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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Das sagen Experten und Studien Ihre Chance auf die "ewige Liebe" ist jetzt höher als damals
Erst verkünden Amira und Oliver Pocher ihr Ehe-Aus, dann Sophie Grégoire und Justin Trudeau und nun Pia Castro und Cem Özdemir – gibt es die lebenslange Liebe etwa nicht mehr? Was sagen Experten und was die Statistiken?
"Vor Gottes Angesicht nehme ich dich an als meine/n Frau/Mann. Ich verspreche dir die Treue in guten und bösen Tagen, in Gesundheit und Krankheit, bis der Tod uns scheidet", heißt es in einem Eheversprechen. Doch ist das Gelübde noch aktuell oder angesichts der Möglichkeiten durch Onlinedating und Seitensprungportalen längst überholt?
Das sagen Experten
t-online hat den Paartherapeuten Eric Hegmann gefragt, ob es die ewige Liebe heutzutage noch gibt. "Die Frage impliziert, die lebenslange Liebe hätte es früher gegeben", antwortet der Experte. "Die romantische Liebesbeziehung, wie wir sie kennen, ist keine 150 Jahre alt."
In der Geschichte der Menschheit war die Ehe vor allem eine Wirtschaftsgemeinschaft und eine Verbindung der Sicherheit wegen. Liebe als Grund kam sehr spät dazu. "Selbst vor 60 Jahren war Liebe nicht der Garant für eine lebenslange Verbindung, wie die Scheidungsraten gerade dieser Generation gut zeigen", so Hegmann. Die nostalgische Idee, früher sei alles besser gewesen, sei somit Geschichtsverdrehung.
Doch wie stehen Paare heute zu lebenslangen Beziehungen? "Die lebenslange Liebe ist eine Idee, die wir heute zum ersten Mal tatsächlich leben können. Weil die meisten von uns die Wahl haben, zu gehen", erklärt der Paartherapeut. "Heute können wir endlich lebenslange Liebe leben, wenn wir uns dafür entscheiden, weil wir aus Liebe zusammenkommen und aus Liebe zusammenbleiben dürfen."
Zwar seien Beziehungen in der heutigen Zeit neu, anstrengend, herausfordernd und schwierig zugleich, so Hegmann. "Ich bewundere die Paare, die sich dafür entscheiden." Dennoch blickt der Experte optimistisch in die Zukunft. Denn die Entwicklung der Scheidungszahlen zeigt, dass Ehen heute länger dauern als noch vor 20 Jahren. "Das wirft die Frage auf: Ist es heute vielleicht sogar besser?"
Bei all dem Optimismus spricht Hegmann jedoch auch eine Mahnung aus: "Ich warne davor, fiktive, dramaturgisch aufbereitete Projektionsflächen aus der Vergangenheit zu bewundern. Das ist für mich Disneyfizierung der Liebe."
Simone Koch, Coachin für Trennungen und Scheidungen, eröffnet noch einen anderen Blick auf die Frage, ob es die ewige Liebe gibt. Denn bei dem Begriff "ewige Liebe" werde nicht definiert, ab welchem Alter sie wahr werde. "Warum also nicht die Scheidung als Moment des persönlichen Wachstums begreifen, sich bewusst machen, warum es zu der Trennung gekommen ist und wie viel Verantwortung hatte ich eigentlich dabei? Das ist ein großartiger Ausgangspunkt, um bei der nächsten Partnerwahl jemanden zu wählen, der ebenso bereit ist, Liebe als ein Verb zu begreifen, um die 'ewige Liebe' wahr werden zu lassen."
Das sagen die Statistiken
Wie Hegmann anmerkt, sind die Scheidungszahlen in den vergangenen Jahren gesunken. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts haben sich 2022 weniger Paare scheiden lassen (35,15 Prozent) als noch im Jahr zuvor (39,9 Prozent). Auch in den Jahren 2020 (38,52 Prozent) und 2019 (35,79 Prozent) wurden Ehen häufiger offiziell beendet.
Zusätzlich hat sich die durchschnittliche Ehedauer bis zur Scheidung verlängert. Diese betrug im Jahr 2022 laut dem Statistischen Bundesamt 15,1 Jahre. 2021 lag sie bei 14,5 Jahren und 2020 bei 14,7 Jahren. Und auch die Jahre zuvor dauerte die durchschnittliche Ehe weniger lange als 2022. Übrigens, 2000 lag die durchschnittliche Ehedauer bei 12,9 Jahren. Demnach halten Ehen zumindest statistisch gesehen etwas länger als noch vor 22 Jahren – allerdings auch nicht lebenslang, zumindest im Durchschnitt.
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Das sagen Forscher
Unabhängig davon, wie lange eine Ehe oder Beziehung besteht, muss sie nicht beständig glücklich sein, wie Wissenschaftler des Instituts für Psychologie der Universität Bern herausgefunden haben. Denn es gibt zwei Phasen in einer Partnerschaft, in denen Paare am unglücklichsten sind: im 10. Beziehungsjahr – dann steigt die Zufriedenheit wieder leicht – und ab dem 20. Jahr.
Angesichts der Daten der Studie und den Umfrageergebnissen des Hochzeitsportals "weddyplace.com", nach wie vielen Beziehungsjahren sich die meisten Paare das Eheversprechen geben (durchschnittlich 4 Jahre), könnte das bedeuten, dass zumindest der erneute Tiefpunkt in der Ehe tendenziell eher zu einer Scheidung führt.
Wie könnte die weitere Entwicklung aussehen?
In den vergangenen zehn Jahren waren die meisten Männer bei der Scheidung durchschnittlich 46,55 Jahre und die Frauen 43,62 Jahre alt. Also deutlich später als eine Dekade zuvor. Daraus lässt sich schließen, dass der Wunsch nach einer langen Beziehung und damit nach Liebe verglichen mit einigen Jahrzehnten davor im Alter leicht zugenommen hat.
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Und wie steht die junge Generation zu Beziehungen? Andrea Bräu, Paar- und Sexualtherapeutin, ist der Ansicht, dass sich die jüngere Generation nicht mehr festlegen möchte, anders als die Generationen zuvor. Somit würden junge, neue Beziehungen etwas kürzer dauern als noch vor einigen Jahren.
Hegmann spricht derweil eine weitere Warnung aus: Die Sicht von Frauen und Männern auf Liebe und glückliche Beziehungen werde zunehmend durch Medien – zumeist soziale Medien wie Instagram oder Facebook – beeinflusst. "Hier inszenieren sich Paare bewusst im optimalen Licht", erklärt er. Dadurch würde seiner Einschätzung nach der Eindruck erweckt werden, eine Beziehung müsse stets derart perfekt und/oder romantisch sein. Es fehle zunehmend an Rollenvorbildern, die ein realistisches Verständnis von Beziehungen vermitteln könnten.
Auch andere Experten sehen die Entwicklung zweigeteilt: Einerseits sei der Wunsch nach der ewigen Liebe aufgrund von Social Media und (Hollywood-)Filmen verstärkt vorhanden, andererseits sei es durch die zahlreichen neuen Möglichkeiten und Ablenkungen sowie die medial geprägte Vorstellung von einer perfekten Beziehung viel schwieriger, eine lebenslange Beziehung zu führen.
Wie klappt es mit der lebenslangen Liebe?
"Solange beide Partner den Wunsch haben, zusammenzubleiben und beide weiterhin in ihre Partnerschaft und ihre Liebe investieren wollen, dann ist ihre Beziehung auch noch zu retten", sagt Hegmann in seiner Modern Love School. Demnach müssen beide gleichermaßen daran arbeiten, dass die Beziehung lange hält.
Hegmann erklärt, die Intensität der Bindung sei für ein dauerhaftes Bestehen einer Beziehung wichtig. Dazu zähle beispielsweise eine intensive Verbindung zueinander, Vertrauen und Offenheit. Der Experte rät außerdem, zu akzeptieren, dass Sie und Ihr Partner sich weiterentwickeln. Dann könne es mit einer sehr langen Liebe klappen.
- Interview Eric Hegmann, Paartherapeut, Co-Gründer der Modern Love School
- Interview Simone Koch, Coachin für Scheidung und Trennungen
- Interview Andrea Bräu, Paartherapeutin
- eric-hegmann.de "Beziehung retten – Diese Übungen rät der Paartherapeut"
- eric-hegmann.de "Die Disneyfizierung der Liebe"
- statista.com "Scheidungsquote in Deutschland von 1960 bis 2022"
- statista.com "Durchschnittliche Ehedauer bis zur Scheidung in Deutschland von 2000 bis 2022"
- Bühler, J. L., Krauss, S., & Orth, U. (2021). Development of relationship satisfaction across the life span: A systematic review and meta-analysis. Psychological Bulletin. Advance online publication.
- mediarelations.unibe.ch "Beziehungszufriedenheit nach 10 Jahren am Tiefpunkt"
- weddyplace.com "Wie lange Brautpaare vor der Verlobung zusammen sind"
- wunderweib.de "Bei diesen Paaren wird die Liebe – ziemlich sicher – halten"
- brigitte.de "Wie schafft man es, 35 Jahre verliebt zu bleiben?"
- rnd.de "Bis dass der Tod uns scheidet? Warum es die ewige Liebe nicht (mehr) gibt"
- emotion.de "Ewige Liebe: Gibt's die überhaupt?"