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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Trennungskinder Mamis neuer Freund soll wieder gehen
"Mama, wann geht der denn endlich wieder?“ Mit einfachen Worten drückt die sechsjährige Anna ihren Unwillen über die familiäre Situation aus. Mama hat einen neuen Freund - und den mag sie nicht. Sie will ihn auch gar nicht mögen, schließlich ist das ja ihre Mama, oder? Solche Probleme haben Frauen und Männer gleicher- maßen, wenn sie ihren neuen Partner in ihr (Familien)leben integrieren möchten. Denn auch wenn Patchworkfamilien nichts ungewöhnliches mehr sind und es viele schöne Beispiele für ein glückliches Zusammenleben gibt - manche Kinder wollen ihre Eltern einfach nicht teilen und kommen mit dem neuen Partner oder der Partnerin nicht klar. Was kann das Elternteil in dieser Situation tun? Was der neue Partner tun kann und inwieweit spielt der Ex-Partner noch eine Rolle?
Geduld ist gefragt
Wenn ein neuer Freund oder die neue Freundin in die Familie kommt, sind die meisten Kinder erst mal zurückhaltend. Auch anfängliche Eifersucht oder ein Buhlen um Aufmerksamkeit ist ganz normal und nicht unbedingt ein Zeichen dafür, dass das Kind dauerhaft gegen den Partner ankämpfen wird. Kinder brauchen Zeit, sich auf eine neue Situation einzustellen und die müssen ihnen alle Beteiligten geben. Wolfgang Jaede schreibt in seinem Buch "Was Scheidungskindern Schutz gibt“, dass Kinder "klare Verhältnisse lieben und eine Berechenbarkeit der Lebenssituation brauchen.“ Wenn die neue Partnerschaft der Eltern keine Gefahr für sie darstellt, werden sich die meisten Kinder auch damit arrangieren können. Dafür müssen allerdings einige Punkte gewährleistet sein:
- Die Stiefmutter / der Stiefvater sollte nicht den Anspruch haben, an die Stelle der leiblichen Mutter oder des leiblichen Vaters treten zu wollen.
- Die meisten Kinder legen auf diesen Unterschied sehr großen Wert, selbst dann, wenn sich die leiblichen Eltern wenig um sie gekümmert haben.
- Ihnen ist wichtig, dass ihre eigenen Eltern ausreichend geachtet werden. Dadurch fühlen sie sich selbst wertgeschätzt.
- Sie sind dann eher bereit, sich auf neue Partner einzulassen, weil sie nicht Angst haben müssen, die Beziehung zu ihren eigenen Eltern zu verlieren.
- In Stieffamilien sollte deshalb gerade zu Beginn darauf geachtet werden, dass der Besuchskontakt zum leiblichen Elternteil stabil bleibt.
- Auch sollte nicht erwartet werden, dass zu den neuen Eltern "Mama“ oder "Papa“ gesagt wird, sondern diese vielleicht eher mit dem Vornamen angesprochen werden.
- Früh geklärt werden sollte auch die erzieherische Zuständigkeit in der Familie, gerade wenn die Kinder sagen: "Du bist nicht mein Vater / meine Mutter.“
(Quelle: "Was Scheidungskindern Schutz gibt“ von Wolfgang Jaede)
Auch Erwachsene brauchen Zeit
Doch auch die anderen Beteiligten der neuen Familie brauchen Zeit, sich an die Konstellation und an das Leben miteinander zu gewöhnen. Thorsten Spreckelsen, Diplom-Psychologe aus Hamburg, weist darauf hin, dass auch die Erwachsenen zu schnell versuchen, in neue Familienrollen oder gar Elternrollen hineinzuschlüpfen. "Jeder in der Patchworkfamilie braucht Zeit, um die neue Situation zu verarbeiten und zu verstehen“, sagt Spreckelsen der Nachrichtenagentur ddp. Er empfiehlt, dass sich die Partnerschaft zunächst außerhalb der Familie abspielen soll. Für die Kinder ist es zudem wichtig, dass die neue Beziehung der Eltern nicht gleich wieder in die Brüche geht und dadurch wieder große Unruhe im Leben des Kindes entsteht. Deshalb sollte die Beziehung erst gefestigt sein und die Erwachsenen sollten sicher sein, dass ihre Beziehung von Dauer ist. Folgende Punkte des Zusammenwachsens neuer Familien sollten beachtet werden:
- Das Paar lernt sich kennen (und lieben).
- Es hat Rendezvous in der kinderfreien Zeit, an den Wochenenden und in den Ferien.
- Ist die Partnerschaft erprobt und gefestigt, kommt die nächste Stufe.
- Die Partnerin oder der Partner lernt das oder die Kinder kennen.
- Sie verbringen gemäßigt Zeit miteinander - Stundenweise, an Wochenenden und in den Ferien.
- Der oder die "Neue“ kann auch mit den Kindern alleine sein und alle Beteiligten fühlen sich wohl dabei.
- Die Kinder lernen Freunde und Verwandte der neuen Familienmitglieder kennen.
- Erst wenn sich die Kinder mit dem neuen Partner oder der neuen Partnerin und unter den Freunden und Verwandten wohlfühlen, sollte die Patchworkfamilie zusammenziehen oder die Partner gar heiraten.
(Quelle: „Glückliche Scheidungskinder“ von Remo H. Largo und Monika Czernin)
Anna hat Angst
Die Autoren Remo H. Largo und Monika Czernin schreiben in “Glückliche Scheidungskinder”, dass es ein “Minimum an Beziehung” benötige, damit ein Zusammenwachsen der neuen Familie klappen könne. Es komme darauf an, dass sich das Kind ernstgenommen fühle. Hier reicht es nicht, als guter Onkel oder Tante aufzutreten und dem Kind ein Geschenk mitzubringen. Der neue Partner muss selbst gewillt sein, eine Beziehung zu dem Kind aufzubauen und es nicht nur als Beiwerk anzusehen. Vielleicht baut Anna eher ein Verhältnis auf, wenn Mamis neuer Freund auch mal alleine mit ihr ein Eis essen geht und ihr zuhört, wenn sie von ihrer besten Freundin erzählt? Falls das (von seiner Seite) nicht möglich ist und ihn eine solche Freizeitaktivität sogar langweilen würde, sollte das Paar die Beziehung aus der Familie heraushalten und somit von Anna fernhalten. Largo und Czernin weisen außerdem darauf hin, dass es wichtig sei, dass der Vater oder die Mutter "autonom“ mit der schwierigen Situation umgehen. Sie müssten selbst erkennen, was für ihr Kind am besten sei und danach handeln. Dadurch verlören die Kinder die Angst, ihre Mama oder ihren Papa zu verlieren und könnten offener auf den neuen Partner zugehen. Wenn Anna merkt, dass sich das Verhalten ihrer Mutter plötzlich ändert und plötzlich andere Regen gelten, weil dieser Mann da ist, verliert sie ihre Sicherheit und bekommt Angst. Es ist also kein Wunder, dass sie möchte, dass er wieder geht.
Die Rolle des Ex-Partners
Die Beziehung ist vorbei, trotzdem spielt der Ex-Partner im neuen Familiengefüge eine große Rolle. Mit ihm steht oder fällt manchmal das ganze "Projekt“. Wolfgang Jaede schreibt, "von Bedeutung für das Gelingen einer Stieffamilie ist auch die Art der Beziehung, die zur Ursprungsfamilie besteht.“ Er erklärt, dass, wenn der getrennt lebende Elternteil ausgegrenzt und nie erwähnt würde, das Kind gezwungen sei, ihn mitzuverleugnen. Oftmals würden gerade dadurch Konflikte entstehen und die Ablehnung der Stiefeltern weiter provoziert. Hat das Kind zu beiden Eltern ein gutes Verhältnis und die Beziehung zwischen den beiden Elternteilen ist geklärt, kann sich das Kind besser auf eine dritte Person einlassen. Spürt es allerdings Trauer oder Wut des Ex-Partners, ist die Gefahr groß, dass es diese Gefühle übernimmt und projiziert und den neuen Partner dauerhaft ablehnt.