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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Ziemlich beste Freunde Ziemlich beste Freunde: So verschieden sind Kinderfreundschaften
Mit einem Freund kann man gemeinsam lachen, spielen oder faulenzen. Einem Freund kann man Geheimnisse anvertrauen und überhaupt verbringt man seine Zeit wahrscheinlich mit niemandem lieber als mit guten Freunden. Doch gerade in der Kindheit sind freundschaftliche Beziehungen nicht immer gleich. Sie müssen erlernt werden und verändern sich im Laufe der Entwicklung. Erst nach und nach wird aus einem Nebeneinander ein Miteinander, das allerdings sehr verschiedenen ausfallen kann. Welche Freundschaftstypen- und Konstellationen es zwischen Kindern gibt, lesen Sie hier.
Kontaktaufnahme zwischen den Jüngsten
Bereits Kleinkinder suchen zu Gleichaltrigen oder älteren Kindern Kontakt. Sie sind neugierig und fühlen sich oftmals magisch von Ihresgleichen angezogen. Doch feste Beziehungen können die Kleinen im Krabbel- oder Lauflernalter mangels verbaler Kommunikation noch nicht knüpfen. Wie Mini-Planeten kreisen die Knirpse dann zwar umeinander, beschäftigen sich aber noch nicht direkt mit ihrem Gegenüber. Es dominiert das "Parallelspiel", wie es Fachleute nennen, ohne Blickkontakt.
Wenn die Sprachfähigkeit langsam wächst und die Kinder ihr "Ich" entdecken, versuchen sie aktiver und bewusster Initiative zu ergreifen und wagen von allein zaghafte Annäherungen an potentielle Mitspieler etwa im Sandkasten oder auf dem Spielplatz. Dabei wenden sie häufig noch nonverbale Taktiken an: Zum Beispiel indem ein Kind versucht das Verhalten anderer nachzuahmen, um so ins Spiel zukommen, oder wenn es durch lautes Lachen, Rufen, Klatschen oder Überreichen eines Spielzeugs auf sich aufmerksam macht und so den Bann bricht.
Zweckgemeinschaften im Kindergarten
Intensiveres gemeinsames Spielen entwickelt sich allerdings erst im Kindergarten, wenn die Kinder noch differenzierter miteinander kommunizieren können. Diese Beziehungen, die jetzt meist noch geschlechtsübergreifend funktionieren, sind meist zweckgebunden und nah an das konkrete Spiel gekoppelt. Deshalb sprechen Entwicklungspsychologen hier lieber von Spielgefährten als von Freunden. "In diesem Alter sind Freundschaften noch sehr situations- und emotionsabhängig", erklärt Diplompsychologe Andreas Engel. "Dann können sie so abrupt enden, wie sie angefangen haben. Tiefe und dauerhafte Beziehungen, wo eher die Persönlichkeit als eine gemeinsame Beschäftigung eine Rolle spielt, sind das aber noch nicht. "
Deshalb gehen die Drei- bis Sechsjährigen mit dem Wort "Freund" oder "Freundin" noch recht großzügig um. Jeder, der spontan ihre Sympathie weckt und mit dem man einige Zeit verbringt, wird schnell so bezeichnet. Ein Freund, mit dem man sich verabreden kann, ist dann jemand, mit dem man vor allem gut spielen kann und der sich für die selben Sachen interessiert. So werden wahrscheinlich zwei begeisterte Lego-Bauer immer besonders gut miteinander auskommen.
Gegeneinander und Miteinander fördern soziale Kompetenz
Bei Misstönen und Konflikten kann es allerdings schnell heißen: "Du bist nicht mehr mein Freund" oder "jetzt lade ich dich nicht zu meinem Geburtstag ein." Solche drohenden Ansagen müssen aber nicht viel bedeuten. Oftmals sitzen die Streithähne kurze Zeit später wieder einträchtig zusammen und sind wieder "beste Freunde".
Der ständige Wechsel von Gegeneinander und Miteinander gehört in diesem Alter zwecks Beziehungsbildung noch eng zusammen. Denn durch das emotionale Hin und Her und Fragestellungen wie "was ist mein, was ist dein?", "wer ist dran schuld?" oder "wer hat gewonnen?" reiben sich die Spielgefährten aneinander, lernen sich so kennen und entwickeln soziale Kompetenz.
Erste feste Bindungen im Grundschulalter
Vom Vorschul- und Grundschulalter an suchen Kinder vor allem Verbündete. Jetzt geht es nämlich verstärkt darum, sich seinen Platz in einer Gruppe Gleichaltriger zu sichern. Dabei differenzieren die Kinder in ihrem neuen Umfeld häufig noch nicht, halten sich Freundschaftsoptionen offen. "Wenn ich mit dieser Altersgruppe zu tun habe", erzählt Diplompsychologe Engel, "geht es oftmals noch eher um die Quantität der Freunde. Fragt man, 'wie viele Freunde hast du denn', bekommt man häufig zu hören '100' oder 'alle in der Klasse'. Auch die Anzahl der Geburtstagseinladungen als Indiz für Beliebtheit spielt hier eine große Rolle."
Trotz solcher vermeintlichen Orientierungslosigkeit ist der Beginn des Schullebens auch die Phase, in der erste tiefere Freundschaften entstehen können. Beste Freunde, die viel Zeit miteinander verbringen, finden sich jetzt: Eine loyale innige Gemeinschaft, die man nicht mit anderen teilen möchte. Als verschworenes "Dream-Team" fühlt man sich stärker, durchsetzungsfähiger und kompetenter.
Die Kinder erleben jetzt bewusst, auch in einem kleineren Verbund zu dritt oder zu viert, dass es Spaß macht etwas gemeinsam zu unternehmen, einander zu vertrauen und gemeinsame Erfahrungen zu sammeln, was wiederum die Bindung festigt. Nun werden Geheimnisse ausgetauscht, Freundschaftsrituale geschaffen, Phantasiewelten aufgebaut oder Versprechungen gegeben und dabei auch eine deutliche Abgrenzung zu anderen - auch zu der Erwachsenenwelt - vollzogen.
Geschlechtsspezifische Freundschaften
Gerade Mädchen gehen etwa ab Schuleintritt enge Zweierbeziehungen zu ihrer besten Freundin ein. Allerdings gibt es neben der besten oft noch eine zweit- oder drittbeste Freundin. Häufig sind diese Hierarchien aber nicht sehr stabil und die Favoritinnen wechseln. Dennoch halten solche dynamischen Freundschaftgebilde oft länger, auch wenn gelegentlich "Zickenkrieg" herrscht.
"Die Nähe zueinander", kommentiert Experte Engel, "finden Mädchen vor allem über Sprache. Sie tauschen sich über die Dinge vorwiegend verbal aus und schaffen so eine Bindung zueinander. Jungs sind da eher praktisch und motorisch orientiert, haben gleiche Interessen. Aber auch das schweißt zusammen."
"Wichtig für die seelische Gesundheit"
Ob aus solchen frühen Kumpaneien schließlich irgendwann eine "Freundschaft fürs Leben" werden kann, hängt auch von äußeren Umständen ab. Denn freundschaftliche Beziehungen zwischen Kindern halten trotz Zuneigung meist noch keinen großen Belastungen stand. Zieht etwa der beste Freund weg oder die beste Freundin wechselt auf eine andere Schule, verlaufen sich nicht selten solche Kontakte ohne Unterstützung des Elternhauses. Dann kann es sein, dass bald ein anderes Kind an die Stelle des früheren "Best Friend" tritt.
Das Wichtigste ist, dass Kinder überhaupt Freundschaften schließen und diese auch aktiv pflegen, auch wenn das "Personal" im Laufe der Kindheit je nach Entwicklungsphase immer wieder wechselt: "Freunde zu suchen ist ein elementares und natürliches Bedürfnis des Menschen", so Andreas Engel. "Es geht darum, dass man in der Gemeinschaft Anerkennung findet und gemocht wird. Freunde sind deshalb schon in der Kindheit vor allem für unsere seelische Gesundheit unentbehrlich."