Sechs Menschen tot Neue Details über Anschlag in Istanbul bekannt
Explosion am Sonntagnachmittag: Sechs Menschen wurden bei dem mutmaßlichen Anschlag getötet. Die Ermittler haben weitere Erkenntnisse zur Tat.
Nach dem Anschlag mit sechs Toten auf der Einkaufsstraße Istiklal in Istanbul und der Festnahme einer Verdächtigen hat die Polizei weitere Details veröffentlicht. Die mutmaßliche Attentäterin sei Syrerin und habe Verbindungen zur syrischen Kurdenmiliz YPG zugegeben, teilte die Polizei am Montag mit. Demnach habe sie erklärt, ihren "Befehl" von der YPG erhalten zu haben. Die Türkei setzt die YPG mit der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK gleich.
Die PKK steht in der Türkei, Europa und den USA auf der Terrorliste. Die Kurdenmiliz YPG wiederum wird von den USA nicht als Terrororganisation angesehen, sondern ist für sie Partner im syrischen Bürgerkrieg im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS).
Vizepräsident spricht von "Terroranschlag"
Die Attentäterin gestand nach Angaben der Polizei auch, über Syrien illegal in die Türkei eingereist zu sein. Es habe im Zusammenhang mit dem gestrigen Anschlag 46 Festnahmen gegeben. Innenminister Süleyman Soylu hatte zuvor, zusammen mit der Hauptverdächtigen, noch von 22 Festnahmen gesprochen.
Bei dem Anschlag am Sonntag auf der belebten Einkaufsstraße waren sechs Menschen getötet worden, mehr als 80 wurden verletzt. Die türkische Regierung hatte zuvor erklärt, eine Frau stehe unter Verdacht, eine Bombe auf der auch bei Touristen beliebten Flaniermeile deponiert zu haben. Vizepräsident Fuat Oktay hatte die Tat als "Terroranschlag" bezeichnet.
PKK dementiert Beteiligung
Die PKK wies dagegen die Vorwürfe zurück: Ein Angriff auf die Zivilbevölkerung auf türkischem Boden käme in keinem Fall infrage, hieß es am Montag in einer von der PKK-nahen Nachrichtenagentur ANF veröffentlichten Erklärung. Die Gruppierung unterstütze keine Angriffe, die direkt gegen Zivilisten gerichtet seien.
In der Erklärung hieß es weiter, die türkische Regierung wolle unter anderem von dem Einsatz von Chemiewaffen gegen kurdische Milizen ablenken. Ankara war zuletzt mit dem Vorwurf konfrontiert worden, bei einem Militäreinsatz im Nordirak Chemiewaffen gegen Stellungen der PKK eingesetzt zu haben. Die Türkei dementiert die Anschuldigungen.
Baerbock: "Furchtbare Bilder"
Unter anderem Bundesaußenministerin Annalena Baerbock drückte ihr Mitgefühl aus. "Furchtbare Bilder kommen aus Istanbul", erklärte die Grünen-Politikerin über Twitter. "Meine Gedanken sind bei den Menschen, die einfach nur an einem Sonntag auf der Einkaufsstraße Istiklal flanieren wollten und nun Opfer einer schweren Explosion wurden."
Die Sprecherin von US-Präsident Joe Biden, Karine Jean-Pierre, verurteilte die "Gewalttat". "Wir stehen im Kampf gegen Terrorismus Seite an Seite mit unserem Nato-Verbündeten Türkei", erklärte sie weiter für das Weiße Haus.
Die Einkaufsstraße Istiklal ist ein touristischer Hotspot im Zentrum des europäischen Teils der türkischen Metropole, auf der auch am Sonntag häufig großes Gedränge herrscht. Ob Deutsche oder Angehörige anderer Nationen unter den Opfern sind, war zunächst unklar.
Rundfunkbehörde verhängt Nachrichtensperre
Der türkische Innenminister Süleyman Soylu hat in Zusammenhang mit dem Anschlag in Istanbul scharfe Worte an die USA gerichtet. Soylu wiederholte seinen Vorwurf an Washington, "Terrororganisationen" in Nordsyrien zu unterstützen und erklärte am Montag: "Wir nehmen die Kondolenzwünsche des amerikanischen Botschafters nicht an, wir weisen sie zurück." US-Konsulat und Botschaft hatten den Anschlag mit sechs Toten, wie andere Auslandsvertretungen auch, scharf verurteilt und Opfern Beileid ausgesprochen.
In türkischen Medien wurde die Berichterstattung zu dem Anschlag größtenteils eingestellt. Die Rundfunkbehörde Rtük verhängte eine vorläufige Nachrichtensperre für Medien. Berichte über die Explosion sollten vermieden werden, um nicht für Angst und Panik in der Bevölkerung zu sorgen, hieß es in dem Schreiben am Nachmittag. Die Behörde für Informationstechnologie und Kommunikation (BTK) reduzierte am Abend Berichten zufolge zudem die Bandbreite für Social-Media-Plattformen. Für Nutzer bedeutete das, dass Seiten deutlich langsamer oder nur noch via VPN erreichbar waren.
PKK verübt immer wieder Anschläge
In der Türkei ist es in der Vergangenheit immer wieder zu Anschlägen gekommen – auch im Zentrum Istanbuls. 2016 hatte sich etwa ein Selbstmordattentäter auf der Istiklal in die Luft gesprengt und vier Menschen getötet, 39 weitere wurden verletzt. Nach Angaben der türkischen Regierung hatte der Attentäter Verbindungen zur Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS). Die Gruppe selbst bekannte sich damals nicht zu der Tat.
Auch die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK verübt immer wieder Anschläge in der Türkei. Die PKK steht in der Türkei, Europa und den USA auf der Terrorliste und unterhält Stellungen in der Südosttürkei und im Nordirak. Ihr Hauptquartier liegt in den nordirakischen Kandil-Bergen. Ankara geht regelmäßig gegen die PKK vor und unterhält seit 2016 auch Militärposten im Nordirak.
Der seit 1984 andauernde Konflikt kostete bislang Zehntausende Menschen das Leben. Ein Waffenstillstand war im Sommer 2015 gescheitert.
- Nachrichtenagentur dpa