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Täuscht Aldi seine Kunden? Schwere Vorwürfe von Verbraucherschützern


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Greenwashing
Verbraucherschützer werfen Aldi Kundentäuschung vor


Aktualisiert am 24.06.2022Lesedauer: 4 Min.
Bei Aldi gibt es längst nicht mehr nur Vollmilch und fettreduzierte Milch: Für umweltbewusste Kundschaft bietet der Konzern auch Pflanzendrinks und "klimaneutrale" Milch an. Doch letztere hält wohl nicht, was sie verspricht.Vergrößern des Bildes
Bei Aldi gibt es längst nicht mehr nur Vollmilch und fettreduzierte Milch: Für umweltbewusste Kundschaft bietet der Konzern auch Pflanzendrinks und "klimaneutrale" Milch an. Doch letztere hält wohl nicht, was sie verspricht. (Quelle: Karl-Josef Hildenbrand dpa/lby)
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Deutschlands Lieblingsdiscounter will nicht nur billig sein; Milch von Aldi soll sogar das Klima retten. Eine neue Analyse enthüllt die Kluft zwischen Marketingschwur und Realität.

Der Preis ist gut fürs Portemonnaie, die Kennzeichnung fürs Gewissen. Aldis Landmilch ist mit 1,09 Euro nicht nur preiswert, sondern angeblich auch "klimaneutral". Alle CO2-Emissionen, die im Stall, auf der Wiese, bei Transport und Verarbeitung der Milch entstehen, macht der Discounter wett, heißt es. Einer Überprüfung hält das grüne Eigenlabel des Produkts aber anscheinend nicht stand.

Eine Analyse der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch zeigt: Die Molkerei Gropper, die für Aldi die Milch der Marke "Fair & Gut" verarbeitet, hat keinen Überblick, wie hoch der Treibhausgasausstoß ihrer Zulieferbetriebe ist. Auch bei Aldi dürften diese Zahlen zur Rohmilch also fehlen.

Kreative Buchführung fürs grüne Image

Ändern soll sich das erst ab Oktober – zwei Jahre, nachdem der Discounter begonnen hat, "klimaneutral" auf seine Landmilch zu drucken, wohl ohne deren tatsächliche CO2-Bilanz zu kennen. Und vor allem: Ohne sich um die effektive Reduzierung der Treibhausgase bei der Produktion zu kümmern, wie Foodwatch kritisiert.

Für die Verbraucherschützer ist die Aldi-Milch daher ein Musterbeispiel für Greenwashing durch ein Klima-Label: Wie viele andere Hersteller und Händler rechne der Discounter sich ein Produkt grün, das alles andere als klimafreundlich sei.

Klimakiller Kuhmilch? Ein Liter Vollmilch belastet die Atmosphäre mit mehr als 1,5 Kilogramm CO2, doppelt so viel wie beispielsweise ein Liter Hafermilch. Das liegt daran, dass beim Anbau der Futtermittel und vor allem beim Verdauungsvorgang der Kühe große Mengen Treibhausgase entstehen. Insgesamt fallen Dreiviertel aller klimaschädlichen Emissionen aus der Landwirtschaft auf die Tierhaltung zurück. Das muss nicht heißen, dass es keine Kuhmilch mehr geben darf – um die deutschen Klimaziele zu erreichen, muss die Bundesrepublik allerdings die Zahl der Nutztiere deutlich reduzieren. So sieht es auch der Koalitionsvertrag vor.

"Moderner Ablasshandel"

"Da berechnet man die Menge der Treibhausgase, die während der Herstellung eines Produkts anfallen und finanziert in entsprechendem Maße Klimaschutzprojekte, die das wieder ausgleichen sollen", erklärt Manuel Wiemann von Foodwatch im Gespräch mit t-online. Die eigenen Lieferketten und Produktionsabläufe müssten die Unternehmen nicht verändern, sondern könnten sich freikaufen. "Das ist moderner Ablasshandel", so Wiemann.

Im Fall der Landmilch fließen die Kompensationszahlungen von Aldi unter anderem in ein Aufforstungsprojekt in Uruguay. Statt heimischer Bäume und Sträucher wird dort laut Foodwatch eine Eukalyptus-Monokultur herangezogen, die mit Fipronil und Glyphosat gespritzt wird.

Beide Pflanzenschutzmittel sind hochgiftig für Insekten und werden von vielen Experten als eine Ursache des weltweiten Bienensterbens angesehen. Die Weltgesundheitsorganisation stuft Glyphosat außerdem als "wahrscheinlich krebserregend bei Menschen ein". Die Nutzung beider Mittel ist in der EU stark beschränkt und teils sogar verboten. Das Fazit von Foodwatch: Wer der Umwelt mit dem Kauf der Aldi-Milch etwas Gutes tun wolle, werde dreist getäuscht.

Große Versprechen mit fragwürdiger Basis

Noch fragwürdiger scheint ein weiteres Ausgleichsprojekt, das bei Aldi für "klimaneutrale" Milch sorgen soll. Eine Foodwatch-Recherche aus dem vergangenen Jahr belegt das bisherige Versagen des Waldschutzprojekts in der peruanischen Region Tambopata: "Seit dem Projektstart hat sich die Abholzungsrate in dem Gebiet verdoppelt, statt zu sinken", sagt Manuel Wiemann.

Nach Berechnungen der Verbraucherschützer haben die Betreiber des Projekts zudem zehnmal mehr CO2-Zertifikate ausgegeben als zulässig gewesen wäre. Die versprochene finanzielle Unterstützung für die Bevölkerung vor Ort sei gleichzeitig lange ausgeblieben. "Die haben die ersten zehn Jahre einfach kein Geld gesehen", so Wiemann.

Klimaschutz-Vermittler wehrt sich

Das Vermittlungsunternehmen Climate Partner weist die Vorwürfe von Foodwatch zurück. "Die Kritik an unseren Klimaschutzprojekten berücksichtigt nicht, dass diese durch strenge Standards zertifiziert und laufend durch unabhängige, akkreditierte Auditoren überprüft sind", so Pressesprecher Dieter Niewierra.

Dies wollen die Verbraucherschützer aber nicht gelten lassen und verweisen auf eine Studie des Öko-Instituts im Auftrag der EU-Kommission, die zeigt: Nur 2 Prozent von hunderten zertifizierten Ausgleichsprojekten halten sehr wahrscheinlich ihre Klimaversprechen. "Es ist eine Bankrotterklärung an Kompensationsprojekte, dass fast keine Projekte ernsthaften Klimaschutz sicherstellen", betont Manuel Wiemann von foodwatch.

Weshalb die kritisierten CO2-Ausgleichsprojekte in Peru und Uruguay besser sein sollten, erkläre Climate Partner nicht, sondern berufe sich auf fragwürdige Projektberichte, die längst bekannt seien. "Damit setzt Climate Partner die Klimalügen fort. Kein Wunder, denn das Geschäftsmodell des Unternehmens ist der Ablasshandel mit Kompensationsprojekten für vermeintliche Klimaneutralität", so Wiemann.

Auch andere Einzelhändler in der Kritik

Über die Kontroverse um Klimaschutzprojekte war im vergangenen November bereits die Handelskette Rewe gestolpert. Dort wurden CO2-Zertifikate des peruanischen Waldprojektes genutzt, um ein Hühnchenprodukt "klimaneutral" zu rechnen.

Während Rewe die Zusammenarbeit mit den Betreibern auf Druck von Foodwatch hin stoppte, ließ sich Aldi von dem Fall anscheinend nicht beeindrucken. Auch bei Climate Partner, einem Unternehmen, das neben Aldi-Süd zahlreiche namhafte Firmenkunden mit Klimazertifikaten versorgt, wird das Projekt in Peru noch als Paradebeispiel geführt.

"Verbraucherinnen und Verbraucher können sich auf Klima-Werbung überhaupt nicht verlassen", sagt Foodwatch-Referent Wiemann. Die Organisation fordert daher verpflichtende Reduktionsmaßnahmen für die Treibhausgase aus der Landwirtschaft sowie ein Verbot von Umwelt-Werbelügen.

Gesetze gegen Greenwashing

Während solch ein gesetzlicher Hebel zur CO2-Vermeidung auf den Höfen noch auf sich warten lässt, hat die EU-Kommission kürzlich einen Vorschlag zur Regulierung von grünen Werbeversprechen vorgelegt. Zwar sind darin Mindeststandards für Klima-Werbung vorgesehen. Doch die Schlupflöcher sind den Verbraucherschützern von Foodwatch zu groß.

Denn: Der aktuelle Vorschlag aus Brüssel könnte es weiterhin ermöglichen, Produkte mit großem CO2-Fußabdruck wie Rindfleisch, Heizöl oder Einweg-Plastikflaschen als "klimapositiv" zu kennzeichnen. Auch andere Behörden haben die grüne Werbung der Konzerne allerdings zunehmend auf dem Schirm.

So verklagte die Wettbewerbszentrale Aldi-Süd im vergangenen Jahr für eine hochtrabende Klimaschutz-Behauptung: Die Kette hatte damit geworben, der "erste klimaneutrale Lebensmitteleinzelhändler" zu sein. Das Verfahren läuft.

Hinweis: Am 24.06.2022 wurde der Artikel um eine Stellungnahme des Unternehmens Climate Partner sowie eine Replik der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch ergänzt.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Manuel Wiemann von Foodwatch
  • Pressemitteilung von Foodwatch: "Greenwashing bei Aldi – foodwatch: Handelskonzern muss irreführende Klimawerbung auf Milch stoppen"
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