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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Erziehung Ungerechtigkeit der Natur: Schöne Kinder haben es leichter
Schönheit liegt im Auge des Betrachters, sagt man. Doch Attraktivitätsforscher haben herausgefunden, dass Schönheit alles andere als subjektiv ist. Quer durch alle Schichten der Gesellschaft, durch alle Kulturen, Altersgruppen, Berufe und Geschlechter werden die gleichen Gesichter als schön wahrgenommen. Der Grund dafür ist ganz einfach: Im Aussehen spiegelt sich der Genpool des Menschen und damit der entscheidende Hinweis auf seine Eignung zur Fortpflanzung und so zum Arterhalt. Doch schöne Menschen eignen sich nicht nur besonders gut zum Vererben von Eigenschaften, sie haben es grundsätzlich leichter im Leben. Und zwar von Geburt an.
Eltern treten mit schönen Kindern stärker in Interaktion
Schöne Kinder gelten automatisch als intelligenter, fleißiger, sympathischer und kreativer. Angeblich wird zum Beispiel ein Aufsatz sogar besser benotet, wenn der Lehrer davon ausgeht, dass ein hübsches Kind ihn verfasst hat. Eine gewagte These, die man vor allem in den 70er Jahren zu beweisen versuchte. "Natürlich muss man immer ein wenig skeptisch sein bei solchen Studien", erklärt Dr. Martin Gründl von der Universität Regensburg. "Denn es handelt sich hier nicht um gravierende Unterschiede, sondern lediglich um Nuancen, um kleine Effekte, die über das Unterbewusstsein gesteuert werden." Was man allerdings inzwischen sicher weiß, ist, dass die Unterschiede in der Behandlung schon bei kleinen Kindern auffällig sind. "Attraktive Kinder haben zum Beispiel messbar mehr Kontakte mit ihren Müttern, werden häufiger von ihnen angelächelt und tatsächlich liebevoller behandelt", so der Diplompsychologe.
Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus
Letztendlich kann man davon ausgehen, dass es sich um eine selbsterfüllende Prophezeiung handelt: Ist ein Kind schön, werden ihm automatisch positive Eigenschaften zugeschrieben, die sich dann aufgrund von erhöhter Beachtung auch erfüllen. "Das ist ein kritischer Punkt, der einem zu denken geben sollte. Für die attraktiven Kinder ist das ja prima, doch was ist mit denen, die von Geburt an nicht so schön oder gar entstellt sind? Das kann zu massiven Problemen führen. Die Kinder ziehen sich zurück, trauen sich nichts zu, da kann ein echter Teufelskreis entstehen." Es gibt zahlreiche Belege dafür, dass es eine große Rolle spielt, wie man einem Menschen begegnet. Das kann durchaus auch Auswirkungen auf den Charakter und die Persönlichkeit haben. "Kann, muss aber nicht. Denn ein Kind, das nicht so attraktiv ist, kann trotzdem einen ganz wunderbaren Charakter haben. Da spielen viele Faktoren eine Rolle."
Bei besonders hässlichen Menschen greift das Mitleid
Auch im Umgang mit anderen Kindern ist Attraktivität nicht unwichtig. Schon im Kindergarten finden niedliche Kinder nachgewiesenermaßen schneller Freunde. Kinder können aber auch ganz schön hart zu anderen sein. Das allerdings kommt stark aufs Alter und natürlich auch aufs Umfeld an: "Gerade Pubertierende können ziemlich grausam sein, wenn jemand nicht ins Schema passt. Wenn allerdings einer besonders hässlich ist, zum Beispiel eine sehr starke Akne hat, dann greift auch bei ihnen schon eher das Mitleid. Ein Effekt, den man auch bei Behinderten beobachten kann. Wenn es einer sehr schwer hat, wird er auch nicht aufgezogen."
Der Mensch wird vom Aussehen her immer kindlicher
Dem Diplompsychologen und seinen Kollegen von der Universität Regensburg ist es gelungen, eine Schönheitsformel zu entwickeln und sie haben herausgefunden, dass eine Frau attraktiver auf andere wirkt, wenn ihre Züge zu etwa einem Drittel Merkmale des Kindchenschemas aufweisen. Ein schmales Kinn, runde und große Augen, Pausbacken und weiche, glatte Gesichtskonturen lösen beim Menschen nicht nur einen Beschützerinstinkt aus, sie werden auch als attraktiv empfunden.
Es gibt Merkmale, die jeder Mensch als besonders schön empfindet. In erster Linie gehört hier die Symmetrie dazu. Und in gewisser Weise auch die Durchschnittlichkeit, und zwar nicht im Sinne von Mittelmäßigkeit, sondern im Sinne einer mathematischen Berechnung. "Typisch kindliche Merkmale machen das Gesicht eines Menschen wohl generell attraktiver", erklärt Dr. Gründl.
Sinn für Schönheit scheint angeboren
Zahlreiche Studien beweisen, dass bereits Säuglinge eine deutliche Affinität zu schönen Gesichtern haben. Man beobachtet das anhand von bestimmten Verhaltensweisen wie der Nuckelfrequenz oder der Länge des verweilenden Blickes beim Betrachten von Bildern - wobei man den Babys aber immer Extreme zeigt. "Wirklich erklären kann man das trotzdem nicht. Man kann aber vermuten, dass es sich hier nicht um erlernte Verhaltensweisen handelt, da auch Neugeborene ein solches Verhalten zeigen."
Glücklicherweise ist es dabei dem Kind aber egal, ob die eigene Mutter hübsch oder hässlich ist. "Das Gesicht der eigenen Mutter nimmt eine Sonderstellung ein. Es wird von Säuglingen am liebsten gesehen, unabhängig davon, ob die Mutter als attraktiv oder unattraktiv einzustufen ist. Diese Tatsache lässt sich durch die große Bedeutung einer guten Mutter-Kind-Bindung für das Überleben des Kindes erklären", heißt es in dem Buch "Psychologie der Schönheit", herausgegeben von Professor Andreas Hergovich von der Universität Wien.
Also auch, wenn langfristig Erlerntes genauso eine Rolle spielt wie das soziale Umfeld und bestimmte kulturelle Einflüsse: Der Sinn für Schönheit ist offensichtlich etwas, das uns angeboren ist.