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Wetter: Regen und Kälte – wie passt dieser Sommer zum Klimawandel?


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"Ich friere auch gerade"
Wird es in Europa noch sehr viel kälter?

  • Matti Hartmann
InterviewVon Matti Hartmann

Aktualisiert am 04.07.2024Lesedauer: 4 Min.
Dauerregen und Fröstel-Temperaturen (Collage): Mojib Latif erklärt den Unterschied zwischen Klima und Wetter.Vergrößern des Bildes
Dauerregen und Fröstel-Temperaturen (Collage): Mojib Latif erklärt den Unterschied zwischen Klima und Wetter. (Quelle: Funke Foto Services/imago-images-bilder)
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Grauer Himmel, Pulloverwetter: Der Sommer will dieses Jahr noch nicht so recht. Dabei hieß es doch gerade erst, die Nordsee sei so warm wie nie. Wo ist der Fehler?

Der astronomische Sommerbeginn in Deutschland ist gerade ereignislos verstrichen. Statt Wärme beschert das Wetter den Menschen im Land gefühlten Dauerregen.

Und der Blick aufs Thermometer offenbart: Die ersten Julitage sind im Vergleich zum langjährigen Mittel deutlich zu kalt. In Dresden liegen die Temperaturen bisher 3,8 Grad unter dem Schnitt der Jahre 1991 bis 2020, in Hamburg ist es 4 Grad kühler und in Frankfurt am Main sogar 4,5 Grad.

Dabei wurden doch auch in diesem Jahr laufend Wetterrekorde in die andere Richtung verkündet. Passt das kalte Wetter im Augenblick noch zusammen mit dem Klimawandel? t-online hat den Klimaexperten Mojib Latif gefragt.

t-online: Herr Latif, es ist Sommer und Deutschland trägt Pullover …

Mojib Latif: Ja, ich friere auch gerade. Ich bin in Hamburg und es sind nur 13, 14 Grad.

Das ist für einen Juli doch ziemlich kalt. Ist der Klimawandel jetzt etwa ausgebremst oder kommt einem das nur so vor?

Das erscheint bloß so. Man darf nicht vergessen: Die globale Erwärmung ist ein schleichender Prozess über viele Jahrzehnte. Und das Wetter verläuft chaotisch. Es gibt immer kurzfristige Schwankungen, und was wir gerade erleben, ist eine solche Schwankung. Wenn es einmal an einem Ort etwas kälter ist, heißt das nicht, dass der Klimawandel eine Pause macht.

Gerade erst vor einigen Wochen wurde gemeldet, die Nordsee erwärme sich "wie eine große Pfütze". Warum ist es dann in Hamburg trotzdem so kalt? Hat das warme Wasser gar keinen Einfluss auf die Temperatur an Land?

Die Weltmeere insgesamt sind so warm wie nie zuvor. Aber im Moment erleben wir in Deutschland eine Großwetterlage, in der wir von noch weiter nördlich sehr viel Kaltluft bekommen. Da reicht die warme Nordsee nicht aus, um das noch einmal aufzuheizen. Wir dürfen Wetter und Klima nicht miteinander verwechseln. In der Meteorologie heißt es: Klima ist das, was wir erwarten. Wetter das, was wir bekommen.

Statt schönem Sommerwetter bekommen wir gerade Regen, Regen und noch einmal Regen. Hat das vielleicht etwas mit den warmen Meeren zu tun?

Nur mittelbar. Die heftigen Niederschläge vor ein paar Wochen in Süddeutschland hingen mit Luftmassen zusammen, die sich über dem aufgeheizten Mittelmeer entwickelt hatten. Diese konnten sich extrem mit Wasser anfüllen, was letztlich hier zu Starkregen führte. So etwas sehen wir in den vergangenen Jahrzehnten immer häufiger.

Aber was wir gerade erleben, hat nichts mit den Weltmeeren zu tun. Das ist einfach Wetter – und Wetter ist eben sehr veränderlich.

Das heißt?

Selbst wenn die Nord- und die Ostsee nicht so warm wären, wie sie es gerade sind, könnte es trotzdem zu genau den gleichen Regenfällen kommen. Die Luft kommt aktuell aus höheren Breiten zu uns. Und wenn wir diese Kaltluft anzapfen, bekommen wir dieses Schauerwetter.

Wie sieht es gerade in anderen Ländern aus?

Wenn wir weiter in den Süden blicken, zum Beispiel in den Mittelmeerraum: Da ist es extrem heiß, bis 40 Grad. Und in anderen Weltregionen auch. Gerade fangen die Waldbrände an, etwa in Kalifornien oder auf den griechischen Inseln.

Mojib Latif
(Quelle: IMAGO/Bernd Elmenthaler/imago-images-bilder)

Zur Person

Prof. Dr. Mojib Latif zählt zu Deutschlands führenden Klimaforschern. Der promovierte Ozeanograf ist Präsident der Akademie der Wissenschaften in Hamburg und einer der gefragtesten Experten bei Fragen rund um das Klima.

Wir in Deutschland sind im Moment so etwas wie der Kältepol Europas. Selbst in Teilen Skandinaviens ist es wärmer. Wir haben derzeit einfach Pech, das wird aber nicht so bleiben: Ich bin mir sicher, dass es in diesem Jahr auch wieder heiße Tage geben wird.

Welche Rolle spielen die Wetterphänomene El Niño und La Niña?

Gerade kaum eine. El Niño ist vorbei und La Niña hat noch nicht so richtig angefangen. Bei El Niño erwärmt sich der tropische Pazifik um mehrere Grade, das wirkt wie eine gigantische Heizplatte. Und bei La Niña wird diese Heizung schwächer. Das bringt die globalen Windsysteme durcheinander.

Womit müssen wir rechnen, wenn La Niña voll beginnt?

Die Auswirkungen werden vor allem im pazifischen Raum und in Nordamerika, zum Teil auch in Afrika zu spüren sein. Typischerweise entwickeln sich außerdem mehr Hurrikane über dem Atlantik. Für Europa spielt La Niña kaum eine Rolle, höchstens noch für den Mittelmeerraum.

Könnte es eigentlich sein, dass es in Europa demnächst noch sehr viel kälter wird? Es gibt ja die Theorie, dass die globale Erwärmung zu einem Abriss des Golfstroms führen könnte – und die Temperaturen dann in Nordeuropa stark fallen.

Das wird immer wieder in der Öffentlichkeit diskutiert, zum Teil auch in der Wissenschaft. Dafür haben wir im Moment aber keine Anhaltspunkte. Im letzten Bericht des Weltklimarates sieht man zwar, dass es bei ungebremster globaler Erwärmung eine graduelle Abschwächung des Stroms geben würde, die bis zum Ende des Jahrhunderts sogar massiv wäre. Aber das würde bestenfalls dazu führen, dass es bei uns weniger stark warm wird. Eine Netto-Abkühlung wäre nicht die Folge.

Wir müssen also keine Eiszeit in Europa befürchten?

Sie meinen, wie im Film "The Day After Tomorrow"? Nein. So etwas passiert nur in Hollywood, nicht in der Realität.

Verwendete Quellen
  • Telefoninterview mit Prof. Dr. Mojib Latif vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung
  • wetterkontor.de: Temperaturmittel in Deutschland, abgerufen am 4. Juli 2024
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