Russische Invasion Putin will Pufferzone bei Charkiw
Zum Ende seiner China-Reise lobt Kremlchef Putin Pekings Streben nach einer Lösung des Konflikts um die Ukraine. Erneut beteuert er, bereit zu Verhandlungen zu sein. Eine Basis dafür es gebe schon.
Russland will die seit Wochen beschossene Stadt Charkiw im Osten der Ukraine nach den Worten von Kremlchef Wladimir Putin nicht besetzen und dort angeblich nur eine Pufferzone einrichten. Stand heute gebe es keine Pläne, Charkiw einzunehmen, sagte Putin vor Vertretern russischer Staatsmedien zum Ende seines Besuches in China in der Stadt Harbin.
Ein Reporter hatte ihm die Frage gestellt, nachdem der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Donnerstag die massiv angegriffene Region Charkiw besucht hatte. Selenskyj sprach von einer Stabilisierung der Lage dort. Die Russen hätten lediglich die erste von drei Verteidigungslinien erreicht, sagte Selenskyj vor Journalisten.
Putin gab an, dass Russland derzeit eine Pufferzone dort einrichte, weil von Charkiw aus die russische Region Belgorod massiv mit Drohnen und Raketen beschossen werde. Die jüngsten massiven Schläge gegen die Region Charkiw habe sich die Ukraine selbst zuzuschreiben, weil sie russisches Gebiet immer wieder attackiere.
Die Behörden in Belgorod meldeten erneut massiven Drohnenbeschuss von ukrainischer Seite. Unter anderem sei ein Auto getroffenen worden, eine Frau und ihre vier Jahre alter Sohn seien getötet worden, sagte Gouverneur Wjatscheslaw Gladkow. Auch andere Regionen meldeten Drohnenattacken von ukrainischer Seite, es gab mehrere Brände. Allerdings wird Charkiw bereits seit Kriegsbeginn von russischen Truppen massiv beschossen.
Die Lage um Charkiw gilt derzeit weiter als gespannt. Der frühere Kremlchef Dmitri Medwedew, der jetzt Vizechef im nationalen Sicherheitsrat ist, hatte Selenskyjs Reise nach Charkiw zuvor als Abschiedsbesuch bezeichnet. Weil die Führung in Moskau immer wieder Charkiw als russische Stadt bezeichnet, gehen viele Experten davon aus, dass der Kreml auch die Region annektieren will. Putin dementierte dies erstmals mit der Einschränkung, dass es derzeit nicht geplant sei.
Tote bei russischem Luftangriff auf Charkiw
Bei einem russischen Luftangriff auf Charkiw sind nach Behördenangaben mindestens zwei Menschen getötet worden. Außerdem seien 25 Menschen verletzt worden, teilte die Stadtverwaltung mit. Russische Flugzeuge hätten am Freitag zwei Gleitbomben auf die Stadt abgeworfen, schrieb Gebietsgouverneur Gouverneur Oleh Synjehubow auf Telegram.
Die südukrainische Hafenstadt Odessa am Schwarzen Meer wurde am Freitag von Russland mit Raketen beschossen. Dabei sei ein Mensch getötet, acht weitere seien verletzt worden, teilte Gouverneur Oleh Kiper mit.
Zugleich setzten russische Bodentruppen ihre vor einer Woche begonnene Offensive in dem Grenzgebiet bei Charkiw fort, wie der ukrainische Oberbefehlshaber Olexander Syrskyj auf Telegram schrieb. Die russische Armee habe diese neue Front mittlerweile auf etwa 70 Kilometer verbreitert. Dies solle die Ukrainer zwingen, mehr Brigaden aus der Reserve einzusetzen. Es sei dem Gegner aber nicht gelungen, die ukrainischen Linien zu durchbrechen. Russland setze bei den Angriffen Luftwaffe, Raketen, Artillerie und Panzer ein. Einen Vorteil für die Ukrainer sah Syrskyj bei Drohnen und dem präziseren Artilleriefeuer.
Putin lobt China und kritisiert Friedensgipfel in der Schweiz
Putin lobte zum Ende seiner China-Reise ausdrücklich die Bestrebungen Pekings, den Konflikt um die Ukraine zu beenden. Er habe mit Partei- und Staatschef Xi Jinping ausführlich über den Krieg gesprochen, sagte er. China bezeichnet sich als neutral in dem Konflikt, gilt aber als Unterstützer Russlands. Zugleich kritisierte Putin den in der Schweiz geplanten Friedensgipfel der Ukraine. Die am 15. und 16. Juni in der Nähe von Luzern geplante Konferenz sei der Versuch, Russland Bedingungen für eine Beendigung des Konflikts aufzuzwängen, sagte er.
Die Ukraine und der Westen hoffen, dass China einen Vertreter zum Gipfel in die Schweiz schickt, um dem Treffen mehr Gewicht zu verleihen. In Kiew sagte Selenskyj im Gespräch mit den Journalisten, dass viele Staaten an dem Treffen teilnehmen würden. Er erinnerte daran, dass auch China für die territoriale Unversehrtheit der Ukraine eintrete und kein Verständnis habe für Annexionen in dem Land. Ziel des Gipfels in der Schweiz sei ein Kommuniqué für eine Lösung des Konflikts. Die Ukraine wolle etwa Energiesicherheit und einen Austausch aller Gefangenen erreichen, sagte Selenskyj.
Putin kritisierte, dass Russland nicht eingeladen sei zu dem Treffen, sich aber ständig Vorwürfe machen lassen müsse, daran nicht teilzunehmen. Auch Verbündete Russlands sehen keinen großen Sinn in dem Treffen, wenn nicht beide Kriegsparteien daran teilnehmen.
Putin betonte erneut, dass Russland bereit sei zu Verhandlungen. Er erinnerte noch einmal daran, dass es kurz nach Kriegsbeginn bereits in Istanbul eine Einigung mit der ukrainischen Seite zur Beilegung des Konflikts gegeben habe. Es habe ein fertiges Dokument gegeben, das nun weiter eine Grundlage für neue Verhandlungen sein könne, sagte Putin. Aus dem Papier hatte Ende April auch die Zeitung "Welt" zitiert unter dem Titel: "Das geheime Dokument, das den Ukraine-Krieg hätte beenden können." Nach Putins Aussage hätten damals Kiew und der Westen entschieden, den Kampf fortzusetzen.
Feuerpause zu Olympia? Selenskyj und Putin äußern sich
Unabhängig voneinander äußerten sich Selenskyj und Putin zur französischen Idee einer Feuerpause während der Olympischen Sommerspiele in Paris. Ihm seien die Details der Initiative nicht klar, zumal Russland die Gelegenheit nutzen könne, weiter Militärtechnik in Richtung Ukraine zu bewegen, sagte Selenskyj der Internetzeitung "Ukrajinska Prawda" zufolge.
Der ukrainische Staatschef betonte erneut, dass es bereits eine Feuerpause gegeben habe, aber diese mit dem russischen Feind nicht funktioniere. Außerdem stelle sich die Frage, "wer sicherstellen wird, dass während einer Feuerpause ihre Streitkräfte nicht zu uns vorrücken". Es sei möglich, in dieser Zeit Technik zu bewegen und dann einen Angriff zu starten, warnte der Präsident. "Also ich verstehe die Details nicht. Für mich klingt das bisher nach einer nicht lebensfähigen Geschichte."
Kremlchef Putin sagte, dass ihn Xi auf das Thema angesprochen habe. Putin selbst äußerte sich nicht weiter zu dem Inhalt seines Gesprächs. Er kritisierte aber, dass der Westen von Russland die Einhaltung eines olympischen Friedens verlange, sich selbst aber mit dem Ausschluss russischer Athleten nicht an den olympischen Gedanken halte.
Der Kreml hatte schon zuvor Zweifel an einer der französischen Initiative geäußert, weil die Ukraine die Zeit der Spiele vom 26. Juli bis 11. August nutzen könnte, um die Streitkräfte weiter aufzurüsten und neu zu gruppieren für den Krieg. Kremlsprecher Dmitri Peskow hatte erklärt, dass es keine konkreten offiziellen Vorschläge aus Paris gebe zum Vorgehen.
Die Idee des olympischen Friedens geht auf die Antike zurück, wurde aber auch bei der Wiederbelebung der Spiele in der Neuzeit als Gedanke aufgenommen. Während des Sportereignisses sollten alle Feindseligkeiten ruhen. In der Vergangenheit wurde aber bereits mehrfach gegen das Gebot verstoßen.
- Nachrichtenagentur dpa