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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Neue Studie drängt Regierung So hoch könnte das Klimageld sein
Ärmere Haushalte sollen beim Klimaschutz nicht das Nachsehen haben. Doch bisher fehlt die finanzielle Hilfe. Eine neue Studie zeigt, wie der soziale Ausgleich endlich klappt und wie dringend er ist.
Am Anfang war das Wort. Und dabei ist es bisher auch geblieben. Mehr als zweieinhalb Jahre sind vergangen, seit die Grünen als Erste den Begriff "Energiegeld" in die Manege warfen. Damals noch aus der Opposition.
Inzwischen sitzt die Partei in der Regierung, und auch die Partner von SPD und FDP stehen hinter der Idee: Die Geldbeutel der Republik sollen mit einem pauschalen Bonus aufgefüllt werden, um den Teil der steigenden Heiz- und Tankkosten aufzufangen, den der CO2-Preis bedingt.
Doch obwohl dieser Preisaufschlag für den Klimaschutz längst erhoben wird, ist noch kein Euro für den sozialen Ausgleich geflossen. Sicher ist nur, wie das Ganze heißen soll: "Klimageld".
Die Rückzahlungen lassen auf sich warten
Welche Summe jeder bekommen, auf welchem Weg das Geld fließen und wann es damit losgehen soll, bleibt ungewiss. Also versuchen andere, die Regierung aus der Reserve zu locken.
In einer neuen Machbarkeitsstudie rechnet ein breites Bündnis, bestehend aus der Klima-Allianz, dem Naturschutzring, dem Bund für Umwelt und Naturschutz, Germanwatch, dem Institut für Kirche und Gesellschaft der westfälischen evangelischen Kirche und dem WWF, der Ampelkoalition vor, wie die Klimaprämie funktionieren könnte. Und warum sie schnellstmöglich starten sollte.
Warum soll es eine Klimaprämie geben?
Viele Firmen geben die Mehrkosten, die durch den CO2-Preis entstehen, eins zu eins an die Verbraucherinnen und Verbraucher weiter. Das Ergebnis sind vor allem steigende Tank- und Heizkosten.
Ohne einen sozialen Ausgleich besteht die Gefahr, dass ärmere Haushalte benachteiligt werden: Aufs Heizen kann niemand verzichten, und viele Menschen sind für Beruf und Familie aufs Auto angewiesen. Damit der Klimaschutz nicht die soziale Ungleichheit in Deutschland verschärft, ist daher ein sogenanntes Klimageld geplant.
Der CO2-Preis gilt seit Anfang 2021 für den Verkehrs- und den Gebäudesektor. Über einen Aufschlag von aktuell 30 Euro für jede Tonne des klimaschädlichen Treibhausgases CO2 sollen Unternehmen dazu gebracht werden, auf erneuerbare Energien und Brennstoffe umzusteigen.
Woher kommt das Geld?
Das Geld, das der Staat über den CO2-Preisaufschlag einsammelt, kommt in einen Topf. Der Vorschlag der neuen Machbarkeitsstudie: Die Einnahmen hieraus sollen komplett an die Bevölkerung zurückgezahlt werden. Und zwar pro Kopf.
Jede Person würde denselben Betrag erhalten – unabhängig davon, wie viel jemand verdient und wie hoch der eigene CO2-Ausstoß beim Heizen und Autofahren ist.
Wie kommt der Bonus aufs Konto?
Die neue Studie sieht mehrere Optionen vor: Mögliche Auszahlungswege wären die monatliche Lohnsteuerabrechnung, die monatliche Überweisung der gesetzlichen Renten, die monatliche Auszahlung der Grundsicherung und die Jahressteuererklärung.
Über ein digitales "Klimaprämienregister" beim Bundeszentralamt für Steuern könnte mithilfe der Steuer-ID sichergestellt werden, dass nahezu alle empfangsberechtigten Personen das Klimageld auch tatsächlich erhalten.
Mit diesen konkreten Vorschlägen liege nun erstmals ein konkretes Umsetzungskonzept für das Klimageld vor, so der politische Geschäftsführer von Germanwatch, Christoph Bals.
Wie viel Euro könnte es pro Kopf geben?
Die Studie schlägt für den Anfang eine jährliche Rückerstattung von rund 130 Euro pro Person vor. Diesen Betrag sollen nicht nur Erwachsene bekommen. Auch Kinder sollen davon profitieren. Neben Arbeitnehmern ist die Unterstützung ebenfalls für Selbstständige und Erwerbslose vorgesehen.
Der Präsident des Deutschen Naturschutzrings, Kai Niebert, sagte bei der Vorstellung der Studie dazu: "Wer viel CO2 auspustet und damit das Klima stärker belastet, zahlt viel, wer wenig CO2 emittiert, zahlt wenig. Aber alle bekommen das Gleiche zurück." So ähnlich sahen es schon die Wahlprogramme von Grünen und FDP vor – alle sollen dieselbe Summe erhalten.
Es gibt allerdings auch Kritiker dieses Gießkannenansatzes. So warnte Deutschlands bekanntester Armutsforscher Christoph Butterwegge im Gespräch mit t-online bereits vergangenes Jahr davor, Menschen in ungleichen Ausgangslagen gleich zu behandeln.
"Alle sollen denselben Geldbetrag bekommen, unabhängig von ihren Wohnverhältnissen und ihrer sozialen Situation. Davon profitieren eher Angehörige der Mittelschicht als sozial Benachteiligte, die häufig in schlecht gedämmten Wohnungen mit hohen Energiekosten leben." Lesen Sie hier das ganze Interview mit Christoph Butterwegge.
Wann kommt die erste Zahlung?
Die Organisationen hinter der Machbarkeitsstudie wünschen sich, dass das Klimageld möglichst "schnell" eingeführt wird. Sie hoffen, dass die ersten Zahlungen schon 2023 fließen könnten.
Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP ist derweil kein konkreter Zeitpunkt genannt. Gegenwärtig steht auch kein Zeitplan zur Debatte.
Der klimapolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Olaf in der Beek, sagte lediglich: "Wir müssen nun zügig das Klimageld auf den Weg bringen, damit die Akzeptanz von Klimaschutzmaßnahmen trotz eines steigenden CO2-Preises nicht gefährdet wird."
Auch für Grünen-Klimapolitikerin Lisa Badum ist wichtig, dass die Regierung sich baldmöglichst an die Umsetzung ihres Versprechens macht. Die Ministerien sollten sich schnell auf ein Vorgehen einigen, "damit das Klimageld in 2023 ausgezahlt werden kann", so Badum.
SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch hingegen wies vor allem auf die geplante Abschaffung der EEG-Umlage hin. Auch darüber will die Regierung für einen gerechten gesellschaftlichen Ausgleich sorgen.
Gibt es weitere Maßnahmen?
Die Ampelkoalition zieht zudem die zügige Abschaffung der EEG-Umlage und eine höhere Pendlerpauschale in Betracht. Beides soll ebenfalls die Mehrkosten durch den CO2-Preis aufwiegen.
Die Machbarkeitsstudie geht allerdings nicht davon aus, dass diese Vorhaben reichen, um die sozialen Belastungen steigender CO2-Preise wirksam zu kompensieren. Teils seien sie für den Klimaschutz sogar kontraproduktiv.
Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider, sagte: "Jede Klimapolitik wird krachend scheitern, wenn wir die Menschen nicht mitnehmen." Auf die Frage, ob es nicht gerechter sei, eine Klimaprämie nach Einkommensstufen zu staffeln, entgegnete er, dies wäre in der Umsetzung zu komplex.
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass eine Pro-Kopf-Rückverteilung noch in dieser Legislaturperiode "bürokratiearm, kosteneffizient, rechtssicher" sowie im Einklang mit dem Datenschutz umgesetzt werden könne.
Steigen die Heiz- und Tankkosten weiter?
Ja, das ist zu erwarten. Auch weil der CO2-Preis weiter hochgeht. Bis zum Jahr 2025 soll der Aufschlag pro Tonne auf 55 Euro steigen. Danach müssen Unternehmen sogenannte Verschmutzungsrechte für CO2 bei Auktionen ersteigern – da die Zahl dieser Emissionszertifikate begrenzt ist, regelt die Nachfrage dann den Preis.
Mit steigenden CO2-Preisen erhöhen sich die staatlichen Einnahmen allerdings ebenfalls. Die Machbarkeitsstudie sieht deshalb vor, dass die Summe des Klimageldes entsprechend steigt. Je höher der Klimaaufschlag auf Tank- und Heizrechnung, desto höher die Rückzahlung vom Staat.
- Eigene Recherche
- Studie der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer (17.02.2022): Rechtliche und Verwaltungsorganisatorische Möglichkeiten der Umsetzung einer Klimaprämie
- t-online (08.07.2021): "Preiserhöhungen machen niemanden zum Klimaschützer"
- Meldung der Nachrichtenagentur dpa (17.02.2022): Bündnis will schnelle Einführung einer Klimaprämie