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Wilders, Le Pen und Co.: Angst vor Globalisierung stärkt Rechtspopulisten in Europa


Populismus in Europa
Was die neuen Rechten stark macht

spiegel-online, Christoph Titz

Aktualisiert am 30.11.2016Lesedauer: 3 Min.
Die Rechtspopulisten Marine Le Pen und Geert Wilders bei einem Treffen in Den Haag.Vergrößern des Bildes
Die Rechtspopulisten Marine Le Pen und Geert Wilders bei einem Treffen in Den Haag. (Quelle: dpa-bilder)

Frankreich, Deutschland, Österreich, die Niederlande - der Zulauf zu Europas neuen Rechten ist ungebrochen. Eine Studie aus 28 Ländern zeigt: Der Erfolg der Populisten speist sich vor allem aus der Angst vor Globalisierung.

Der Front National um seine Anführerin Marine Le Pen hat bei Frankreichs Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr gute Chancen. Gleiches gilt für Islamfeind Geert Wilders mit der Freiheitspartei PVV, wenn die Niederländer 2017 ein neues Parlament wählen. Und dann ist da noch die FPÖ, die in Kürze den österreichischen Bundespräsidenten stellen könnte. Diese Liste lässt sich fortsetzen und zeigt: In vielen Ländern Europas befinden sich rechte und rechtspopulistische Kräfte auf dem Vormarsch.

Um zu verstehen, was die Neurechten für viele Wähler so attraktiv macht, hat die Bertelsmann-Stiftung europaweit nach Einstellung zu den Themen Globalisierung, wirtschaftliche Aussichten und der Unterstützung traditioneller Werte gefragt. Für die Autoren der "Europinions"-Studie ist demnach die Globalisierungsangst der treibende Faktor für Rechtspopulismus. Weit weniger stark wirken sich traditionelle Wertvorstellungen aus.

Globalisierung spaltet europäische Bürger

Europaweit sind die Menschen in der Frage der Globalisierungsangst uneins: Eine Mehrheit der EU-Bürger sieht die internationale Verflechtung von Politik und Wirtschaft als Chance (55 Prozent), 45 Prozent ahnen darin eine Gefahr. Außerdem gilt europaweit: Städter kommen mit der Globalisierung besser zurecht als die Landbevölkerung. Gebildete fürchten sie weniger als Befragte mit vergleichsweise niedrigem Bildungsniveau.

Die Autoren betonen, dass Globalisierung in der öffentlichen Debatte meist eine Chiffre für Automatisierung, Migration und internationales Bankenwesen ist. Der Umfrage zufolge fürchten globalisierungskritische Menschen in erster Linie Einwanderung. Sie sehen Migration häufiger als Problem, haben weniger Kontakt mit Ausländern und äußern häufiger ausländerfeindliche Gefühle. Sie sind skeptischer gegenüber der EU und der Politik im Allgemeinen.

Besonders stark sind diese Ängste erwartungsgemäß bei Anhängern rechtsnationaler und populistischer Parteien ausgeprägt: Bei den Anhängern der deutschen AfD fürchten sich 78 Prozent vor der Globalisierung. Bei dem rechtsnationalen Front National sind es 76 Prozent, bei der österreichischen FPÖ 69 Prozent.

Traditionelle Werte sind laut der Studie zwar FN-Anhängern sehr wichtig (67 Prozent) bei deutschen oder österreichischen Wählern der neuen Rechten sind sie allerdings nur für 46 und für 47 Prozent von Bedeutung.

Das entscheidende Thema bei Wahlen

Folgt man den Autoren der Studie, ist die Angst vor Globalisierung ein möglicher Gradmesser für den Ausgang von Referenden und Wahlen in Europa:

In Österreich wird am Sonntag in der wiederholten Stichwahl ein neuer Bundespräsident bestimmt. Hier treibt die rechtspopulistische FPÖ seit langem Konservative und Sozialdemokraten vor sich her. Die Entscheidung fällt zwischen dem Populisten Norbert Hofer und dem unabhängigen Grünen-Kandidaten Alexander van der Bellen. In Umfragen liegen beide gleichauf.

Globalisierungsangst ist in Österreich laut der Studie weit verbreitet, weniger als jeder zweite Befragte sieht darin eine Chance. FPÖ-Anhänger fürchten die internationale Verflechtung, Technisierung und mehr Einwanderung besonders: 69 Prozent gaben an, die Globalisierung mache ihnen Sorge.

Populisten vor großen Wahlerfolgen?

Italien stimmt, ebenfalls am Sonntag, in einer Volksabstimmung über eine Parlamentsreform ab. Der linke Regierungschef Matteo Renzi hat sein politisches Schicksal mit dem Ergebnis verknüpft. Jüngste Umfragen sehen das Nein-Lager im Vorteil. In Italien ist die Globalisierungsangst allerdings vergleichsweise gering. 61 Prozent sehen sie als Chance. Allerdings kriselt die Wirtschaft, fast die Hälfte der Italiener ist wirtschaftlich verunsichert und darum von sozialen Abstiegsängsten geplagt.

Im kommenden Jahr stehen in zwei Nachbarländern Deutschlands wichtige Wahlen an: In den Niederlanden liegt die Partei des islamophoben Rechtspopulisten Geert Wilders in den Umfragen bei etwa 30 Prozent, teils gleichauf mit den Konservativen, teils knapp davor. Ein neues Parlament wählen die Niederländer im März, Wilders Freiheitspartei PVV könnte ihren Stimmanteil von derzeit 15 Prozent also vielleicht sogar verdoppeln.

Globalisierungsängste sind in dem Land, das über Europas größten Seehafen Europas verfügt, weniger verbreitet, auch wirtschaftliche Sorgen plagen die Niederländer weniger als in anderen europäischen Ländern. Mehr als die Hälfte setzt jedoch auf konservative Werte.

In Frankreich stellt sich die Lage anders dar: Mehr als die Hälfte der Bevölkerung fürchtet die Globalisierung. Das Land befindet sich in einer wirtschaftlichen Dauerkrise, mehr als die Hälfte der Befragten fürchtet den Abstieg. Zugleich ist die Gesellschaft mehrheitlich wertkonservativ.

Eine Mischung, die die Rechtspopulisten des Front National um Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen zu nutzen wissen. Für die Wahl sagten schon mehrere Umfragen der Nationalistin Le Pen einen Sieg im ersten Wahlgang voraus. Die Konservativen reagierten, in einer Urwahl bestimmten sie den Hardliner und früheren Regierungschef François Fillon als Herausforderer für Le Pen.

Methodik: Für die Studie befragten die Forscher im August 2016 knapp 11.000 Menschen in 28 EU-Mitgliedsstaaten. Um repräsentative Ergebnisse zu erhalten wurden die Daten anhand der aktuellsten Eurostat-Statistiken gewichtet.

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