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EU-Vizepräsidentin Eva Kaili: Verdacht auf Korruption – 600.000 Euro in Säcken gefunden


Nach Festnahme
Korruptionsskandal: EU-Parlament suspendiert Vizepräsidentin

Von dpa, t-online, cck

Aktualisiert am 11.12.2022Lesedauer: 4 Min.
Eva Kaili im Plenarsaal des Europäischen Parlaments: Im Zuge von Korruptionsermittlungen ist offenbar auch ihre Wohnung durchsucht worden.Vergrößern des Bildes
Eva Kaili im Plenarsaal des Europäischen Parlaments: Im Zuge von Korruptionsermittlungen ist offenbar auch ihre Wohnung durchsucht worden. (Quelle: Christoph Hardt/imago-images-bilder)
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Geld- und Sachgeschenke aus Katar – im Austausch für wohlwollende Reden? Eine Vizepräsidentin des EU-Parlaments steht unter Korruptionsverdacht.

Die belgische Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts auf Korruption und Einflussnahme im Europäischen Parlament durch einen Golfstaat. Die griechische Vizepräsidentin des Parlaments, Eva Kaili, und vier weitere Verdächtige wurden festgenommen. Hintergrund sind Ermittlungen zu mutmaßlicher Bestechung und Bestechlichkeit, Geldwäsche und versuchter Einflussnahme auf politische Entscheidungen durch das Emirat Katar, den Gastgeber der laufenden Fußball-WM.

Am Abend wurde Kaili als Vizeparlamentspräsidentin suspendiert. Zuvor war auch ihre sozialdemokratische Fraktion diesen Schritt gegangen. Parlamentspräsidentin Roberta Metsola entzog der 44-Jährigen "mit sofortiger Wirkung alle Befugnisse, Pflichten und Aufgaben" als ihre Stellvertreterin, wie eine Sprecherin Metsolas am Samstagabend mitteilte. Noch am Freitagabend war Kaili vor dem Hintergrund der Ermittlungen von ihrer Partei, der Panhellenischen Sozialistischen Bewegung (Pasok), ausgeschlossen worden.

Seit Monaten schon verdächtigen belgische Ermittler nach Angaben der zuständigen Staatsanwaltschaft einen Golfstaat, die politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen der Europäischen Union beeinflussen zu wollen. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur und anderer Medien handelt es sich dabei um Katar. Die Rede ist von erheblichen Geldsummen und Sachgeschenken an Personen, die eine politische oder strategische Position in dem Parlament mit mehr als 700 Abgeordneten innehätten.

Korruption und Katar

Der Ausrichter der laufenden Fußball-WM steht seit Jahren wegen der Menschenrechtslage und der Bedingungen für ausländische Arbeiter in der Kritik. Zahlreiche Mitglieder des damaligen FIFA-Exekutivkomitees, das 2010 die WM nach Katar vergeben hatte, sind inzwischen der Korruption überführt. Katar selbst hat den Vorwurf der Bestechung jedoch stets bestritten.

Das Europaparlament hatte die WM-Vergabe an den Wüstenstaat vor gerade mal zwei Wochen kritisiert und auf "glaubwürdige Vorwürfe der Bestechung und Korruption" verwiesen. Anders äußerte sich damals Parlamentsvize Kaili. Vor dem Parlament bezeichnete sie Katar als Vorreiter bei Arbeitsrechten. Die WM sei Beweis dafür, "dass Sportdiplomatie einen historischen Wandel in einem Land bewirken kann, dessen Reformen die arabische Welt inspiriert haben".

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Am Freitag schlug die Staatsanwaltschaft dann zu: Zunächst gab es 16 Durchsuchungen und vier Festnahmen. Am Abend wurde dann auch Kaili festgenommen, eine von 14 Vizepräsidentinnen und -präsidenten des Parlaments. Zudem sei ihre Wohnung durchsucht worden, wie die Zeitung "Le Soir" zusammen mit dem Magazin "Knack" berichteten.

Die ehemalige TV-Moderatorin ist mittlerweile zum Gesicht des Skandals geworden. Die 44-Jährige wurde für die Pasok-Partei ins Parlament gewählt, die zusammen mit der SPD zur sozialdemokratischen Fraktion gehört.

Ebenfalls unter den Festgenommenen ist nach dpa-Informationen ihr Lebensgefährte, der im Parlament als politischer Berater tätig ist. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wurde auch ein ehemaliger Europaabgeordneter festgenommen sowie am Abend der italienischen Nachrichtenagentur Ansa zufolge auch dessen Frau und Tochter. Mit Ausnahme von Kaili haben alle Verdächtigen die italienische Staatsangehörigkeit Bei Durchsuchungen in Belgien wurden 600.000 Euro Bargeld und Handys beschlagnahmt.

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Nach ihrer Festnahme steht die Griechin massiv unter Druck, den Posten als Vizepräsidentin aufzugeben. "Natürlich kann sie das Parlament nicht weiter repräsentieren", sagte der SPD-Europaabgeordnete Jens Geier der dpa. Auch die deutsche Parlamentsvize Nicola Beer äußerte die Hoffnung, dass Kaili ihren Posten räumt. Falls sich der Verdacht bestätige, solle sie auch ihr Abgeordnetenmandat abgeben.

Auf frischer Tat ertappt?

Eigentlich gilt für Europaparlamentarier Immunität. "Mitglieder des Europäischen Parlaments dürfen wegen einer in Ausübung ihres Amtes erfolgten Äußerung oder wegen ihres Abstimmungsverhaltens weder in ein Ermittlungsverfahren verwickelt noch festgenommen oder gerichtlich verfolgt werden", heißt es auf der Webseite des Parlaments.

Die Ausnahme: Bei Ergreifung auf frischer Tat kann die Immunität nicht geltend gemacht werden. Das EU-Parlament kann außerdem die Immunität aufheben – ein entsprechender Antrag muss aber öffentlich bekannt gegeben werden und wird dann an den Rechtsausschuss weitergegeben. Im Fall Kaili gab es bislang keine entsprechenden Verlautbarungen.

Die Griechin ist seit 2014 Europaabgeordnete und seit 2022 eine von 14 Vize-Präsidentinnen und -Präsidenten des Parlaments. Von 2004 bis 2007 war sie ihrem Lebenslauf auf der Parlaments-Homepage zufolge Nachrichtensprecherin und Journalistin, später auch noch PR-Beraterin in Griechenland.

Geldsummen sollen an Personen im Parlament verteilt worden sein

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hat die belgische Polizei seit mehreren Monaten den Verdacht, dass ein Golfstaat versucht, die politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen des EU-Parlaments zu beeinflussen. Beträchtliche Geldsummen oder Sachgeschenke seien vermutlich an Personen im Parlament verteilt worden, die eine politische oder strategische Position innehätten.

Bei den Durchsuchungen wurden der Staatsanwaltschaft zufolge unter anderem 600.000 Euro Bargeld sowie Handys beschlagnahmt. Ein Sprecher des Europaparlaments sagte auf Anfrage, zu laufenden Ermittlungen äußere man sich nicht. Man werde jedoch vollständig mit den zuständigen Behörden kooperieren.

"Die Vorwürfe müssen lückenlos aufgeklärt werden"

Ähnlich äußerte sich die sozialdemokratische Fraktion des Parlaments. Die Fraktion habe keine Toleranz für Korruption. Zugleich müssten im Parlament die Arbeit an allen Themen, die die Golfstaaten betreffen, sowie die Plenarabstimmungen dazu ausgesetzt werden.

"Die Nachrichten rund um die Katar-Affäre und Eva Kaili" machten sie "wütend", schrieb Katarina Barley von der SPD, die ebenfalls Vizepräsidentin des EU-Parlaments ist und derselben Fraktion wie Kaili angehört, am Samstag im Onlinedienst Twitter. Sie forderte "volle Transparenz und Aufklärung". In der ARD sagte sie am Abend: "Staatsanwaltliche Ermittlungen sind immer so der Punkt, wo man sagt, da kann man als Politiker, als Politikerin auch eine Institution nicht mehr repräsentieren. Insofern erwarten wir, dass sie von sich aus zurücktritt."

Der Co-Vorsitzende der Arbeitsgruppe Anti-Korruption des Parlaments, Daniel Freund, zeigte sich von den Ermittlungen geschockt. "Die Vorwürfe müssen lückenlos aufgeklärt werden", sagte der Grünen-Politiker. Geld dürfe bei den Entscheidungen in Europas größtem Parlament keine Rolle spielen. Es drohe ein gewaltiger Vertrauensverlust.

Als "unfassbar und beschämend" bezeichnete der Sprecher der Europa-Grünen, Rasmus Andresen, auf Twitter den Vorgang. "Das EU-Parlament muss alles dafür tun, diese Vorwürfe konsequent aufzuarbeiten. Korruption darf nicht geduldet werden", schrieb er.

Der Ko-Chef der Linken im EU-Parlament, Martin Schirdewan, sagte der Nachrichtenagentur AFP, er sei "über das mutmaßliche Ausmaß der Korruption im EU-Parlament schockiert". Die Korruptionsaffäre sei "Wasser auf die Mühlen der Rechten in Europa, die solche Vorfälle für ihre europafeindliche Politik instrumentalisieren".

Verwendete Quellen
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