"Regierungen sind nicht aufrichtig" Flüchtlingspakt: Erdogan wirft der EU Wortbruch vor
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wirft der EU Wortbruch im Zuge des Flüchtlingspakts vor. "Wir stehen zu unserem Versprechen. Aber haben die Europäer ihr Versprechen gehalten?", sagte er in einem ARD-Interview.
In dem Gespräch mit BR-Chefredakteur Sigmund Gottlieb forderte Erdogan erneut die Umsetzung der Visa-Freiheit für Türken. Dies sei bisher nicht geschehen. Zudem warf er der EU vor, den im Zuge des Flüchtlingspakts mit der Türkei eingegangenen Zahlungsvereinbarungen nicht nachzukommen: "Die europäischen Regierenden sind nicht aufrichtig", sagte er. Sein Land warte noch immer auf zugesagte Hilfen.
Verlängerung des Ausnahmezustands? "Wir müssen sehen"
Die Übereinkunft sieht vor, dass die Türkei illegal von dort in die EU eingereiste Migranten und Flüchtlinge wieder zurücknimmt. Im Gegenzug erklärte sich die EU bereit, ein Kontingent von syrischen Flüchtlingen aus der Türkei direkt aufzunehmen. Außerdem soll die Türkei finanzielle Unterstützung für die Versorgung der Flüchtlinge erhalten, die auf ihrem Territorium untergekommen sind.
Ob Erdogan eine Verlängerung des Ausnahmezustands anstrebe, ließ er offen. "Wir müssen sehen. Wenn es eine Normalisierung gibt, brauchen wir keine zweiten drei Monate." Bisher ist der Ausnahmezustand, der seit Mitte der Woche gilt, für drei Monate ausgerufen. Erdogan hat ihn verhängt, nachdem aus Teilen des Militärs ein Putsch gegen ihn versucht worden war.
Dabei waren mindestens 246 Menschen ums Leben gekommen. Seit dem gescheiterten Putsch hat die Regierung Zehntausende Polizisten, Soldaten und Beamte vom Dienst suspendiert oder festgenommen. Die Bevölkerung ist tief gespalten.
Erdogan: Todesstrafe gibt es fast überall
Der Staatschef verteidigte zudem die Debatte um eine Wiedereinführung der Todesstrafe. Nur in Europa gebe es keine Todesstrafe. Ansonsten gebe es sie fast überall, sagte er. Als Präsident habe er zwar nicht die Befugnis, die Todesstrafe wieder einzuführen, betonte er. Er müsse aber als Präsident das Volk anhören. Und das Volk wolle, dass die Todesstrafe wieder eingeführt werde.
Deshalb müsse im Parlament eine Anfrage gestellt werden. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte erst am Montag mit Blick auf die EU-Beitrittsabsichten der Türkei bekräftigt: Ein Land, in dem es die Todesstrafe gibt, könne der Europäischen Union nicht angehören.