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Wo Homosexualität von Vorteil ist


Münchner Tierpark
Wo Homosexualität von Vorteil ist

Der Münchner Tierpark Hellabrunn widmet homosexuellem Verhalten in der Tierwelt erstmals Führungen. Und hat sogar ein schwules Pärchen als Paradebeispiel – das allerdings derzeit ein steiniges Dasein fristet.

07.07.2019|Lesedauer: 3 Min.
Von dpa
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Dieses Jahr ist das traute Familienglück der beiden getrübt: Sie haben kein Ei abbekommen. "Aber die zwei verteidigen ihre Höhle, als wenn sie Nachwuchs hätten", sagt Zoo-Guide Ilse Tutter. Das Besondere: Hier hausen zwei Pinguin-Männchen. Das Duo habe sich in der Vergangenheit schon mal ein Ei geklaut. Diese Saison bebrüten sie aber einen Stein. Doch damit sind die Humboldt-Pinguine Highlight und Vorzeigebeispiel Nummer eins im Tierpark Hellabrunn in München bei einer Führung zum Thema "Homosexualität im Tierreich".

Humboldt-Pinguin-Familie: Anlässlich der Pride Week und des Christopher Street Days in München bietet der Zoo erstmals an mehreren Abenden eine Sonderführung zu homosexuellem Verhalten bei Tieren an.Vergrößern des Bildes
Humboldt-Pinguin-Familie: Anlässlich der Pride Week und des Christopher Street Days in München bietet der Zoo erstmals an mehreren Abenden eine Sonderführung zu homosexuellem Verhalten bei Tieren an. (Quelle: Matthias Balk/dpa)

Homosexuelles Verhalten bei Tieren bereits von Aristoteles dokoumentiert

Anlässlich der Pride Week und des Christopher Street Days in München am kommenden Wochenende bietet der Zoo in den nächsten Tagen erstmals an mehreren Abenden diese Sonderführung an. Zur Premiere am Samstagabend sind 15 Leser des Stadtmagazins "Leo" dabei, das sich vor allem an Schwule richtet.

Gleich zu Beginn stellt Tutter klar: "Sexualität, Homosexualität, Heterosexualität sind Persönlichkeitsmerkmale. Das ist menschlich." Sie spricht im Bezug auf Tiere von homosexuellem Verhalten. Schon mehr als 300 Jahre vor Christus habe Aristoteles das dokumentiert.

Warum Herdentiere eher gleichgeschlechtliche Partner haben

Inzwischen wurden gleichgeschlechtliche Verhaltensweisen nach Angaben des Tierparks bei rund 500 Arten beobachtet. Als eine Art Faustformel sagt die Biologin: Tiere, die in Gruppen, Kolonien oder Herden leben, zeigten eher homosexuelles Verhalten als Einzelgänger, die nur zur Paarungszeit Sex haben. "Da dient es rein der Fortpflanzung. Ein gleichgeschlechtlicher Partner wäre da widersinnig." Bei Herdentieren gehe es etwa beim Aufspringen der Bisons auch um die Rangordnung. Zugleich sei es aber ein Zeichen des Zusammenhalts: "Man lässt es geschehen, man lässt sich bespringen – aber nicht von Fremden."

Häufiger sei homosexuelles Verhalten bei Männchen beobachtet worden, sagt Tutter. Die Erkenntnisse sind facettenreich: Männliche Flughunde könne man dabei beobachten, "wie sie begeistert ihren Penis lecken". Und bei domestizierten Schafsböcken wisse man: "Zehn Prozent finden es ganz schrecklich, sich mit Weibchen zu paaren." Elefantendamen wiederum "berüsseln sich und zippeln sich gegenseitig an den Brustwarzen".

Wann homosexuelles Verhalten Vorteile hat

Schwarze Schwäne bildeten schon mal Dreiergruppen, erzählt Tutter weiter. "Dann suchen sich zwei Männchen ein Weibchen, einer paart sich und dann wird das Weibchen weggescheucht." Doch das habe sogar Vorteile für die Arterhaltung: Zwei Männchen brächten mehr Nahrung heran, der Bruterfolg sei viel größer. Ähnlich argumentiert sie bei den Pinguinen: Wenn zwei Männchen beispielsweise ein verwahrlostes Ei übernehmen, sei das gut für die gesamte Kolonie. Und kurz geht es da im Gespräch um Menschen und das Thema Adoption durch Homosexuelle.

Überhaupt wird es in der Gruppe immer mal wieder politisch: Sie wolle nicht von "normalem" Verhalten sprechen, sagt Tutter, sondern davon, was häufiger vorkommt. "In der Natur gibt es alles." Und es kommt die Frage auf, warum das Thema Homosexualität bei Tieren lange keines war.

Tutter: Homophobie ist "menschlicher Unsinn"

Tutter nennt als Grund "die sogenannte verfälschte Wissenschaft" und erläutert: "Man wollte es aus moralischen Vorstellungen, die man zu diesen Zeiten hatte, einfach nicht sehen. Man wollte es wegleugnen und sagen, das ist ein widernatürliches Verhalten, um homophobe Argumente zu haben." Diese Sicht unterstützt auch Wolfgang Scheel von der Rosa Liste München, auf dessen Initiative hin der Tierpark die Sonderführungen anbietet und der unter den Premierengästen ist. Formen von Homophobie im Tierreich, Ausgrenzung etwa, kenne sie auch nicht, sagt Tutter. "Das halte ich für einen menschlichen Unsinn."

Dass gerade Zoos sich des Themas Homosexualität annehmen, ist keine Seltenheit: Beispiele gab und gibt es etwa aus dem Tiergarten Nürnberg und dem Tierpark Chemnitz. Der Londoner Zoo stellte erst vor wenigen Tagen – auch zum CSD – einen Banner vor das Pinguingehege mit der Aufschrift: "Manche Pinguine sind schwul, komm darüber hinweg."

Dabei ist Experten die sachliche Einordnung wichtig. Pinguinforscher Klemens Pütz etwa schreibt in seinem Buch "Unverfrorene Freunde", homosexuelles Verhalten komme bei Pinguinen wie bei anderen Vögeln gar nicht so selten vor: "Wenn zur Paarungszeit kein Partner des anderen Geschlechts zugegen ist, dann tun sie es halt miteinander. Sie üben quasi für den Ernstfall." Vielleicht, so wird er am Ende salomonisch, seien Pinguine aber doch die besseren Menschen: "Denn sie lieben, wen oder was sie gerade vor sich haben. Bedingungslos."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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