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Entlang der Alpen im Venice Simplon Orient-Express


Reisen
Rollende Antiquitäten: der Venice Simplon Orient-Express

Genussvoll fliehen vor der Hektik - eine Reise mit dem Venice Simplon Orient-Express entführt in eine Epoche, als man sich noch mit Stil fortbewegte. Entdecken Sie die sinnenfreudige Langsamkeit des Luxuszuges auch in unserer .

10.06.2015|Lesedauer: 4 Min.
Tinga Horny, SRT / wanted.de
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Zunächst eine Klärung: Der heutige Orient-Express ist nicht mehr komplett das Original. Dieses fuhr ab 1883 für 126 Jahre lang fahrplanmäßig von Paris nach Istanbul. Der Venice Simplon Orient-Express ist einer der Nachfolger und fährt etwa auf der Hälfte der historischen Strecke. Gefragt ist die Luxusreise trotzdem.

Ein Steward für 18 Gäste

Brunos großer Einsatz beginnt genau um 10.52 Uhr am Bahnhof Santa Lucia in Venedig. Er trägt eine himmelblaue Livree mit goldenen Paspeln und eine Schirmmütze. Bruno ist Steward des Waggons mit der Nummer 3553, verantwortlich für maximal 18 Gäste. Jedem einzelnen weist er die Kabine zu und erklärt ihm dann geduldig die Funktionen der silbernen Knöpfe an der Türleiste: "Das ist das große Licht, das die Leselampe, und wenn Sie diesen Knopf drücken, dann rufen Sie mich." >>

Der Orient Express bringt Sie stilvoll ans Ziel.Vergrößern des Bildes
Der Orient Express bringt Sie stilvoll ans Ziel. (Quelle: Belmond)

Und weil diese Knöpfe alle gleich aussehen, weiß der Steward, dass ihm vermutlich eine unruhige Nacht bevorsteht, denn im Dunkeln verwechseln die Passagiere sie oft.

Von Venedig nach Paris

Seit über 20 Jahren arbeitet der Italiener für den Venice Simplon Orient-Express. Er würde nie mehr woanders arbeiten wollen. Er liebt die Saisonarbeit, er mag die ständig wechselnden Gäste aus aller Welt. Diesmal geht die Fahrt von Venedig via Innsbruck nach Paris. Es ist eine der beliebtesten Routen des Zugs.

Rund eintausend Kilometer weit werden die 17 vornehm dunkelblauen Wagen des Luxuszuges entlang der Alpen rattern. Die Zwei-Tage-Reise (eine Nacht im Zug) kostet ab 2080 Euro pro Person in der Doppelkabine inklusive aller Mahlzeiten (buchbar über www.belmond.com). Wer sich wundert, warum Menschen heutzutage noch mit einem äußerst altmodischen Zug ohne Internetanschluss und Handyempfang reisen, >>

stellt die falsche Frage, denn der Orient-Express ist in der Regel gut ausgebucht. Mindestens 11.000 Fahrgäste reisen pro Jahr mit dem Luxuszug, der nur von März bis November unterwegs ist, mit maximal 180 Passagieren pro Fahrt.

Restauration für 11 Millionen Pfund

Der Erfolg des Orient-Express war 1977 nicht zu erahnen. Damals ersteigerte der Amerikaner James B. Sherwood, reich geworden im Schiffscontainergeschäft, in Monaco für 72.800 US-Dollar die ersten beiden historischen Waggons aus den 20er-Jahren. Es war der Beginn eines neuen Unternehmens der Belmond-Gruppe, die im Luxussegment Hotels, Schiffe und Züge betrieb. In den folgenden Jahren kaufte Sherwood weitere Wagen aus der Ära und ließ sie für rund elf Millionen Pfund und in zusammengezählt 23.000 Arbeitsstunden originalgetreu restaurieren.

Das Ergebnis sind rollende Antiquitäten, komplett mit edlen Glasreliefs von René Lalique und Chinoiserie-Paneelen in den drei Salonwagen. Die einzelnen Waggons unterscheiden sich vor allem durch ihre sehr aufwändig verarbeiteten und feinen Holzvertäfelungen, die aus der Hand dreier Künstlern stammen. Alle Züge werden noch wie anno dazumal mit Kohle beheizt.

In längst vergangenen Epochen schwelgen

Wenn sich die Gäste auf dieser Zugreise in eine andere Epoche versetzt fühlen, dann liegt das auch an der 45-köpfigen Crew. Denn nur ein perfekter Service, wie ihn sich in der hektischen Gegenwart niemand mehr leistet, kann die gute, alte Zeit heraufbeschwören. Besonders zu den Mahlzeiten läuft das Team zu Hochform auf: Zehn Kellner mit schweren Silbertabletts tanzen und balancieren dann auf engstem Raum durch die drei Speisewagen. >>

Vor allem abends wird das Essen zum Festmahl. Die Gäste haben sich in Schale geworfen. Der Dresscode ist gehoben. Ein elegantes und zugleich buntes Volk sitzt an den weiß gedeckten Tischen. Oft sind es Bahnliebhaber, zum Beispiel pragmatische Briten, die Passion mit der Pflicht verbinden und den Hochzeitstag mit der Gattin auf Schienen feiern. Oder wohlhabende Franzosen wie der technikverliebte Jean, dessen Frau erklärt: "Er hat den Zugvirus, er ist infiziert." Für sie kocht Chefkoch Christian Bodiguel groß auf. Die Arbeit ist für den Franzosen auch nach 30 Jahren immer noch eine Herausforderung. >>

Denn er muss in der engen Bordküche täglich zweimal 180 dreigängige Menüs kochen, und das nur mit Dampf und Gas. Gefragt, was Bodiguel an Bord deshalb nie auftischt, sagt er: "Pommes frites." Der Grund: Frittieren ist im Zug wegen der hohen Brandgefahr streng verboten.

So wurde der Orient-Express zur Legende

Seine Blütezeit erlebte der Orient-Express zwischen den beiden Weltkriegen. In dieser Epoche wurde er zur Legende. Zum Beispiel im Februar 1929, als heftige Schneegestöber den Zug rund hundert Kilometer vor Istanbul gleich mehrere Tage lang lahmlegten. Dieser Umstand inspirierte die britische Autorin Agatha Christie zu ihrem berühmten Krimi "Mord im Orient-Express". Drei Jahre später wurde in Ungarn auf den Zug ein Terroranschlag verübt, und 1940 flüchtete der rumänische König Carol II. in Schlafwagen Nummer 3425 aus seinem Land. Zweckentfremdet als Bordell wurde Wagen Nummer 3544 in den 40er-Jahren in Frankreich.

Bereits seit dem frühen Morgen klappert Bruno mit dem Geschirr. Als Erstes hat er jedem Gast das Frühstück im Abteil serviert, danach hat er alles wieder eingesammelt, und nun schichtet er Teller und Tassen in seiner engen Arbeits- und Schlafkoje in die Regale. An einer Stange über ihm hängen die Kaffeekannen ordentlich in Reih und Glied. Das spart Platz.

Einfahrt im Gare de l'Est

Kurz vor der Einfahrt um 8.22 Uhr in den Pariser Bahnhof Gare de l'Est setzt sich Bruno die Schirmmütze wieder auf. Als der Zug zum Halten kommt, öffnet er die Tür von Waggon Nummer 3553 und verabschiedet jeden einzelnen mit Handschlag. Während seine Gäste nun Frankreichs Hauptstadt entdecken können, wird Bruno in wenigen Stunden neue Passagiere an Bord begrüßen. Und wie immer wird er ihnen dann geduldig erklären: "Das ist das große Licht, das die Leselampe, und wenn Sie diesen Knopf drücken, dann rufen Sie mich."

Sehen Sie den Orient-Express auch in unserer Fotoshow. Eine Übersicht über die schönsten Luxuszugreisen finden Sie hier.

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