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"Benehmen" als Schulfach: Drei von vier Deutschen sind dafür


Umfrage
Drei von vier Deutschen wollen "Benehmen" als Schulfach

Soll "Benehmen" ein eigenes Fach in der Schule werden? Drei von vier Deutschen halten dies für eine gute Idee. Das ergab eine repräsentative Umfrage des Institutes YouGov unter 1330 Bürgern. Die Hälfte der Befragten würde es sogar begrüßen, wenn der Benimm-Unterricht zum Pflichtfach wird.

Aktualisiert am 19.05.2015|Lesedauer: 3 Min.
Von dpa
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Was sich zunächst nach konservativem Tugendwahn anhört, überzeugt die Deutschen: 75 Prozent sind dafür. 51 Prozent meinen, dass Benimmkurse an Schulen Pflicht sein müssten, für 24 Prozent immerhin Wahlfach. Ein obligatorisches Unterrichtsfach "Benehmen" läge den Befragten damit mehr am Herzen als "Wirtschaft" (48 Prozent), "Gesundheitskunde" (42), "Suchtprävention" (39) oder "Computerprogrammierung" (35).

Vor allem ältere Bürger würden sich Benimm-Unterricht als Pflichtfach wünschen.Vergrößern des Bildes
Vor allem ältere Bürger würden sich Benimm-Unterricht als Pflichtfach wünschen. (Quelle: dpa)

Religionsunterricht am unwichtigsten

Am wenigsten Zustimmung als mögliche Schul-Pflichtfächer finden Islamischer Religionsunterricht (2 Prozent), Astronomie (8 Prozent) und Christlicher Religionsunterricht (12 Prozent).

Benimm-Unterricht ist Älteren wichtig

Die Befragung zeigt auch (weniger überraschend), dass älteren Menschen die Unterweisung in korrekten Umgangsformen viel wichtiger ist als jungen. Insgesamt spiegelt die Umfrage zu bereits existierenden, aber eher seltenen und zu möglichen neuen Fächern ein verbreitetes Unbehagen mit den Lerninhalten an deutschen Schulen anno 2015 wider.

Schüler lernen "unnützes Zeug"

Denn zwei von drei Befragten (68 Prozent) stimmen "voll und ganz" oder "eher" der Ansicht zu, dass Schüler "zu viel unnützes Zeug" lernen. Lehrer sollten auch Computer- und Wirtschaftskenntnisse (je 91 Prozent Zustimmung) und Gesundheit (89) als Pflicht- oder Wahlfächer unterrichten. Selbst Schönschrift fände noch jeder Zweite gut als Pflicht- (17 Prozent) oder Wahlfach (37). Nicht nur Lehrern stellt sich da die Frage: Was soll Schule denn noch alles leisten?

"Wenn Eltern ausfallen, ist auch die Schule machtlos"

Der Vorsitzende der eher konservativen Lehrergewerkschaft Philologenverband, Heinz-Peter Meidinger, sagte der Deutschen Presse-Agentur, man könne "nicht jeden gesellschaftlichen Missstand durch ein neues Schulfach bekämpfen. Soviel Stunden hat der Tag nicht, die man dafür bräuchte." In punkto Benimm-Kurse mahnte er, Familie und Umfeld nicht aus der Verantwortung zu entlassen: "Wenn Eltern als Vorbilder ausfallen oder auch die Gesellschaft zunehmend vorlebt, wie man mit Ellbogen und ohne Rücksichtnahme seine Ziele erreicht, ist auch Schule weitgehend machtlos."

"Verbraucherbildung" gibt es schon

So einiges vom Wunschzettel der Bürger - freilich nicht "Benehmen" - empfiehlt die Kultusministerkonferenz (KMK) der 16 Bundesländer schon länger als "fächerübergreifende Inhalte" für den Unterricht. Das betreffe "vor allem Fragen der politischen und wirtschaftlichen Bildung im weitesten Sinne" und sei "in der Regel Gegenstand mehrerer Unterrichtsfächer" - um neue Pflichtfächer geht es also hier noch nicht. "Wirtschaftliche Bildung" oder "Verbraucherbildung" etwa soll laut KMK stärker in den Lehrplänen der Schulen verankert werden. Länder wie Schleswig-Holstein oder Bayern sind bereits vorangegangen.

Über Lerninhalte lässt sich streiten

Sehr plakativ - für manche auch platt - hatte vor wenigen Wochen die Kölner Schülerin Naina (17) ihren Ärger über heutige Lerninhalte per Twitter verbreitet und ein Riesen-Echo erzeugt. "Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern und Miete oder Versicherungen. Aber ich kann 'ne Gedichtsanalyse schreiben. In vier Sprachen": Damit fand Naina - neben Spott und Kritik im Netz - auch Gehör in der Politik.

Eltern für Alltagsfähigkeiten verantwortlich

"Ich bin dafür, in der Schule stärker Alltagsfähigkeiten zu vermitteln", stimmte Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) im Grundsatz zu, fügte jedoch hinzu: "Es bleibt aber wichtig, Gedichte zu lernen und zu interpretieren." Die nordrhein-westfälische Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) wies nicht nur auf die weiterhin erforderliche Verantwortlichkeit der Eltern für bestimmte "Alltagsfähigkeiten" hin, sondern warnte auch indirekt vor einer Überdehnung der Lehrpläne: "Wie schaffen wir das, ohne dass wir ständig von oben draufsatteln?"

"Mehrdimensionale Bildung" gefordert

Die Wissenschaft nimmt sich des Themas ebenfalls an. So sollten nach Ansicht des hochkarätig besetzten Aktionsrats Bildung die Schulen in Deutschland mehr Wert auf Persönlichkeitsentwicklung legen. Lehr- und Lernprozesse dürften sich nicht nur auf Wissensvermittlung beschränken, heißt es in einem neuen Gutachten des Gremiums um die Bildungsforscher Dieter Lenzen und Wilfried Bos. Wichtig sei "mehrdimensionale Bildung", um Schüler "bei der Entwicklung einer verhaltenssicheren und lebensfähigen Persönlichkeit zu unterstützen."

"Gesunde Charakterbildung ist wichtig"

"Bildung ist mehr als Fachwissen. Überfachliche Kompetenzen müssen stärker als heute in den Lehrplänen verankert werden", sagte der Präsident der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw), Alfred Gaffal, zu dem Gutachten. "Nicht nur Mathematik, Deutsch und Englisch sind relevant. Eine gesunde Charakterbildung ist genauso wichtig." Das war natürlich nicht gleich als Plädoyer für ein Pflichtfach "Benehmen" oder als Zustimmung zu Nainas Frust-Thesen zu verstehen. Aber gegen mehr schulische Unterweisung in den bürgerlichen Tugenden oder lebensnahem Wissen hätte die Wirtschaft wohl auch nichts.

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