Für diesen Beitrag haben wir alle relevanten Fakten sorgfältig recherchiert. Eine Beeinflussung durch Dritte findet nicht statt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Kinderfragen Wieso, weshalb, warum? So erklären Sie Kindern die Welt
Keine Frage: Die Welt, in der wir leben, ist äußerst komplex und sie vollkommen begreifen zu wollen, ist sogar für den Schlauesten unmöglich. Was aber, wenn unsere Kinder uns über Gott und die Welt löchern und alles über die großen Fragen des Lebens wissen wollen oder einfach nur eine "simple" Erklärung einfordern, warum denn der Mond nicht immer rund ist? Ein Experte erläutert, wie Eltern mit Kinderfragen am besten umgehen und welche Antwortstrategien ihnen weiterhelfen.
Solange Kinder noch klein sind und noch nicht richtig sprechen können, erkunden sie alles, was um sie herum passiert, mit ihren Händen, den Augen, der Nase oder den Ohren. Mit allen Sinnen saugen sie Erlebtes in sich auf und lernen so ständig dazu. Erst im Alter von etwa zwei Jahren, wenn die Kinder das Sprechen jeden Tag ein wenig mehr für sich entdecken, beginnt das große Fragen, um nun per Kommunikation den "Geheimnissen des Lebens" auf die Spur zu kommen. Dann startet zunächst die "Wer-Was-Wo-Phase", bei der die meisten Väter und Mütter beim Antworten noch leichtes Spiel haben, weil es ja dabei vorwiegend darum geht, Lebewesen, Dinge oder Orte zu benennen.
Kinderfragen sind auch eine Gesprächsaufforderung
Spätestens im Kindergartenalter wird der Wissendurst dann umfangreicher und vielschichtiger, denn die Kinder interessieren sich jetzt zunehmend für Ursachen und Sinn von Zusammenhängen. Sie hinterfragen von nun an so ziemlich alles, häufig sogar in endlosen Frage-Antwort-Spielen, wo vor allem das "Warum" im Mittelpunkt steht und Fragen wie "warum gehst zu jetzt einkaufen?", "warum muss ich bald schlafen?" oder "warum muss ich Zähne putzen?" gestellt werden.
Obwohl diese Dauer-Fragerei von manchen Eltern als anstrengend empfunden wird, ist sie wichtig, denn sie dient nicht nur dazu die kindliche Neugier zu befriedigen, weiß Diplompsychologe Andreas Engel: "Wenn Kinder intensiv Fragen stellen, ist es auch immer eine Gesprächsaufforderung, der Wunsch nach Kommunikation. Das ist dann nicht nur ein vergnügliches Spiel, sondern auch die Suche nach Kontakt und Aufmerksamkeit."
Fragen immer ernst nehmen
Zudem vermittle jede gegebene Antwort den Kindern auch stets ein Stück Sicherheit, so der Experte. Deshalb sollten Eltern immer zugewandt reagieren, ihre Kinder nicht abwimmeln oder genervt reagieren. Auch abblockende Kommentare wie "dafür bist du noch viel zu klein", "das verstehst du sowieso nicht" oder "frag doch nicht immer so viel" sind fehl am Platz. Andreas Engel erklärt: "Kinder müssen immer ernst genommen werden, sie versuchen ja nur die Welt zu ergründen. Insofern sind alle ihre Fragen berechtigt und dann sollten auch ernst zu nehmende Antworten, die altersgerecht verpackt werden, folgen. Sonst ist es für die Kinder frustrierend."
Kindgerechte Antworten brauchen keine komplizierten Details
Angemessen zu antworten, scheint jedoch einfacher gesagt als getan. Denn viele Eltern tun sich schwer, wenn sie komplexe Zusammenhänge herunter brechen und in möglichst einfache Worte fassen sollen. Die Befürchtung nicht korrekt genug zu erklären, ist dann manchmal sehr groß. Doch der Psychologe beruhigt, denn es käme bei den Antworten, insbesondere bei jüngeren Kindern, nicht auf besonders viele Informationen und exakte Einzelheiten an, um ihren Wissendurst zu befriedigen: "Bei der Frage etwa‚ warum denn Herbstlaub bunt wird, braucht man nicht den Versuch starten, biochemische Prozesse möglichst simpel zu erläutern. Kindern reicht es oftmals, wenn Väter und Mütter einfach sagen, dass Blätter sich verfärben, weil sich die Pflanzen so auf ihren 'Winterschlaf' vorbereiten und nun das Sommergrün nicht mehr brauchen. Solche Aussagen sind ausbaufähig und eine gute Grundlage für später, wenn die Kinder älter und reifer sind."
Ein absolutes Tabu sei es jedoch, so der Experte, Kinder mit "magischen" Antworten abzuspeisen, denn sie führten in die Irre. Deshalb dürfe zum Beispiel nie auf die Frage "warum scheint heute die Sonne?" die Antwort lauten "weil du deinen Teller brav leer gegessen hast."
Metaphern und Experimente sind perfekte Erklärungshilfen
Eine gute Methode, Antworten kindgerecht zu verpacken, ist Metaphern oder Vergleiche zu verwenden. Denn durch bildhafte Sprache, mit Beispielen, die in der kindlichen Erfahrungswelt vorkommen, kann man kleine neugierige Frager am leichtesten erreichen und ihnen anschaulich ein Grundverständnis für gewisse Mechanismen vermitteln. Dabei gilt aber: Antworten kurz fassen und sich nicht in langen Monologen verlieren. Diese Strategie funktioniert vor allem im Kindergarten-und Vorschulalter.
Die Frage, warum das Wasser in einer Pfütze eigentlich verschwindet, wenn die Sonne darauf scheint, könnte man dann beispielsweise beantworten, indem man erklärt, dass die Sonne mit ihren heißen Strahlen das Wasser in der Pfütze aufleckt, bis es verschwunden ist. Das Wort "Verdunstung" braucht dabei gar nicht erwähnt werden.
Um zu ergründen, warum Milch denn nach dem Kochen eine Haut bekommt, könnte man den Vergleich mit einem gekochten Ei heranziehen, bei dem nach dem Kochen ebenfalls das Eiweiß weiß und fest erscheint. So kann deutlich gemacht werden, dass in Milch und Eiern ähnliche Stoffe enthalten sind, die sich bei Wärme gleich verhalten.
Ein probates Mittel sich komplizierten Fragen zu nähern, können auch spielerische Experimente sein. So ist es zum Beispiel wesentlich sinnvoller mit einer starken Taschenlampe, einem Fußball und einem Tennisball, die die Lampe umkreisen, das große kosmische Thema "Sonne, Mond und Erde" nachzustellen und so ganz nebenbei die Frage des Nachwuchses zu beantworten: "Warum ist denn der Mond eigentlich nicht immer rund?"
Eltern müssen nicht alles wissen
Doch Eltern müssen nicht alles wissen. Mütter und Väter sind eben keine wandelnden Lexika. Diese Lektion zu verinnerlichen, ist ebenfalls wichtig für Kinder, die viel fragen. "Es ist keine Schande auch mal etwas nicht zu wissen und es dann auch offen zuzugeben", räumt Andreas Engel ein. "Dann sollten Eltern es aber nicht dabei belassen, sondern die Gelegenheit ergreifen, sich mit ihren Sprösslingen zusammenzusetzen und in aller Ruhe zum Beispiel in Büchern zu schmökern oder im Internet auf speziellen Kinderseiten zu schauen." Das hilft oftmals dabei, dass Kinder selbst aktiv Antworten finden und sie formulieren, und nicht warten bis Mama oder Papa sie ihnen mundgerecht servieren.
Auf "philosophische" Fragen kann es keine endgültigen Antworten geben
Was aber, wenn Eltern wirklich völlig ratlos sind, weil sie mit philosophischen Fragen konfrontiert werden und ihre Kinder etwa von ihnen wissen wollen: "Warum leben wir?" oder "wo war ich, bevor ich geboren wurde?". "Solche existentiellen Themen sind immer ein guter Anlass, einfach ein bisschen miteinander zu philosophieren - vor allem wenn die Kinder schon etwas älter sind", meint Engel. "Bei der gemeinsamen Spurensuche müssen aber keine endgültigen Antworten gefunden werden." Allerdings sollten Eltern bei solchen Gesprächen immer beruhigend auf ihre Kinder einwirken und ihnen deutlich machen, dass solche unlösbaren Rätsel, nichts Schlimmes seien und sich niemand darüber Sorgen machen brauche, so der Experte. Es gebe eben auf dieser Welt vieles, was nicht erklärbar sei und wofür keine absolut gültigen Antworten existierten.
In behutsamen Gesprächen Fragen nach Katastrophen oder Kriegen beantworten
Ebenfalls einen besonderen Stellenwert nehmen Kinderfragen zu Tod, Katastrophen und Krieg ein, weil sie auch für Erwachsene emotionale Gesprächsstoffe sind, über die es nicht leicht ist zu reden. "Hier ist es ganz wichtig, dass sich Eltern viel Zeit nehmen und sich behutsam an solche Fragen herantasten, dass sie ihnen auf keinen Fall ausweichen dürfen", rät Engel. "Denn alle Dinge, die etwas Bedrohliches haben oder Unsicherheit und Ängste auslösen, verlieren oft schon etwas von ihrem Schrecken, wenn man sie benennt."
Und speziell Fragen nach schrecklichen Ereignissen irgendwo auf der Welt, von denen Kinder auch oft durch die Medien erfahren, könnten Eltern begegnen, indem sie beispielsweise mit ihrem Nachwuchs im Atlas nach dem Ort suchen, wo zum Beispiel ein Erdbeben Zerstörungen angerichtet hat oder wo gerade Menschen gegeneinander kämpfen, empfiehlt der Psychologe. "So können Mütter und Väter einerseits mit ihren Kindern offen darüber sprechen, wie schlimm Naturkatastrophen oder Kriege sind, können ihrem Nachwuchs aber zugleich auch Ängste nehmen und ein gewisses Gefühl der Sicherheit vermitteln."