Streit in der EU Droht die Asylreform zu scheitern?
Am Donnerstag wollen die EU-Staaten über eine Asylreform beraten. Eine Einigung scheint dabei in weiter Ferne zu liegen, zeigen interne Papiere.
Im Streit um die Asylreform der Europäischen Union (EU) gibt es offenbar keine Einigung der EU-Mitgliedsländer, berichtet die "Bild" unter Berufung auf interne Papiere. Vor dem Gipfel am Donnerstag seien sich die Staaten trotz einiger "Annäherungspunkte" in wesentlichen Punkten nicht einig, zitiert die Zeitung aus dem Papier.
Hintergrund der EU-Beratungen sind die gestiegenen Migrationszahlen. Im Kern geht es bei den EU-Plänen darum, Asylverfahren bereits an den EU-Außengrenzen auszuführen zu können – oder sogar in Drittstaaten außerhalb der EU. Zudem könnten weitere Länder als sogenannte sichere Herkunftsländer ausgewiesen werden.
Verhärtete Fronten unter Mitgliedsstaaten
Dem Bericht zufolge sind die Fronten unter den Mitgliedsstaaten jedoch verhärtet. Demnach lehne Polen eine Geldgebühr pro Migrant, den sie nicht aufnehmen wollen, ab, ebenso eine festgelegte Mindestzahl an Geflüchteten, die die Staaten aufnehmen sollen.
Ungarn und Tschechien verweigern dem Bericht zufolge die Reform insgesamt. Ungarn sei der Auffassung, dass diese ein neuer Anreiz für Menschen sei, in die EU zu flüchten. Belgien sieht hingegen andere Probleme und fürchtet, die Lage an den EU-Außengrenzen durch die neuen Regelungen nicht bewältigen zu können.
Auch Mittelmeerstaaten haben Einwände
Die Länder an den Außengrenzen wehren sich demnach ebenfalls gegen einige Punkte der geplanten Reform. Malta, Griechenland und Zypern wollen als Erst-Einreisestaaten nicht statt bisher ein Jahr in Zukunft drei Jahre lang für die ankommenden Geflüchteten zuständig sein. Griechenland bezeichnet den Punkt laut "Bild" als "Deal-Breaker". Italien fühle sich mit den Grenzverfahren überfordert und fordert eine gerechte Verteilung der Geflüchteten.
Die Bundesregierung hingegen zeigt sich offen für die Pläne der EU, fordert aber Nachbesserungen. So sollen bei Vorprüfungen von Asylanträgen an den EU-Außengrenzen Familien mit Kindern ausgenommen werden. Auf diese gemeinsame Haltung hat sich –insbesondere auf Druck der Grünen – die Ampel-Koalition verständigt.
Amnesty appelliert an Bundesregierung
Die Menschenrechtsorganisation appelierte Amnesty International hat an die Bundesregierung, eine mögliche Verschärfung des Asylrechts zu blockieren. "Sollte die Bundesregierung am Donnerstag den aktuellen Änderungsvorschlägen zum europäischen Asylsystem zustimmen, wäre das ein menschenrechtlicher Tabubruch", erklärte die Vize-Generalsekretärin der Organisation, Julia Duchrow, am Dienstag in Berlin. Eine Umsetzung der EU-Pläne würde "die Allgemeingültigkeit von Menschenrechten und rechtsstaatliche Grundsätze in Frage stellen".
Amnesty International warf der Bundesregierung vor, damit gegen die Vereinbarungen ihres eigenen Koalitionsvertrags zu verstoßen. "Die Bundesregierung scheint bereit zu sein, einer vollständigen Aushöhlung des europäischen Flüchtlingsrechts zuzustimmen", kritisierte Duchrow.
Ähnlich äußerte sich am Dienstag die Organisation Pro Asyl. "Kommt die Reform, so droht eine Aushebelung des Asylrechts in der EU", warnte die Pro-Asyl-Rechtsexpertin Wiebke Judith. "Diese Woche zeigt sich, ob die Bundesregierung Flüchtlingsschutz und Menschenrechten auf Druck von rechts den Rücken kehrt."
Wieder mehr Geflüchtete in Europa
Seit Monaten versuchen wieder vermehrt Menschen von Nordafrika über das Mittelmeer Süditalien zu erreichen. Nach Angaben aus Rom kamen seit Januar mehr als 50.000 Migranten auf Booten nach Italien. Dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR zufolge starben seit Jahresanfang bei Überfahrten mehr als 980 Menschen oder werden seither vermisst.
In Deutschland wurden in den ersten vier Monaten dieses Jahres gut 100.000 Asylerstanträge vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge entgegengenommen, eine Zunahme um rund 78 Prozent.
- bild.de: "Asyl-Reform droht zu scheitern!"
- Nachrichtenagenturen dpa, AFP