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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Familie & Beruf Mütter voller Selbstzweifel - wann ein Mama-Coaching sinnvoll ist
Bin ich eine gute Mutter? Eine Frage, die man sich meistens dann stellt, wenn das Familienleben mal wieder Meilen von der Idylle der Windelwerbung entfernt ist. Doch die Frage nach der guten Mutter und dem guten Vater ist nicht so leicht zu beantworten. Denn genauso individuell wie jedes Kind ist auch die jeweilige Beziehung zwischen diesem und seinen Eltern. Neben ein paar Richtlinien, an denen man sich orientieren kann, gibt es auch professionelle Mama-Coaches, die Mütter genau da unterstützen, wo es nötig ist.
Mütter sind umgeben von Klischees
Mütter von kleinen Kindern sind ganz einfach zu erkennen: Sie tragen flache Schuhe, um stets schneller sein zu können als der Kinderwagen oder das Kleinkind. Sie haben überquellende Taschen mit dem Ausmaß von Koffern bei sich. Sie haben immer mindestens einen Fleck auf der Kleidung und schwarze Schatten unter den Augen, und sie sprechen sehr schnell, um noch alles loszuwerden, bevor der Nachwuchs wieder aufwacht. Zugegeben, alles Klischees. Allerdings solche, die der Wahrheit deutlich näher kommen als das Klischee der immer gut gelaunten, ausgeglichenen und ewig geduldigen Mutter, die wir aus der Werbung kennen - und die unser Wunschbild darstellt.
Eine gute Mutter sorgt nicht nur für das Kind, sondern auch für sich
Was aber macht eine gute Mutter wirklich aus? "Eine gute Mutter ist aus meiner Sicht eine Frau, die eine gute emotionale Basis zum Kind hat, sich in dessen Bedürfnisse einfühlen kann. Aber auch in der Lage ist, eigene Bedürfnisse zu artikulieren", meint die Diplom-Psychologin Britt Bürgel, die als Mama-Coach sowohl persönlich, als auch telefonisch und online ihre Hilfe anbietet. "Eine gute Mutter sorgt für das Kind und vergisst sich selbst dabei nicht. Vielen Frauen gelingt das anfangs noch nicht so gut, sie schauen nur aufs Kind. Doch nach meiner Erfahrung kann man nur dann auf lange Sicht eine gute Mutter sein, wenn man auch für sich selbst gut sorgt." Simone Pestalozzi, ebenfalls seit Jahren im Mama-Coaching tätig, sieht das genauso. Doch die Schweizerin, die ihr Coaching auch per Skype anbietet, fügt einen weiteren Aspekt hinzu: "Ich denke, eine gute Mutter ist die, die in sich selbst ruht. Die ein gutes Selbstvertrauen und ein entsprechendes Selbstwertgefühl hat, das sie an das Kind weitergeben kann." Schließlich sind Kinder wie ein Spiegel, der eins zu eins wiedergibt, wie man sich fühlt.
Eigene Bedürfnisse und die des Kindes erkennen
Natürlich fühlt man sich nicht jeden Tag gleich gut. Es gibt Tage, an denen man kränkelt, Probleme hat, Schwierigkeiten auf der Arbeit oder in der Beziehung. Gerade, wenn die Kinder klein sind, bleiben die eigenen Bedürfnisse oft auf der Strecke. Einer der entscheidenden Punkte eines Mama-Coachings bei Simone Pestalozzi, denn "geht es den Eltern gut, geht es auch dem Kind gut. Was natürlich nicht heißt, dass es Kindern aus Scheidungsfamilien unbedingt schlecht gehen muss. Letztendlich geht es darum, dass man genau hinsieht, bemerkt, was das Kind gerade durchmacht und ihm anderweitig Sicherheit gibt. Ein immer wiederkehrendes, wichtiges Thema in meinen Beratungsgesprächen."
Manchmal wächst Müttern das Chaos über den Kopf
Doch selbst, wenn man mit seinem Leben zufrieden ist, in sich ruht und die Partnerschaft gefestigt ist: Familienleben bedeutet immer Chaos. Das ist ganz normal. Tröstlich: Kinder kommen damit viel besser klar, als besorgte Eltern oft annehmen. Das bestätigt auch der bekannte Familienberater Jan-Uwe-Rogge in seinem Buch "Ohne Chaos geht es nicht". Es ist einfach so, dass man an manchen Tagen großzügiger über einiges hinwegsehen kann als an anderen, an denen einen das Chaos regelrecht anspringt. Wichtig ist, den Zusammenhang zur aktuellen Situation zu sehen. Simone Pestalozzi rät: "Emotional Abstand halten, wenn es notwendig ist. Das kann durchaus auch bedeuten, mal kurz rauszugehen und durchzuatmen oder die Zimmertüre zu schließen, um wieder bei sich selbst anzukommen."
Verbündete suchen
Beide Trainerinnen sind selbst Mütter kleiner Kinder und wissen, welchen Anforderungen man gegenübersteht. Und sie wissen, wie groß die Veränderung ist, die ein Baby mit sich bringt - in der Partnerschaft, im Umfeld und bei sich selbst - und wie schwer es sein kann, bei chronischem Schlafmangel und wiederkehrenden Selbstzweifeln gelassen zu bleiben. Vor allem dann, wenn man das Gefühl hat, die einzige Mutter auf weiter Flur zu sein, der es so geht. Die Mama-Coaches raten dazu, sich Verbündete zu suchen, bei denen man ehrlich sein kann, bei denen man das Bild der Übermutter einmal ablegen kann, und die einem helfen, auch in schwierigen Familiensituationen den so wichtigen Humor zu behalten.
Sich vom Wunschbild verabschieden
So schön das Elternsein nach außen hin wirken mag und so wundervoll es ganz oft auch ist - Tatsache ist, dass nur die wenigsten Babys und Kleinkinder durchgehend problemlos sind. Mal abgesehen davon, dass es sehr ausgeprägte Charaktere gibt, kommt eine gefühlte Unmenge von Zähnen, gibt es Verdauungsprobleme, Krankheiten, Ein- und Durchschlafschwierigkeiten, Nächte, in denen das Kind aus unerfindlichen Gründen stundenlang schreit und vieles andere, das einem Sorgen machen kann. Wer unausgeschlafen und von Sorgen gequält ist, hat schlechtere Nerven und behält nicht immer die Ruhe, die ein Kind braucht. Das allerdings ist, so Simone Pestalozzi, kein Grund, sich selbst an den Pranger zu stellen. Es ist nämlich menschlich. "Letztendlich ist es wichtig, zu prüfen, ob das Bild, das ich von einer Mutter habe, ein realistisches Bild ist. Ob ich es nicht vom Sockel holen muss, um authentisch zu sein. Die Mütter von heute werden durch falsche Vorspiegelungen wie die in der Werbung, aber auch durch Konkurrenz durch andere Mütter, wahnsinnig unter Druck gesetzt."
Die heile Welt existiert nicht
Keine Mutter ist perfekt. "Wenn man sich das bewusst macht", erklärt Britt Bürgel, "dann ist das schon ein wichtiger Teil der Lösung. Dem Kind ist nicht geholfen, wenn es mit Illusionen aufwächst. Die Welt draußen besteht aus Realität. Und das Kind hat im direkten Kontakt mit der Mutter die Möglichkeit, zu erleben, was Gefühle sind und wie sie funktionieren. Auch dann, wenn es mal nicht so glatt und rund läuft. Daran wachsen dann nicht nur die Kinder, daran wächst man auch selbst. Schließlich werden wir nicht als Mütter geboren, wir entwickeln uns mit dem Kind, parallel sozusagen."
Von guten Ratschlägen überfrachtet
Babybücher, Säuglingskurse und all die vielen Ratschläge von es gut meinenden Omas, Freundinnen und Kollegen verwirren oft nur. Da kann ein individuelles Mama-Coaching genau das Richtige sein, ein Wegweiser im Ratgeber-Dschungel sozusagen. "Doch man bewegt sich natürlich nicht nur auf der Ebene der Informationsweitergabe. Viel wichtiger ist, sich die Gefühlswelt der Frau genau anzusehen, sich Zeit und Raum zu nehmen, um bei ihren eigenen Themen weiterzukommen"“ Zu Britt Bürgel kommen Frauen, die meist sehr gut informiert sind, manchmal sogar zu viel gelesen haben und nun verwirrt sind. Und oft stehen diese Mütter unter einem großen Leidensdruck. "Doch die Tatsache, dass sie zu mir kommen, zeigt mir, dass sie die Situation nicht als aussichtslos betrachten. Sie brauchen lediglich Hilfe von außen, um zu sehen, welche Möglichkeiten sie haben." Interessanterweise scheinen Mütter in der Schweiz früher zu reagieren, sozusagen prophylaktisch. Möglicherweise auch deswegen, weil in unserem Nachbarland flächendeckend eine kostenlose Mütterberatung angeboten und viel genutzt wird. Dort können zahlreiche Probleme bereits im Keim erstickt werden.
Auch für Väter wäre ein Mama-Coaching hilfreich
Theoretisch könnten auch Papas ein Mama-Coaching in Anspruch nehmen. Sie tun es aber nicht, weder in der Schweiz noch in Deutschland. "Die Männer sind ganz zufrieden, wenn die Frauen das machen und sie danach informieren. Dabei gäbe es einiges, das speziell für Väter interessant wäre, zum Beispiel im Umgang mit Lob", so der Eindruck von Simone Pestalozzi. Letztendlich geht es bei einem professionellen Coaching immer um einen neuen Blickwinkel, eine andere Perspektive. Und zwar eine von außen. Auf die Situation, aber eben auch auf sich selbst.