Kulanzfälle und Erstattungen Diese Rechte haben Bahnreisende während des Warnstreiks
Auf den Schienen herrscht Montag und Dienstag streikbedingt Stillstand. Wie kommen Betroffene dennoch ans Ziel und wie gibt es Geld zurück?
Erneut brauchen Bahn-Reisende und -Pendler starke Nerven: Die Gewerkschaft EVG hat für den Wochenstart einen Warnstreik angekündigt. Dieser soll von Sonntag, 22.00 Uhr, bis Dienstag, 24.00 Uhr, andauern. Wer mit dem Zug reisen wollte, muss umplanen.
Die Bahn hat bekannt gegeben, ab Sonntagabend den gesamten Fernverkehr für die zwei Tage vollständig einzustellen. Auch im Regionalverkehr werde "während des Streiks größtenteils kein Zug fahren".
Der Bahngastrechte-Fachmann und Jurist André Schulze-Wethmar vom Europäischen Verbraucherzentrum klärt über die Rechte Bahnreisender auf:
Wie kommen Sie dennoch ans Ziel und wer bezahlt dafür?
Wer an einem der Streiktage unbedingt reisen muss, wird umsteigen müssen – auf Fernbus, eigenes Auto, Mietwagen, Mitfahrgelegenheiten oder den Flieger.
Wenn die Bahn die Alternativen selbst organisiert, dann kommt sie auch für die Kosten auf. Denkbar wären etwa Fernbus-Sammelbeförderungen von einzelnen Bahnhöfen oder Taxifahrten, wenn etwa am Sonntagabend der Zug im Bahnhof stehen bleibt und es noch viele Passagiere gibt, die eine Stadt weiter müssen.
Wer im Vorfeld ein Mietauto oder Flugticket bucht, kann aber nicht darauf hoffen, dass dieses Geld erstattet wird. "Man kann versuchen, sich die vorgestreckten Kosten erstatten zu lassen - aber im Zweifel wird die Bahn ablehnen", lautet die Einschätzung von Schulze-Wethmar. Einfacher wäre es, sich den Preis für das Bahnticket erstatten zu lassen und sich auf eigene Kosten um die Alternative zu kümmern.
Kulanzregelungen der Bahn
Die Bahn hat auch wie bei vergangenen Warnstreiks eine Kulanzregelung für Fernverkehrsfahrten während des Streiks getroffen. Diese Tickets seien bis Sonntag flexibel nutzbar, die Zugbindung sei aufgehoben. Wer später reisen will, kann die Tickets auch in den Tagen danach flexibel nutzen - zum Beispiel über Christi Himmelfahrt. Wie ein Bahnsprecher sagte, sei eine Nutzung der Tickets auch nach dem Ende des Warnstreiks in den Fahrgastrechten ausdrücklich vorgesehen.
Die Bahn rät Fahrgästen allerdings davon ab, die Streik-Tickets über Christi Himmelfahrt zu nutzen. Schon jetzt seien die meisten Züge am Feiertag und danach extrem hoch ausgelastet, hieß es. Eine Sitzplatzreservierung sei in solchen Fällen nicht mehr möglich.
Ticketerstattungen
Fährt der Zug nicht oder wird absehbar mindestens 60 Minuten verspätet am Zielort eintreffen, kann man den Ticketpreis zurückverlangen. Diese Option besteht auch für den Warnstreik.
Wenn das Ticket online über ein Kundenkonto gekauft wurde, funktioniert die Rückerstattung mit einem Online-Antrag auf "bahn.de" oder über die "DB-Navigator"-App. Die andere Option wäre, die Kosten schriftlich zurückverlangen.
Dafür muss man das Fahrgastrechte-Formular ausfüllen - unter dem Punkt "Angaben zu Ihrer Reise" kreuzt man laut Bahn dann "Ich habe meine Reise wegen dieser Verspätung nicht angetreten oder habe sie im nachfolgenden Bahnhof abgebrochen ..." an. Das Formular geht per Post an Servicecenter Fahrgastrechte, 60647 Frankfurt/Main.
Die Bahn weist darauf hin, dass der Antragsbutton für die Online-Erstattung per Website oder App erst eingeblendet wird, wenn der Gültigkeitszeitraum des Tickets erreicht ist. Es ist demnach auf diesem Weg nicht möglich, die Entschädigung bereits Tage vor dem Reisedatum zu stellen.
Erstattungen bei Abos und Verpflegung
Und was ist mit Zeitfahrkarten oder Abo-Tickets wie dem Deutschlandticket? Sie können ja streikbedingt zwei Tage nicht genutzt werden. Hier gibt es Schulze-Wethmar zufolge pauschale Sätze.
Bei einer Bahncard 100 der 2. Klasse zum Beispiel gibt es für jede Zugverspätung ab 60 Minuten zehn Euro. Beim Deutschlandticket sind es laut Bahn pro Verspätungsfall von mehr als einer Stunde 1,50 Euro. Weil aber erst Entschädigungssummen ab 4 Euro ausgezahlt werden, müssen Reisende mehrere Fälle sammeln, ehe sie beim Servicecenter Fahrgastrechte ihre Ansprüche geltend mache
Bei einer verzögerten Abfahrt von mehr als einer Stunde können Reisende die Versorgung mit Speisen und Getränken von der Bahn fordern - so die Theorie. Praktisch gilt die Einschränkung, dass die Verpflegung im Zug oder Bahnhof verfügbar oder lieferbar sein muss.
Was tun, wenn man feststeckt?
Wer in einer anderen Stadt festsitzt und mit dem Zug nicht weiterkommt, kann von der Bahn auch die Unterbringung im Hotel oder in einer anderen Unterkunft verlangen.
Die können sie allerdings nur fordern, wenn der Aufenthalt von einer oder mehreren Nächten "notwendig" wird, so Schulze-Wethmar. Fahren streikbedingt keine Züge und ist man nicht zu Hause, kann diese Notwendigkeit durchaus bestehen.
Die Bahn ist dann in der Organisationspflicht – das bedeutet: Reisende müssen sie kontaktieren und die Unterbringung fordern. Dann erhält man eventuell einen Hotelgutschein. Den Transfer zum Hotel müsste die Bahn auch übernehmen. Oder man bekommt ein Angebot für eine Alternativbeförderung zum Ziel. Beispielsweise mit dem Bus.
"Kommt die Bahn dem nicht nach, können Sie sich auch selbst kümmern und die Kosten für die Übernachtung vorstrecken", so Schulze-Wethmar. "Dann werden allenfalls aber nur die angemessenen Kosten erstattet - man sollte dann kein Luxushotel buchen."
Kontaktaufnahme mit der Bahn
Wichtig ist: Man sollte der Bahn vorher eine angemessene Zeit geben, um zu reagieren. Eine gesetzliche Frist gibt es hier nicht, aber je nach Uhrzeit können das mehrere Stunden sein.
Und man sollte die Kontaktaufnahme belegen können. Wer etwa am Bahnhof keine Hotelunterbringung organisiert bekommt, sollte per E-Mail oder über ein Kontaktformular an die Bahn schreiben - so hat man einen Nachweis, dass man sich gemeldet hat. Belege und Quittungen vom Hotel und für die Fahrt dorthin muss man auch aufheben, wenn man die Kosten nachträglich einfordern will.
Keine Haftung für Folgeschäden
Wer wegen des Warnstreiks nicht mit dem Zug zum Flughafen kommt, dem muss die Bahn die Kosten für den verpassten Flug nicht erstatten. "Für Folgeschäden haftet die Bahn nicht", sagt Jurist Schulze-Wethmar.
Daher solle man zusehen, dass man möglichst frühzeitig zum Flughafen komme und vielleicht sogar vorher in der Stadt übernachte, so Schukze-Wethmar. Oder man hat eben noch eine andere Option, um zum Airport zu kommen - etwa im Mietwagen oder Fernbus.
- Nachrichtenagentur dpa