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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Eifersüchtig aufs neue Baby? So bereiten Sie Ihr Kind auf ein Geschwisterchen vor
Die Geburt des zweiten Kindes ist nicht nur für Eltern ein einschneidendes Erlebnis. Auch für das erstgeborene Kind wird sich das Familienleben stark verändern. Eltern sollten das Geschwisterchen gut auf die neue Situation einstimmen.
"Du bekommst ein Geschwisterchen!" – diese Botschaft sorgt bei Kindern nicht nur für helle Begeisterung. Denn neben Vorfreude kann dabei auch Eifersucht aufkommen. Das muss aber nicht sein. "Wenn sich die Eltern auf das zweite Kind freuen und diese Freude vermitteln, dann freut sich auch das erste Kind", sagt Heidemarie Arnhold, Vorstandsvorsitzende des Arbeitskreises Neue Erziehung (ANE).
Sie rät zu einem altersgemäßen Einbeziehen des ersten Kindes von Anfang an. "Wenn der Bauch schon da ist, kann man das Große den Bauch anfassen lassen. Wenn er noch nicht da ist, kann man sagen: 'Da wird bald ein dicker Bauch sein, da ist das Kind drin, aber jetzt ist das noch ganz klein.'"
Der richtige Zeitpunkt: Grundsätzlich sollten Sie Ihrem Erstling nicht zu früh von seinem Geschwisterchen erzählen. Denn Sie müssen bedenken, dass Kinder von Natur aus weniger Geduld aufbringen. Ideal ist etwa der sechste Schwangerschaftsmonat.
Bereits vor der Geburt Rituale mit dem neuen Familienmitglied schaffen
Eltern können schon vor der Geburt ein Ritual unter Einbezug des Ungeborenen schaffen. Sie können abends etwa immer sagen: "Jetzt singen wir dem Baby noch ein Lied", schlägt Judith Peltner vor. Sie ist Pflegedienstleiterin für das Eltern-Kind-Zentrum im Klinikum Nürnberg. Das Ungeborene höre das schon im Mutterleib. Und wenn es auf der Welt ist, könne das Große ihm das vorsingen, wenn es unruhig ist.
Wichtig ist, falsche Versprechungen zu vermeiden. Wenn Eltern Ihrem Kind erzählen, dass es bald einen neuen Spielgefährten bekommt, wird die Enttäuschung groß sein, wenn das Baby in der ersten Zeit nichts anderes kann, als dazuliegen, zu schreien und die Zeit der Eltern in Anspruch zu nehmen. Eltern sollten deshalb ehrlich sein und sagen, dass es anfangs – wie das erstgeborene Kind auch – viel Zuwendung und Pflege benötigt. "Hier kann man ihnen erklären: Das ist ein Baby, das ganz viel Hilfe braucht, das kann nicht gleich mit dem Auto oder der Puppe spielen", sagt Peltner.
Was nach der Geburt des zweiten Kindes zu beachten ist
Ist das neue Geschwisterchen auf der Welt, müssen Eltern darauf achten, dass Ihr erstgeborenes Kind im Trubel um das Baby nicht untergeht. Das gilt auch für Wochenbettbesucher: Sie sollten sich nicht ausschließlich um das Baby kümmern, sondern auch das andere Kind noch wahrnehmen, empfiehlt Inés Brock, Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutin in Halle (Saale).
Familienrituale, die bisher den Alltag bestimmt haben, sollten außerdem nicht mit der Begründung eingestellt werden, dass jetzt einfach weniger Zeit dafür da ist. So vermeiden Mutter und Vater, dass das Kind das Baby als bedrohlichen Einschnitt in sein Leben wahrnimmt. Eltern sollten versuchen, sich so oft wie möglich gemeinsam etwas Extrazeit für das Erstgeborene zu nehmen, um ihm zu vermitteln, wie wichtig es ihnen ist.
Drei Jahre sind der schwierigste Altersabstand zwischen Geschwistern, hat Judith Peltner beobachtet. "Dann ist das Geschwisterkind in der Trotzphase." Es habe gelernt, die alleinige Aufmerksamkeit der Eltern zu bekommen. "Es steckt sowieso gerade seine Grenzen ab, und dann kommt, in den Augen des Großen, ein Rivale ins Haus."
Hier sind vor allem die Väter gefragt, betont Brock: "Sie können ihre Aufmerksamkeit stärker auf das ältere Kind richten, wenn die Mutter vom jüngsten voll in Anspruch genommen wird." Eine Konkurrenz entsteht nach Ansicht von Heidemarie Arnhold nur, wenn Eltern diese fördern, etwa indem sie die Kinder gegeneinander ausspielen. Was überhaupt nicht geht, sei ein Satz wie: "Du hast ja immer so viel geschrien, und dieses schreit überhaupt nicht!" Bewertungen und Vergleiche sollten Eltern tunlichst unterlassen. Hilfreich kann vielmehr sein, mit dem Großen noch einmal eigene alte Babybilder anzusehen.
Erstgeborenes kann unterstützen
Wenn ein Kind helfen möchte, darf es das gerne. Viele Kliniken oder Geburtshäuser bieten sogenannte Geschwisterkurse an, so auch das Klinikum Nürnberg. In einer Stunde lernen dort drei- bis sechsjährige Kinder an einer Puppe, ein Baby zu wickeln, zu halten oder die Flasche zu geben. "Es wäre vermessen, wenn wir sagen würden: 'Wir können damit die Eifersucht verhindern.'", schränkt Pflegedienstleiterin Peltner ein. "Was wir möchten, ist, den Stolz auf das Geschwisterkind zu stärken." Die Kinder seien immer ganz konzentriert bei der Sache und suchten sich eine Puppe aus, die "ihrem" Baby ähnlich sieht.
Eltern sollten nicht zu besorgt sein, die Großen auch an das Kleine heranzulassen, rät Peltner. Was sie immer wieder fasziniert: Wenn Geschwisterkinder mit dem kleinen Baby umgehen, seien sie manchmal recht grob. "Da wird über den Kopf gerubbelt und an der Hand gezogen – aber die Babys schreien oft gar nicht. Da ist schon eine Verbindung zwischen den Geschwistern." Das kann Heidemarie Arnhold bestätigen: "Kontakt unter Geschwistern ist etwas sehr Positives. Kinder reagieren auf Kinder, das können Sie schon bei Babys sehen." Werde mal etwas zu grob gestreichelt, weil ein Kind noch nicht so feinfühlig ist, könne man ihm das freundlich sagen und zeigen.
Wenn das Erstgeborene auch wieder Baby sein will
Wenn das Baby da ist, will manches ältere Geschwisterkind auf einmal auch wieder Baby sein. Eine ganz normale Reaktion, findet Inés Brock. "Für einen Drei-, Vier-, Fünfjährigen ist das natürlich faszinierend zu beobachten, dass das Baby schreit und in die Windel macht, und alle freuen sich drüber." Entsprechend will das Große das auch ausprobieren, möchte aus der Flasche oder an der Brust trinken oder nässt vielleicht sogar wieder ein. "Sie versuchen, das Verhalten des Babys nachzuahmen, um zu sehen, ob Mama auch so reagiert."
Kein Grund zur Sorge, findet Brock. "Man kann das spielerisch aufgreifen und gleichzeitig die Vorteile des Großseins wieder in den Vordergrund rücken." So sollten Eltern etwa das Kind für Dinge loben, die es schon kann. Aus ihrer Erfahrung ist dieses Verhalten immer nur eine Übergangsphase.
Tut das große Kind dem Baby absichtlich weh, indem es kneift, beißt oder kratzt, sollten Eltern Ruhe bewahren, rät Peltner. "Man kann sich fragen, ob sich das große Kind vielleicht zurückgesetzt fühlt." Eltern sollten aber auch klar sagen: "Du möchtest das auch nicht, das tut weh."
Gelassen bleiben!
Für Brock ist Eifersucht verständlich, wenn ein neues Kind in die Familie kommt. "Wenn wir überlegen, wir müssten unseren allerliebsten Menschen plötzlich mit jemandem teilen, haben wir natürlich starke Gefühle." Nur das Verhalten sei je nach Alter unterschiedlich. Ein Zweijähriger kneift, ein Vierjähriger schmeißt sich auf den Boden, eine Siebenjährige verschwindet schmollend und türenknallend im Zimmer. Je gelassener Eltern damit umgehen, desto besser. "Sorgen muss man sich erst machen, wenn es über eine lange Zeit so bleibt. Dann sollten sich Eltern Beratung suchen", so Brock.
- Nachrichtenagentur dpa
- Eigene Recherchen