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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Bis zu fünf Stunden mehr Warum immer mehr Flüge länger dauern
Wegen der komplizierten Weltlage müssen viele Flugzeuge weite Umwege wählen – und Reisende längere Flugzeiten sowie höhere Preise in Kauf nehmen.
Was waren das noch für Zeiten: Man flog in fünfeinhalb Stunden nach Dubai, brauchte neuneinhalb Stunden nach Thailand, landete in wenig mehr als zehn Stunden in Japan. Heute fliegt man bis zu fünf Stunden länger.
Der Grund liegt am Boden: Es ist die kriegerische Weltlage, die auch im Himmel alles komplizierter macht. Immer mehr Sperrungen von Lufträumen führen zu immer weiteren Umwegen und Verspätungen. Wir erklären, wo die Probleme liegen und wie man ihnen als Passagier am besten begegnet.
Immer mehr gesperrte Lufträume
Es ist wie in einem Labyrinth, bei dem ein Türchen nach dem anderen zugeht: Bereits seit 2011 müssen europäische Fluggesellschaften um Syrien herum fliegen. Seit 2014 ist der Himmel über der Ukraine für sie gesperrt. 2021 folgte Afghanistan, 2022 Russland. Und seit 2023 sind die Lufträume über Israel, Libanon sowie seit 2024 auch über dem Iran tabu. Das macht Reisen in den Mittleren und Fernen Osten zum Verwirrspiel und Labyrinth: Wo gibt es noch ein Schlupfloch?
Vor allem die Sperrung Russlands traf den internationalen Luftverkehr schwer. Schließlich handelt es sich um das größte Land der Welt. Dass die gesamte Fläche für europäische Fluglinien gesperrt wurde, hat immense Auswirkungen auf Flüge nach Asien.
Auch andere Gebiete sind ziemlich wichtig für den Flugverkehr: Die Ukraine liegt auf direktem Weg zwischen Mitteleuropa und Südostasien. Syrien und Irak bilden einen Riegel vor dem arabischen Golf. So wird der direkte Weg von Europa nach Dubai, Katar, Abu Dhabi und damit zu den Heimatflughäfen der großen arabischen Fluggesellschaften versperrt.
Große Umwege als Folge
Die Konsequenz: Flüge nach Japan, die auf dem kürzesten Weg über die Ukraine, Russland, Nordkorea führten, werden jetzt weit herum über die Türkei, den südlichen Kaukasus und Kasachstan geleitet. Auf dem Rückweg fliegen sie sogar über den Nordpol, um dem Jetstream auszuweichen. Statt elf Stunden ist eine Lufthansa-Maschine zwischen Tokio und Frankfurt dann bis zu 16 Stunden in der Luft.
Aber nicht nur Japan und Korea, sondern auch viele beliebte Urlaubsziele sind betroffen. Der direkte Weg von Deutschland nach Thailand ging mal über die Krim und Afghanistan. Jetzt schlängeln sich die Flugzeuge auf einem schmalen Korridor durch Georgien, Turkmenistan und Tadschikistan.
Nach Bali flöge man am schnellsten über Iran, Afghanistan und Pakistan, nun fliegen viele Airlines hinter den Thailand-Maschinen her. Richtung Malediven wäre die direkte Route über Syrien und den Irak, jetzt sehen die Passagiere unter sich die Emirate und Ägypten. Nach Mauritius und auf die Seychellen fliegen viele Maschinen aktuell im Zickzack über die ägyptische Wüste, Äthiopien und Kenia.
Längere Flugzeiten bedeuten teurere Tickets
Für Passagiere haben diese großen Umwege mehr Nachteile als nur die längere Flugzeit: Sie verursachen auch bis zu 40 Prozent mehr schädliche CO2-Abgase als auf den kürzestmöglichen Strecken. Und dazu kommt, dass Reisende höhere Preise zahlen müssen. Denn Flugzeuge, die Stunden länger in der Luft sind, benötigen dabei auch mehr Kerosin.
Auf besonders langen Strecken wird es noch aus einem zweiten Grund teurer: Um überhaupt noch die längeren Strecken absolvieren zu können, dürfen manche Maschinen nur noch mit eingeschränktem Gewicht abheben. Es dürfen nicht mehr alle Sitzplätze verkauft werden – und die verbleibenden müssen mehr Geld einbringen, damit die Fluggesellschaft überleben kann.
Flugrouten selbst checken
Wer als Passagier sehen will, ob und wie sein nächster Flug betroffen sein könnte, der nimmt am besten den guten alten Globus zur Hand. Denn auf normalen, zweidimensionalen Weltkarten sind die Entfernungen stark verzerrt und die tatsächlich kürzesten Routen schlecht erkennbar. Wer keinen Globus zur Hand hat, kann auch Google Maps oder eine Webseite wie den Great Circle Mapper verwenden.
Bisweilen werden aber auch Routen geflogen, die kein Globus der Welt vorschlägt. Das liegt am Jetstream. So nennt sich ein Windphänomen in den typischen Flughöhen von 10.000 Metern, das zwischen 40. und 60. Breitengrad von West nach Ost weht und bis zu 500 Kilometer pro Stunde erreichen kann. Für die Flugzeuge ist das wie ein Turbo – allerdings nur in West-Ost-Richtung, also von Europa nach Asien. Zurück müssen die Flugkapitäne weit ausweichen – ganz nach Norden oder Süden.
Wer entscheidet, wo geflogen wird?
Wer entscheidet eigentlich, ob ein Luftraum überflogen werden darf? Offiziell sind das die Staaten darunter. Sie haben in der Organisation der nationalen Luftfahrtbehörden (ICAO) den Luftraum in sogenannte Flight Information Regions (FIRs) eingeteilt. Deutschland wird von den drei Kontrollzentren in Bremen, Langen und München koordiniert, dazu kommt übergreifend noch Eurocontrol.
Über der Krim ringt Eurocontrol mit der russischen und der ukrainischen Behörde um Zuständigkeit. In Afrika gibt es dagegen nur im Westen und Süden echte Kontrollzentren, dazwischen liegen große Bereiche weißer Flächen. Und über den Meeren sind die Flugkapitäne schließlich ganz auf sich gestellt.
Verantwortung liegt teilweise bei den Airlines
Auch der Begriff Zuständigkeit ist oft relativ: Zum Beispiel hat die ukrainische Behörde nur einen Teil ihres Luftraums gesperrt. Die syrische Behörde hat offiziell nie etwas gesperrt. Kein Wunder: Damit müsste die Regierung ja zugeben, dass sie nicht mehr Herr der Lage ist. Und sie müsste auf lukrative Überfluggebühren verzichten.
So bleibt den Fluggesellschaften am Ende nichts anderes, als im eigenen Risiko zu entscheiden. Das bestätigt ein IATA-Sprecher: "Solange der Luftraum nicht gesperrt ist, liegt die Verantwortung allein bei der jeweiligen Airline." Diese Verantwortung wird ernst genommen. Jede Fluggesellschaft hat dazu ihr eigenes Risikomanagement.
Ein Sprecher von Cathay Pacific formuliert das so: "Es gibt einen fortlaufenden Prozess der Bewertung in Echtzeit, der sowohl interne als auch externe Parteien einschließt." Und Turkish Airlines ergänzt: "Außerdem haben wir die Risikobewertung unserer Versicherungen zu berücksichtigen. Ein Flug, den unsere Versicherungsunternehmen nicht zulassen, findet nicht statt."
Unvorhersehbare Flugrouten?
So weit, so gut. Doch wie kann der Reisende erfahren, wie die eigene Route sein wird? Die Wahrheit ist: Er kann es nicht. Als Grund führen die Airlines gern mögliche Wetterkapriolen wie Monsun, Saharastaub oder Gewitterfronten an, die täglich neue Entscheidungen verlangen.
Dahinter stecken aber zwei andere Aspekte: Sicherheit und Kosten. Niemand will etwas veröffentlichen, was ihn zur Zielscheibe machen könnte. Dabei sind die wahrscheinlichen Flugstrecken kein Geheimnis. Wer mag, der kann sie in Echtzeit auf Webseiten wie Flightradar24 verfolgen.
Weitere Informationen
Auf diversen Webseiten wie zum Beispiel Flightradar24 kann man die aktuellen Positionen von Passagierflugzeugen jederzeit in Echtzeit verfolgen. All diese Webdienste werten die Positionssignale aus, die jedes moderne Verkehrsflugzeug sekündlich aussendet. Die sind eigentlich für die Flugsicherungen zur Überwachung des Luftraums und für die Besatzungen anderer Flugzeuge gedacht, werden aber auch von Privatleuten mitgeschnitten.
Rund 500 dieser privaten Messdienste liefern dazu Daten. Das Netz ist allerdings nur in Europa, Nordamerika, Nahost und Australien flächendeckend. Über Nordamerika werden viele Flugpositionen aus Sicherheitsgründen zudem mit fünfminütiger Verzögerung veröffentlicht.
- Reiseredaktion SRT