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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Südtirol Bis zum Mittagessen gibt es hier nur Weißwein
"Kein Rotwein vor 12 Uhr". Der Wein-Toni kennt die Regel. Doch das Südtiroler Original hält sich nicht daran. Zu gut schmeckt ihm der Vernatsch und der ist nun mal rot. Und der leichtere Weißwein, von dem man in Südtirol auch schon bald nach dem Frühstück "ein Glaserl" trinkt, ist seine Sache nicht. Schauen Sie sich die Gegend auch in unserer Foto-Show an.
Der Fluch vom Kalterer See
Der Wein-Toni ist heute 67 Jahre alt und hat den Südtiroler Wein in Deutschland und Österreich bekannt gemacht. Auf seinem Lastwagen hat er schon vor 30 und mehr Jahren die Fässer über den Brenner hinweg in die Nachbarländer gebracht und dort Werbung für Land und Wein gemacht. Zumindest letzterer hatte das auch bitter nötig, denn der "Kalterer See" war nicht gerade für seine Qualität bekannt und rangierte bei deutschen Weintrinkern in einer Liga mit Mädchentraube, Kellergeister und Amselfelder. Verkauft wurden sie alle - allerdings allein wegen des günstigen Preises. Das hat sich schon lange geändert.
Der Kalterer See ist inzwischen ein durchaus trinkbarer Tropfen, hergestellt aus Tonis Lieblingstraube Vernatsch, die man in Deutschland eher als Trollinger kennt. Nicht müde vom Vernatsch zu schwärmen wird auch Gerhard Sanin, der junge Kellermeister der Winzergenossenschaft Erste und Neue. Der sportliche Winzer ist zusammen mit einem Kollegen auf dem Tandem auf Werbetour sogar quer durch Italien geradelt, um die Südtiroler Weinspezialität landesweit bekannt zu machen. "Ein Vernatsch passt zu jedem Essen", sagt er überzeugt und empfiehlt seinen Liebling gekühlt als Essensbegleiter und Sommerwein.
Wein und Architektur
Im Weingut von Elena Walch sieht man das ein wenig anders, hier hat man die beliebteste regionale Traube, die auf gut 15 Prozent der Südtiroler Anbaufläche wächst, aus dem Sortiment genommen. Für die hochwertigen Weine vom Walchschen Gut, das von Mutter Elena und ihren beiden Töchtern Julia und Karoline geführt wird, ist die bodenständige Traube zu wenig strukturiert. Dem würde mancher Einheimische vermutlich widersprechen, denn zum Wein hat hier jeder eine eigene Meinung. Die Diskussionen am Stammtisch drehen sich denn auch meist um Trauben, Wetter und Schädlingsbefall, während andernorts vielleicht Fußball und Frauen die wichtigsten Gesprächsthemen sind.
Die vielen unterschiedlichen Weinkeller, ein jeder mit eigener Philosophie und dazu passendem Sortiment, machen die Gegend auch für Touristen interessant, die wandernd, mit dem Fahrrad oder dem Lokalbus von einer Verkostung zur nächsten ziehen. Dabei wird teilweise auch architektonisch etwas geboten. Die Kellereien der Genossenschaften von Tramin und Kaltern würde man dank ihres modernen Designs eher in Berlin oder Mailand vermuten als in Südtirol. Entsprechend hat es anfangs von einigen Dorfleuten heftige Kritik gehagelt. Inzwischen sind aber auch die einstigen Kritiker stolz auf die neuen Wahrzeichen und beim Verkosten am Tresen trifft man Einheimische und Touristen Seite an Seite.
Auch Alexander Vorhauser schaut ab und zu im Haus der Winzergenossenschaft in Kaltern vorbei. Seine Konditorei liegt nur einen Steinwurf davon entfernt. Als kleiner Hobbywinzer liefert er hier seine Müller-Thurgau-Trauben ab und freut sich, wenn er "seinen" Wein verkosten kann. "Da sind auch ein paar Träubchen von mir drin", erzählt er lachend. Wichtiger aber noch - mit seinen Weinpralinen hat er eine Spezialität kreiert, deren Bekanntheitsgrad inzwischen die Dorfgrenze überschritten hat.
Bio oben auf dem Berg
Wer zum Weingut von Thomas Niedermayer den Berg hinauffährt, braucht ein gutes Orientierungsvermögen. Der Biobetrieb des jungen Winzers ist nur über winzige Nebensträßchen zu erreichen. Trotzdem sollte man den Ausflug machen, denn der 29-Jährige, dritter von sechs Brüdern, verkörpert den neuen Geist im Land. Er baut Trauben an, die Pilzen besser widerstehen können und deswegen kaum noch gespritzt werden müssen. "Je nach Rebenart und Wetterlage fahren wird zwischen ein- und viermal im Jahr zum Spritzen raus", sagt Niedermayer und betont, dass die konventionelle Konkurrenz zwischen 14 und 18-mal mit dem Spritzwagen unterwegs ist. Während die dann mit einem Chemiecocktail den Schädlingen zu Leibe rückt, bringt Niedermayer Schwefel und Kupfer aus.
Den Schwefel hält der Ökowinzer für unbedenklich, die Sache mit dem Kupfer gefällt ihm aber nicht, denn der reichert sich im Boden an. Weil er deshalb den Traum von der völlig pilzresistenten Traube träumt, kreuzen er und sein Vater im Vorgarten besonders widerstandsfähige Rebstöcke miteinander, in der Hoffnung, dass so einmal, wohlschmeckend und pilzresistent, die hauseigene Powerrebe entsteht. In professionellen Zuchtanlagen seien etwa zwei von 100000 Kreuzungsversuchen erfolgreich, sagt Niedermayer und zeigt aufs eigene Gärtchen, in dem vielleicht zwei, drei Dutzend Pflänzchen stehen. "Man weiß ja nie", gibt er sich trotzdem optimistisch, "im Lotto sind die Chancen schlechter und doch machen die Menschen mit."
Bis die Niedermayers ihre eigene Rebsorte gezüchtet haben, bauen sie einstweilen Bronner, Solaris und Cabernet Cortis an. Pilzresistente Reben, an deren Namen man sich erst noch gewöhnen muss, aus denen Niedermayer aber erstaunlich gute Weine zaubert. Anders als bei den großen Weinkellern, die mit edlen Verkaufsräumen locken, verkostet man seine Tropfen unterm Strohdach - geschützt von Sonne und Regen. Wie man es von einem Biohof erwartet, laufen einem hier Hühner zwischen den Beinen herum, stolzieren Enten über den Hof und mümmeln Hasen im Stall. Die Hauskatze streift dagegen meist auf dem Grundstück des Nachbarn herum. Auf dem Stroblhof, der zur Kette der Vinumhotels gehört, baut man zwar auch Wein an, die Mieze ist aber eher an der Gastronomie interessiert und erschmeichelt sich von den Gästen im Restaurant einen Obolus.
Wein mit Aussicht
Dass Gasthäuser und Hotels in Südtirol ihren eigenen Wein anbauen, ist nicht ungewöhnlich. Auch bei Fritz Dellago im Schlosshotel Korb in Eppan kommen eigene Kreationen auf den Tisch des Hauses. Dort fühlt man sich allerdings schon berauscht, bevor man den ersten Schluck getrunken hat. Der Ausblick von der Veranda des Hauses und aus den meisten Zimmern sucht selbst in Südtirol seinesgleichen. Unten im Tal liegt die Hauptstadt Bozen, dahinter der Bergzug des Ritten und auf der Hochebene breiten sich die verschiedenen Ortsteile von Eppan aus. Besonders die wuchtige Dorfkirche von St. Pauls, die die Einheimischen auch den Land-Dom von Südtirol nennen, bestimmt das Panorama.
In St. Pauls liegt auch die gleichnamige Kellerei, die ebenfalls mit Weinen ihr Hauptgeschäft macht, aber mit ihrem Praeclarus Sekt eine Nische abdeckt, um die sich sonst kaum einer in Südtirol kümmert. Für den prickelnden Tropfen hat die Winzerei eigene Gläser kreieren lassen, in denen die Blasen besonders spektakulär aufsteigen. Die Verkostungstheke der Kellerei ist somit der perfekte Ort, um auf einen gelungenen Urlaub anzustoßen.