwischenerfolg: Ein Superjet vom Typ SJ-100 aus vollständig russischer Produktion hob in Komsomolsk am Amur im Fernen Osten des Landes ab – die Triebwerke vom Typ PD-8-Turbofan stammen vom heimischen Hersteller Awiadwigatel.
Nach russischen Angaben stieg das Flugzeug bis zu einer Höhe von 3.000 Metern auf und erreichte eine Geschwindigkeit von rund 500 Stundenkilometern. "Dieser Erfolg bestätigt die Genauigkeit der technischen Berechnungen und die erhöhte Einsatzbereitschaft des Flugzeugs", so Tschemesow.
Verzögerungen im Zeitplan
Doch hinkt die Entwicklung dem Zeitplan weit hinterher. Die SJ-100 wurde ursprünglich mit westlichen Partnern konzipiert – und sollte auch den wachsenden Markt mit Regionalflugzeugen erobern. Westliche Fluglinien wie Brussels Airline stellten den Betrieb jedoch noch vor dem Ukraine-Krieg ein, auch wegen Technikproblemen.
Nach Russlands Einmarsch in der Ukraine zog sich der französische Partner Safran zurück. So mussten wichtige Bauteile plötzlich in Russland entworfen werden, nicht zuletzt die Triebwerke. Nach erheblichen Verzögerungen übernahm im vergangenen Jahr der russische Luft- und Rüstungskonzern United Aircraft Corporation (UAC) die Planung und Fertigung des Flugzeugs.
Ursprünglich war das Projekt beim einstigen Konzern Suchoi angesiedelt, benannt nach dem russischen Flugzeugkonstrukteur Pawel Suchoi (1895–1975). Die sowjetische Luft- und Raumfahrt galt im 20. Jahrhundert lange als führend. Der erste künstliche Satellit "Sputnik" versetzte dem Westen 1957 im Kalten Krieg einen Schock.
Vier Jahre später schickte die Sowjetunion mit Juri Gagarin den ersten Menschen ins All. Der verabschiedete sich am 12. April 1961 mit den Worten: "пойдем" – Los geht's. Erst mit der Mondlandung 1969 konnten die USA ihren ersten Prestige-Erfolg im Systemwettbewerb der Raumfahrt feiern.
- The Moscow Times: "Russia’s Superjet Airliner Completes First Test Flight With Domestic Engine"