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Neugier von Kindern: Darum ist sie so wichtig


Kindesentwicklung
Darum müssen Kinder neugierig sein

Neugier ist die Lust auf Unbekanntes, die vor allem in der Kindheit vielfältige Blüten treibt. Doch das kindliche Bedürfnis ständig Neues zu erkunden, wurde noch vor nicht allzu langer Zeit von vielen Eltern als lästig empfunden und mit Sätzen wie "sei nicht so neugierig!" oder "du Naseweis musst nicht alles wissen" abgetan. Inzwischen hat sich die pädagogische Haltung aber grundlegend gewandelt, denn heute gilt in der Psychologie, dass Neugier für die Kindesentwicklung eine wichtige Rolle spielt.

Aktualisiert am 20.01.2014|Lesedauer: 5 Min.
t-online, Nicola Wilbrand-Donzelli
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Bereits vom ersten Tag ihres Lebens an sind Menschen neugierig. Das lässt sich schon bei Neugeborenen nachweisen. So betasten wenige Stunden alte Säuglinge in systematisch vor allem das Gesicht und die Mundregion. Die Berührungen des Mundes sind, so die Deutung der Wissenschaft, eine zielgerichtete Verhaltensweise, weil sie häufig durch weites Öffnen der Augen und Hochziehen der Augenbrauen begleitet werden.

Neugier: Bereits von der Geburt an sind Kinder neugierig.Vergrößern des Bildes
Bereits von der Geburt an sind Kinder neugierig. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)

Der besondere Reiz des Unbekannten

Auch die Motivation, Neues mit den Augen zu entdecken, ist bereits bei nur wenigen Tagen alten Kindern ausgebildet. Das ergaben zahlreiche Untersuchungen von Entwicklungspsychologen: Zeigt man Säuglingen mehrmals hintereinander dasselbe Bild, so schwindet im Laufe der Zeit ihr anfängliches Interesse deutlich. Ersetzt man dann aber das "alte" Bild durch ein unbekanntes, so wenden die Babys ihre ganze Aufmerksamkeit vermehrt auf das Neue. Nach Einschätzung von Entwicklungspsychologen spricht dies dafür, dass schon die Kleinsten Bekanntes und Unbekanntes unterscheiden können, und dass Neues einen besonders großen Reiz auf sie ausübt.

Neugier ist die Antriebskraft fürs Lernen

"Neugier ist von Anfang an in uns angelegt", erklärt Diplompsychologe Andreas Engel. "Gerade Kinder brauchen diese Eigenschaft, um die Welt zu erkunden und sich darin zurechtzufinden. Sie ist eine wichtige Grundlage des Lebens, denn nur mit ihr kann man Neues erleben, Erfahrungen sammeln und Eigenständigkeit gewinnen. Ohne Neugier würde sich nur wenig bewegen. Sie ist die Antriebskraft für fortwährendes Lernen und sie spornt zu weiteren Aktivitäten und Erkundungen an."

Dieser angeborene Forschertrieb, der in der Fachsprache "Explorationsverhalten" heißt, wird vor allem dann für Eltern spannend, wenn ihre neugierigen Kinder im Alter von etwa vier bis fünf Monaten beginnen, alle neuen Gegenstände, die sie in die Finger bekommen, sowohl mit den Händen als auch mit dem Mund im wahrsten Sinne des Wortes zu "begreifen".

Bewegliches erzeugt extreme Neugier

Besonders groß und ausdauernd ist der Entdeckertrieb, wenn sich etwas vor den Augen der Kleinen bewegt, gleichgültig ob es sich um schwingende Mobilés, rollende Bälle oder herumlaufende Haustiere handelt. "Auch hier scheinen uralte, angeborene Muster zu greifen", weiß Experte Engel. "Bewegliches wahrzunehmen und zu beobachten, war schon bei unseren urzeitlichen Vorfahren - sei es bei Gefahr durch Feinde oder bei der Jagd - von großer Bedeutung und konnte über Leben oder Tod entscheiden."

Gefährliche Neugier im Krabbelalter

Sobald die Kleinkinder sich im Krabbelalter selbst fortbewegen, fangen sie an ihre Umwelt aktiv zu erforschen: Sie beginnen nun mit Gegenständen zu experimentieren, um deren Beschaffenheit zu untersuchen und herauszufinden, was sich mit ihnen alles anstellen lässt. Alle erreichbaren Schalter und Knöpfe werden systematisch unter die Lupe genommen, sämtliche Schubladen ausgeräumt und vielleicht auch die Wirkung von "Werkzeugen" an ungeeigneten Gegenständen wie etwa Möbeln oder Fensterscheiben ausprobiert.

Freiräume für den Entdeckertrieb schaffen

Spätestens dann müssen Eltern verstärkt aufpassen, denn Neugier kann jetzt gefährlich werden. Doch sie sollten dabei nicht zu ängstlich agieren und den natürlichen Erkundungstrieb ihrer Sprösslinge ausbremsen, denn ohne Freiräume kann sich kindliche Neugier nicht entfalten. So sollte die Umgebung so sicher gemacht werden, dass kleine Entdecker immer noch die Möglichkeit haben, auf Expedition zu gehen, um ihre Welt selbst zu erfahren. In der Praxis bedeutet diese Risikominimierung zum Beispiel Treppengitter und Steckdosensicherungen anzubringen, keine losen Kabel und andere Schnüre herumhängen zu lassen, Backofen- oder Kaminofenfenster abzudecken oder mit Absperrvorrichtungen zu sichern, auf Tischdecken zu verzichten, Giftiges und Gefährliches außer Reichweite aufzubewahren, Schließmechanismen bei Fenstern und Türen kindersicher zu machen und schließlich Möbel und Regale kippsicher aufzustellen.

Die Phase der Endlosfragen im Kindergartenalter

Eine ganz spezielle Dimension entwickelt kindliche Neugier, sobald der Nachwuchs sprechen gelernt hat, über einen relativ großen Wortschatz verfügt und versucht, den großen Fragen der Welt verbal auf die Spur zu kommen. Jetzt werden auch abstrakte Zusammenhänge hinterfragt und Väter und Mütter sind gefordert, Beobachtungen beziehungsweise Erfahrungen ihrer Sprösslinge zu deuten, um ihnen so zu helfen, diese in den kindlichen Kosmos einzuordnen. Das kann mitunter sehr anstrengend sein, vor allem wenn im Kindergartenalter die berüchtigte Phase der Endlosfragen beginnt und ein "Warum" das nächste ablöst.

Nie den Wissensdurst der Kinder "abwürgen"

Jetzt sollten Eltern versuchen immer geduldig zu antworten und den Wissensdurst ihrer Kinder nicht mit "ich weiß nicht" abzuwürgen oder gar geringschätzige Kommentare wie "du musst nicht alles wissen" abzugeben. Gute Nerven und Ausdauer zu bewahren gilt auch dann, wenn die Fragerei vom Hundertsten ins Tausendste geht. Eine typische Fragestaffel könnte dann etwa so aussehen: "Warum fliegt der Vogel?"- "Weil er Flügel hat"- "Warum haben wir keine Flügel?"-"Weil wir Arme haben und außerdem besser laufen können"- "Warum haben wir Arme?"- "Damit wir greifen können"- "Warum…?"

Geduldige und kindgerechte Antworten geben

Wichtig bei den Erklärungen der Erwachsenen ist, dass sie rational ausfallen und die Dinge aus der Perspektive der Kinder beleuchten. Eine Vereinfachung der Welt ist also bei Befriedigung der Neugier ausdrücklich erlaubt. So ist es wenig sinnvoll, etwa bei dem Thema Vögel über die physikalischen Eigenschaften von Flügeln zu referieren. Angemessener ist es dagegen, beispielsweise zu erklären, dass Vögel ihre Flügel brauchen, um Nahrung zu suchen und ihre Jungen im Nest zu versorgen.

Doch nicht immer ist es notwendig, alles stoisch zu beantworten. Manchmal macht es auch Sinn Fragen beziehungsweise Anregungen wie "was meinst du denn dazu?", "hast du eine Idee?" oder "mal sehen, ob wir das nicht zusammen rausbekommen können" an das Kind zurückzugeben. Dies sei auch bei sensiblen Themen wie Tod, Krankheit, Armut, Behinderung oder Krieg ein guter Weg, miteinander ins Gespräch zu kommen, gemeinsam über Gott und die Welt zu philosophieren und auf diese Weise die Neugier zu befriedigen.

Ängstliche Kinder sind weniger neugierig

"Das Fragealter sollten Eltern sehr ernst nehmen und sich deshalb auch immer viel Zeit nehmen, um auf ihre Kinder einzugehen, gleichgültig um was es geht", rät Diplom-Psychologe Engel. Wenn die Kinder älter sind und lesen können, könnte man sie auch animieren, sich zusätzlich Informationen zu holen oder gemeinsam mit den Eltern in Büchern oder im Internet zu stöbern.

"Ein entscheidender Aspekt ist dabei die Zuwendung, die Kindern erfahren, wenn ihnen Eltern als Hauptbezugspersonen etwas erklären oder zeigen", so Andreas Engel weiter. "Familiäre Bindung und kindliche Neugier hängen eng zusammen. Heute weiß man, dass Kinder, die in ihrer Bindung zu den Eltern gestört sind, weniger Explorationsverhalten zeigen und sich ängstlicher verhalten. Sie haben einfach schlechtere Chancen ihre Neugier auszuleben, die Welt zu erkunden und dadurch auch schneller selbstständig zu werden." Die kindliche Lust auf Unbekanntes wächst also umso mehr, je geborgener und sicherer sich die kleinen und größeren Entdecker in ihrem Umfeld fühlen.

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