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Schwul und trotzdem Vater: Outing nach 20 Jahre Ehe


Sabine
Erst nach dem Tod der Eltern konnte er der Wahrheit ins Auge schauen

t-online, Simone Blaß

Aktualisiert am 29.04.2015Lesedauer: 3 Min.

Sie waren seit 25 Jahren zusammen, 20 Jahre verheiratet, doch plötzlich hatte Sabines Mann das Gefühl, dass in seinem Leben etwas falsch gelaufen ist. Dass die Ehe mit einer Frau nicht das Richtige und Einzige für ihn sein kann. Doch er wagte es lange nicht, seine Neigungen offen zuzugeben. Selbst dann nicht, als er entdeckt wurde.

Wie haben Sie erfahren, dass Ihr Mann homosexuell ist?

Meine Tochter hat es zufällig herausgefunden und mich informiert. Sie hatte im offen herumliegenden Diensthandy ihres Vaters nachsehen wollen, ob ihre letzte SMS noch gespeichert war und stattdessen eine gefunden mit ganz offensichtlich homoerotischem Inhalt. Der Absender war mit männlichem Vornamen im Adressbuch gespeichert. Sie war damals 13 und natürlich stark verunsichert.

Für sie und ihren Bruder stellte sich die Frage, wem sie zu mehr Loyalität verpflichtet waren: das Geheimnis des Vaters zu wahren oder der Mutter die wichtige neue Erkenntnis mitzuteilen. Sie haben sich dann für Alternative zwei entschieden und waren aufgrund der Situation natürlich auch von Anfang an in die weitere Entwicklung einbezogen.

Wie hat Ihr Mann reagiert?

Er hat eine ganze Zeit lang die volle Wahrheit nicht zugegeben und mir sogar eine Schuld an der Entwicklung der Affinität zu Männern gegeben. Anfangs habe ich mir auch eine Teilschuld einreden lassen.

Welche Folgen hatte das?

Ich habe eineinhalb Jahre lang versucht, doch noch eine gemeinsame Basis für ein Weiterbestehen der Familie zu finden, habe es dann aber nicht mehr ausgehalten und die Trennung veranlasst. Wir sind jetzt sechs Jahre geschieden. Die Kinder hatten immer regelmäßig Kontakt zu ihrem Vater und seinem Lebensgefährten. Gemeinsame Veranstaltungen gibt es aber nicht mehr. Wir haben uns, obwohl wir in der gleichen Stadt leben, sehr weit voneinander entfernt, wir leben jeder ein ganz anderes Leben als früher.

Wie geht es Ihnen damit?

Mittlerweile gut. Ich habe auch einen neuen Partner. Aber mein gescheiterter Lebensplan "bis dass der Tod uns scheidet" fühlt sich auch heute noch wie ein Versagen meinerseits an, weil ich den falschen Mann ausgewählt habe. Einen, der schwul ist. Auch mit dem Status "geschieden" kann ich mich bis heute nicht anfreunden. Aber die Trennung war notwendig, der Abstand zum psychisch Gesunden zwingend für mich.

Wie gehen Sie in Ihrem Umfeld damit um, dass sich Ihr Mann zu anderen Männern hingezogen fühlte?

Die mir vertrauten Personen wissen es schon lange. Allgemein gab es, als es herauskam, viel Mitgefühl und Hilfsangebote, aber auch einige Hilflosigkeit dem Thema gegenüber. Getratscht wurde natürlich auch, meine Tochter zum Beispiel wurde mal gefragt, wie es sich denn anfühle, wenn der eigene Vater schwul sei. Ich selbst allerdings wurde nie aktiv angesprochen. Ich gehe mit dem Thema nicht offensiv um, habe aber auch kein Problem damit, es öffentlich zu machen und würde bei Nachfragen nicht lügen.

Die Situation war für die Kinder sicher nicht einfach?

Ich bin nach meinen Erfahrungen für größtmögliche Offenheit mit den Kindern. Das führt am wenigsten zum Vertrauensverlust beiden Eltern gegenüber, denn Kinder merken sehr schnell, wenn gravierende Probleme in der Partnerschaft vorliegen. Und nichts zu wissen, löst maximale Unsicherheit und Ängste aus.

Glauben Sie, dass es für Sie einfacher gewesen wäre, wenn sich Ihr Mann in eine andere Frau verliebt hätte?

Ja, auf alle Fälle. Dann hätte ich konkurrieren können, um ihn kämpfen können. Aber so hatte ich doch gar keine Chance.

Warum, was glauben Sie, hat Ihr Mann Sie geheiratet?

Ich denke, dass er aufgrund der konservativ-katholischen Werte in seinem Elternhaus das Schwulsein als junger Mann selbst nicht akzeptieren und leben konnte. Vielleicht hat er es damals auch nicht gewusst oder nicht wissen wollen. Erst als seine Eltern tot waren, hat er sich der Wahrheit gestellt. Aber ich glaube, bei unserer Hochzeit hat er mich geliebt und auch geglaubt, das Richtige zu tun.

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