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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Essen & Trinken Elsass: Wo die Deutschen zu Gourmets wurden
Einst Ausflugsziel für Feinschmecker par excellence schien das Elsass zuletzt etwas aus der Mode geraten. Zu Unrecht. Gastronomie-Kritiker Jörg Zipprick bricht eine Lanze für die traditionsreiche Elsässer Küche und nennt .
Hier wurden die Deutschen zu Gourmets: Im Elsass endete vor vierzig Jahren die Würstel und Tiefkühlhähnchen-Diktatur. Als Austern noch eklig waren und "Balsamico" ein Fremdwort, das Mancher vielleicht eher im Pharmamarkt verortete, da wurde hier schon grandios aufgetischt.
Keine Modeküche
Das Restaurant "Auberge de l’Ill" galt als Einstiegsdroge in den Feinschmeckerhimmel. Dort saß man neben Trauerweiden, sah den Störchen beim Segeln zu und senkte die Gabel ehrfürchtig in souffliertem Lachs, Trüffel in der Asche, Hummer Prinz Wladimir oder getrüffeltem Baeckeoffa. Paul Haeberlin hieß der große Koch, der neben den Gaumen unzähliger Feinschmecker auch große Köche ausbildete. Einer von ihnen war Eckart Witzigmann. Der große Paul starb 2008. Da stand sein Sohn Marc schon jahrelang am Herd. Niemals hat sich die Auberge irgendwelchen Küchenmoden angeschlossen, "nouvelle" waren die Gerichte nie und "molekular" erst recht nicht. >>
Wer das Restaurant in Illhaeusern besucht, darf und sollte die Klassiker bestellen. Als bisher einziges Zugeständnis an den Zeitgeist wurde das Haus vom Pariser Architektenduo Patrick Jouin und Sanjit Manku umgestaltet.
Geschmack geht über Optik
Es ist für gewisse Küchenkreise, die jeden Teller zur künstlerischen Ausdrucksform erklären wollen, leicht, sich über solche weißweinseeligen Bilderbuchlandschaften lustig zu machen.
Weil man hier statt gezupfter Shiso-Blättchen nebst 36 essbaren Mikroelementen lieber Bressegeflügel für zwei Personen oder Kalbsbries mit Sauce Albufera auftischt. Sicher, für das Foto auf dem Instagram-Account bieten die Dutzenden von Farbtupfern mehr. Die Papillen hingegen verwöhnt die Albufera besser. Die Geschmacksfülle so einer Sauce stellt ganz, ganz viele fotogene Gerichte in den Schatten. Und ein Gericht durchquert ja nicht die Jahrzehnte, einfach weil es existiert, sondern weil es schmeckt und dementsprechend Nachfrage von Gästeseite besteht. >>
Dennoch schien das Elsass zuletzt ein wenig aus der Mode zu geraten: Ribeauvillé und Riquewihr gingen denselben Weg wie jedes internationale Touristenziel, Coffee-Shops verdrängten "Winstubs", Sauerkraut und Flammkuchen wirkten wie Relikte aus alten Zeiten und das Essen an und für sich ist oft teurer als hierzulande. Ein Grund: In Frankreich wird auch Mitarbeitern der Gastronomie ein gesetzlich festgelegter Mindestlohn von 9,61 Euro pro Stunde gezahlt. Äußerst qualifizierte Köche und hochrangige Service-Mitarbeiter können monatlich durchaus in fünfstelligen Größenordnungen entlohnt werden. Das wirkt sich auf den Preis - aber eben oft auch positiv auf den Geschmack - aus.
Tatsächlich vollzog sich im Elsass ganz einfach ein Generationswechsel. Begabte junge Köche haben es heute weit schwerer sich auf dem Markt durchzusetzen, als vor dreißig Jahren, besonders, wenn sie nicht in Kochsendungen den Dampfplauderer spielen.
Wer kennt zum Beispiel Thierry Schwartz? Der 38-jährige Chef des "Bistro des Saveurs" in Obernai hat beim legendären Joel Robuchon im "Jamin" gelernt – damals die beste, aber auch härteste Küchenbrigade von ganz Frankreich. Heute schwört er auf die regionalen Produkte des Elsass, setzt den Kamin des Hauses zur Garung ein und interpretiert emblematische Gerichte der Region neu. Ob Seezunge in "Vin jaune" mit Elsässer Safran oder Schwein mit Senf und Schwarzwurzeln, das Bistro ist eine Adresse zum Wohlfühlen. Und 38 Euro für ein Mittagsmenü machen die Gäste nicht arm.
Traditionelle Winstubs und ein Grand Restaurant
Auch die Winstubs gibt es noch. Alte werden renoviert, neue kreiert. Unternehmer Cédric Moulot, 36, besitzt gleich zwei: Sein "Tire-Bouchon" in Straßburg wurde 2015 mit einem Preis für das beste Choucroute (Sauerkraut) mit Fisch ausgezeichnet. Stör, Forelle, Zander, Hechtklöße, separat gegart, dazu ein Flusskrebs – wunderbare Winstubkost. >>
Moulots "Meiselocker" bietet Traditionskost wie Lewerknepfle und Schinken in Pinot Noir zu unter 20 Euro. Selbst ein "Grand Restaurant" gehört inzwischen zum Imperium des jungen Gastronomen: Im "1741", besternt und anderweitig ausgezeichnet, locken Jakobsmuschen auf Blumenkohl oder Kalb aus dem Schmortopf mit soufflierten Kartoffeln. Der Preis für die Pracht? Das Mittagsmenü mit drei Gängen, zwei Glas Wein, Wasser und Kaffee kostet 58 Euro. So ist es im Elsass: Die Namen ändern sich, der gute Geschmack bleibt.
Impressionen von besonders guten Restaurants im Elsass sehen Sie in unserer Fotoshow.