Spott über Tsipras "Willkommen im Klub der Merkelisten"
Fast fünf Stunden lang haben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras miteinander geredet - "in guter und konstruktiver Atmosphäre," wie Regierungssprecher Steffen Seibert anschließend mitteilte. Prompt kam die Reaktion der griechischen Opposition.
"Willkommen im Klub der Merkelisten", erklärte der Sprecher der Parlamentsfraktion der griechischen konservativen Oppositionspartei Nea Dimokratia (ND), Adonis Georgiadis, nach dem Treffen. Er bezieht sich dabei auf eine Äußerung von Tsipras im vergangenen Jahr. Dieser hatte die damals regierenden Konservativen und Sozialisten als "Merkelisten" bezeichnet, weil sie seiner Meinung nach bedenkenlos alle Spardiktate aus Berlin in die Tat umsetzten.
Merkel nach Griechenland eingeladen
Bis Mitternacht hatten Merkel und Tsipras die Lage in Griechenland und die Beziehungen in der EU erörtert. Es sei "eine umfassende Aussprache über die Situation Griechenlands, die Arbeitsweise der Europäischen Union und die künftige deutsch-griechische Zusammenarbeit" gewesen, sagte Seibert.
Tsipras lud die Kanzlerin auch zu einem Besuch in Griechenland ein. Dies sagte der Sprecher der Regierung, Gabriel Sakellaridis, im griechischen Fernsehen. Ein Datum für den Besuch nannte er nicht.
Zuvor waren beide trotz versöhnlicher Töne in wesentlichen Fragen der Schuldenkrise nicht vorangekommen. Tsipras sagte zu, dass Athen Vereinbarungen einhalten wolle. Er forderte aber andere Prioritäten. "Wir brauchen einen neuen politischen Mix."
Merkel drängte den Euro-Partner angesichts des drohenden Staatsbankrotts, Reformen auch umzusetzen.
Griechenland will nach Angaben eines Regierungssprechers der Eurogruppe bis kommenden Montag sein Reformpaket vorlegen. Es werde um strukturelle Veränderungen und nicht um Sparmaßnahmen gehen.
Tsipras lenkt bei Nazi-Entschädigung ein
Forderungen nach weiteren Entschädigungen für Nazi-Verbrechen während des Zweiten Weltkriegs wies die Kanzlerin bei dem Gespräch zurück. Tsipras betonte, es gehe in erster Linie nicht um materielle Dinge, sondern um ein "ethisches, moralisches Thema". Das habe mit der Schuldenkrise nichts zu tun.
Merkel wiederholte ihre Position, dass die Frage der Reparationen aus Sicht der Bundesregierung politisch und rechtlich abgeschlossen sei. Deutschland stelle sich aber seiner Verantwortung für die Verbrechen der Nationalsozialisten: "Deutschland nimmt diese Aufgabe, dieses Bewusstsein wachzuhalten und auch nicht beiseite zu stellen, sehr, sehr ernst."
Heute trifft sich Tsipras auch mit Vertretern der Oppositionsparteien. Am Vormittag will er zunächst die Parteichefin der Linken, Katja Kipping, und den Vorsitzenden der Linken-Bundestagsfraktion, Gregor Gysi, treffen. Am Nachmittag ist unter anderem eine Begegnung mit den beiden Parteivorsitzenden der Grünen, Cem Özdemir und Simone Peter, geplant.