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Aus für historisches Abkommen: Die Weltmeere sind ein rechtsfreier Raum


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Aus für historisches Abkommen
Die Weltmeere sind ein rechtsfreier Raum


30.08.2022Lesedauer: 4 Min.
Ein südafrikanischer Trawler im Atlantik: Dass es bisher kein Artenschutzabkommen für die Hochsee gibt, hat schwere Folgen für die Fischbestände und das gesamte Ökosystem.Vergrößern des Bildes
Ein südafrikanischer Trawler im Atlantik: Dass es bisher kein Artenschutzabkommen für die Hochsee gibt, hat schwere Folgen für die Fischbestände und das gesamte Ökosystem der Weltmeere. (Quelle: IMAGO/AGAMI/D. Lopez Velasco)

Ein Großteil der Weltmeere gehört niemandem. Umso stärker werden sie ausgebeutet. Der vorerst letzte Versuch, die Hohe See zu schützen, ist nun gescheitert.

Endlose Weite, unendlich weit weg: Egal, an welcher Küste man steht, die Hohe See lässt sich nicht erspähen. Sie beginnt erst 200 Seemeilen, rund 370 Kilometer, ins Meer hinein und ist größer als alles andere auf der Welt. Ihre Gewässer bedecken mehr als die Hälfte der Erdkugel und haben ihr den Beinamen beschert, der inzwischen fast schon abgedroschen klingt: der blaue Planet.

Die meisten Menschen bekommen die Hochsee nie zu Gesicht. Und doch: Ohne sie könnten sie nicht existieren. In den Weltmeeren entstehen mehr als 50 Prozent des Sauerstoffs, der sich in der Atmosphäre findet. Sie kühlen den Planeten, nehmen Treibhausgase auf, sind Nahrungslieferanten und ein Zuhause für mehr Tiere und Pflanzen, als auf der Landfläche aller Kontinente leben. Doch auf der Hochsee lastet ein Fluch.

Keine Rücksicht auf Verluste

Die Hohe See gehört niemandem. Ihre Gewässer liegen außerhalb staatlicher Hoheitsgebiete. Gerade deshalb wird dieser Teil der Weltmeere ausgebeutet wie kaum ein anderer. Sie ist ein nahezu rechtsfreier Raum.

Das UN-Seerechtsabkommen von 1980 regelt zwar die Nutzung der Hohen See und ihrer Ressourcen. Der Schutz des Ökosystems, von Tieren und Pflanzen, spielt dort aber keine Rolle. Über andere Wege ist bisher gerade einmal 1 Prozent der Hochseegebiete vor menschlicher Nutzung geschützt.

Überall sonst gilt: Jeder nimmt, so viel er will. Ohne Rücksicht auf Verluste, schon gar nicht auf jene der Allgemeinheit. Und das trotz begrenzter Ressourcen. Die Konsequenzen zeigen sich besonders deutlich an den weltweiten Fischbeständen.

Mehr als ein Drittel aller Fischbestände gelten inzwischen als überfischt – Tendenz steigend, warnt die Welternährungsorganisation. Gleichzeitig landet immer mehr Plastikmüll in den Ozeanen. Geschätzt sind es jährlich bis zu 12,7 Millionen Tonnen, jede Stunde eine Lkw-Ladung. Geht es so weiter, könnte das Gewicht des Meeresplastiks bis 2050 die Gesamtmasse aller Fische übersteigen.

Den Arten, die sich noch halten können, machen die Klimakrise und der zunehmende Unterwasserlärm zu schaffen. Die Hohe See wird wärmer, saurer, lauter. Es gibt nur noch wenige Rückzugsgebiete, die nicht vom Menschen belastet sind. Und auch dort droht ein Ende der Unberührtheit.

Bergbau als nächstes großes Risiko

Denn die Tiefsee ist vielerorts reich an Kobalt und anderen seltenen Erden. Eine Tatsache, die immer mehr Bergbaufirmen in Verzückung geraten lässt. Wo die Vorkommen an Land zur Neige gehen und die Förderung stets teurer wird, spitzen sie die Bohrer für den Unterwasserbergbau.

Von der Wasseroberfläche bis in die Tiefsee stehen die Weltmeere inzwischen unter Druck. Es scheint wenig verwunderlich, dass UN-Generalsekretär Antonio Gutérres im Juni den "Notstand der Ozeane" ausrief. So wie er hofften viele, dass es noch vor Ende des Sommers erstmals ein rechtsverbindliches UN-Abkommen für den Schutz der Hohen See geben würde.

Seit mehr als 20 Jahren ringen die Vereinten Nationen schon um einen solchen Vertrag. Denn Plastik-, Chemie- und Lärmverschmutzung wirken sich, ebenso wie die Ausbeutung von Fischgründen und Rohstoffen, nicht nur lokal aus: Die Weltmeere sind eng verwoben. Werden sie an einer Stelle belastet oder überstrapaziert, hat das Konsequenzen für das ganze Ökosystem.

Am frühen Samstagmorgen deutscher Zeit ging die jüngste und vorerst letzte Verhandlungsrunde der UN über den Schutz der Biodiversität in internationalen Gewässern zu Ende. So wie bereits vier Mal zuvor: ohne Einigung.

Wieder kein Umwelt-TÜV für das Meer

"Dieser Ausgang der Konferenz ist bedauerlich, denn der katastrophale Zustand der Meere ist allen bekannt und verschlimmert sich rasant", sagt Fabienne McLellan, Geschäftsführerin der Meeresschutzorganisation Oceancare. Sie war für die Verhandlungen nach New York gereist, im Gepäck die Hoffnung auf Meeresschutzzonen, ein Moratorium für den Tiefseebergbau und vor allem einen "Umwelt-TÜV" für die Hohe See.

"Das klingt etwas trocken, aber es ist ein umweltpolitisches Instrument, das ermöglicht, Projekte und Zulassungen auf ihre Auswirkungen für das Ökosystem der Hohen See zu prüfen", so McLellan. Der "Umwelt-TÜV" sei ein systematisches Kontrollinstrument mit verbindlichen Standards für die gesamte Hochsee.

Aktivitäten, die es nicht durch den TÜV schafften, würden nicht genehmigt. Die Idee ist zwar im jüngsten Vertragsentwurf enthalten, doch an praktischen Details fehlt es noch.

"Der Anwendungsbereich ist im Textentwurf aktuell nicht festgelegt, ebenso offen ist die Frage, ob die Entscheidungsbefugnis bei einem gemeinsamen Gremium liegt oder einzelnen Ländern überlassen wird", heißt es von Oceancare. Doch man bleibe optimistisch. Angesichts des erneuten Scheiterns der Verhandlungen ohnehin wohl die einzige Option.

Detailfragen und Zeitnot

Wie – und ob – das Abkommen bald doch noch in Kraft treten kann, hängt von der UN-Generalversammlung ab. Hier muss es grünes Licht für eine weitere Verhandlungsrunde geben. Und auch dann braucht es mindestens 30 Staaten, die unterzeichnen.

"Einerseits haben wir wohlhabende Länder, die in großem Stil fischen, Bodenressourcen fördern, für die Vermüllung der Meere verantwortlich sind und das Ökosystem der Hochsee destabilisieren. Da kann man bei den Verhandlungen durchaus von Bremsern sprechen. Und denen gegenüber stehen Entwicklungsländer, die die Auswirkungen am stärksten spüren", sagt McLellan von Oceancare.

Hier Kompromisse zu finden sei nicht einfach. Die nationalistischen Interessen der einzelnen Delegationen seien im Verhandlungsraum deutlich zu spüren gewesen. Zuletzt sei es zwar nur noch an Detailfragen und der begrenzten Zeit gescheitert. Man sei auf der Zielgeraden, beim nächsten Versuch müsse es jedoch klappen. Auch im Interesse des Klimaschutzes.

"Die Meere sind unsere besten Verbündeten im Kampf gegen den Klimawandel", so McLellan. "Ihre Funktion als Klimaregulierer können sie nur wahrnehmen, wenn sie gesund und resilient sind. Jede Meerestierart spielt in diesem fragilen ökologischen Gleichgewicht eine wichtige Rolle. Die Erhaltung der Biodiversität gehört deshalb ins Zentrum des Hochseeabkommens. Dafür müssen die Regierungen sorgen."

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Fabienne McLellan, OceanCare
  • Pressemitteilung OceanCare (27.08.2022): Hochseeabkommen auf der Zielgeraden
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