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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Jean Pütz im Interview Jean Pütz: Vater der deutschen DIY-Bewegung
"Ich hab da mal was vorbereitet." Wer diesen Satz bei Google eingibt, dem wird als erstes Suchergebnis der Wikipedia-Eintrag von Jean Pütz ausgeliefert. Und so wie das Zitat schon sinnbildlich für ihn steht, so wurde Jean Pütz selbst im Laufe von drei Jahrzehnten Hobbythek für die deutschen TV-Zuschauer zu einer Art Pionier des Selbermachens. Im Exklusiv-Interview äußert sich der Urvater der deutschen Do-it-yourself-Bewegung kritisch über seine TV-Erben, die Technologiefeindlichkeit bei den Grünen, und er verrät uns seinen Lieblings-Tipp aus über 300 Episoden Hobbythek.
Jean Pütz hat in seiner Zeit beim Westdeutschen Rundfunk die dortige Wissenschaftsredaktion zunächst mit aufgebaut und dann über Jahrzehnte hinweg geleitet. In dieser Zeit produzierte und moderierte Pütz weit über 300 Episoden der Wissenschafts-Show Hobbythek, in der er seinen Zuschauern anhand kleiner Kniffe, die das Alltagsleben leichter machen, naturwissenschaftliche und technische Zusammenhänge näher brachte. Wir trafen den Grand Senior am Rande eines Pressetermins beim Kaminofenbauer Hark zum Gespräch.
Lieblings-Tipp aus 30 Jahren Hobbythek
zuhause.de: Herr Pütz, über drei Jahrzehnte hinweg haben Sie mit der Hobbythek die deutsche TV-Landschaft maßgeblich mit geprägt – lange vor dem großen Do-it-yourself-Boom der letzten Jahre. Was hat Sie all die Jahre angetrieben, den Zuschauern mit immer neuen Kniffen und Tricks ihr Alltagsleben zu erleichtern?
Jean Pütz: Es war immer ein Steckenpferd von mir, den Menschen zu zeigen, dass sie viel schlauer sind, als sie selbst denken. Und ich wollte mich gerade nicht an die Großkopferten, sondern an normale Menschen wenden. Um sich für Wissenschaft und Technik zu begeistern, muss man nicht studiert haben.
zuhause.de: Gibt es so etwas wie einen Lieblings-Tipp aus all den Jahren?
Jean Pütz: (überlegt) Vielleicht, wie man Silber ohne Aufwand putzen kann. Dazu braucht man nur etwas Alufolie, die zusammen mit dem Silber in ein Salzwasser-Bad kommt. Eine chemische Reaktion setzt ein und das verfärbte Silber wird wieder blitzblank. Wie man sich mit kleinen Hilfsmitteln das Leben erheblich erleichtern kann, ist ein Aspekt, der mich an Wissenschaft schon immer fasziniert hat.
"Reden ist Silber, machen ist Gold"
zuhause.de: In der Hobbythek waren Sie immer ein Verfechter davon, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Können Sie verstehen, wenn sich jemand einen Maler ins Haus holt, nur um einen Raum weiß zu streichen oder das Fahrrad in die Werkstatt bringt, weil die Kette abgerutscht ist?
Jean Pütz: Verstehen vielleicht nicht, aber erklären: Oft ist es natürlich Faulheit, die die Menschen abhält, aber oft spielen auch Ängste eine Rolle. Die Leute trauen sich nichts zu.
zuhause.de: Wie kann man solche Ängste oder Hemmschwellen überwinden?
Jean Pütz: Ein Problem ist, dass die Schule hier viel zu wenig Fertigkeiten vermittelt. Alles wird nur mit Worten, nur theoretisch erörtert. Aber: Reden ist Silber, machen ist Gold.
Do-it-yourself im TV: "als würde man zur Beichte gehen"
zuhause.de: Kann das Fernsehen diesen Mangel unter Umständen auffangen? Heute laufen ja praktisch auf allen Sendern TV-Formate, in denen auf Teufel komm raus gehämmert und geschraubt, gebaut und gebastelt wird. Ist das nicht eine erfreuliche Entwicklung?
Jean Pütz: Ach wissen Sie, das kommt mir oft genauso vor, wie die ganzen Kochsendungen. Das ist für mich eine Absolution – so, als würde man zur Beichte gehen. Wenn ich schon nicht selber kochen kann, dann schaue ich mir wenigstens eine Kochsendung im Fernsehen an.
zuhause.de: Verfolgen Sie, was all die "Hobbythek-Erben" im deutschen Fernsehen treiben? Gerade im Privatfernsehen läuft ja eine ganze Fülle an Do-it-yourself-Formaten.
Jean Pütz: Ja, aber dort geht ja in erster Linie darum, bestimmte Produkte zu promoten. Da könnte ich nicht hinter stehen. Wir haben damals auch Produkte empfohlen, aber daran habe ich nie auch nur einen Pfennig verdient, sondern war einfach von ihrer Qualität überzeugt. Außerdem wird mir da oft zu tief in die Privatsphäre der Menschen hinein geblickt. Nichts ist mehr heilig. Das ist etwas, das hätte ich nie machen können.
"Gegen diese ganzen Technologie-Verweigerer"
zuhause.de: Viele inhaltliche Leitlinien der Hobbythek prägen auch unsere alltägliche Arbeit bei zuhause.de. Auch wir versuchen, unsere Leser dort abzuholen, wo sie sind und keine pseudo-intellektuellen Hürden aufzubauen. Auch bei uns spielt der Umweltgedanke ein wichtige Rolle. Der große Unterschied: Wir sind damit heute Mainstream, Sie waren damals mit Ihrer Haltung – zum Beispiel zu ökologischer Nachhaltigkeit – ein absoluter Exot. Sind Sie Ihrer Zeit einfach voraus gewesen?
Jean Pütz: Ein bisschen schon, ja. Ich habe 1969 13 Folgen "Energie, die treibende Kraft" produziert. Schon damals habe ich den Begriff der Nachhaltigkeit verwendet. Das war noch bevor der Club of Rome seinen Bericht "die Grenzen des Wachstums" veröffentlicht hatte (1972, die Redaktion). Ich habe damals sogar dem Papst ein elftes Gebot empfohlen: 'Du darfst die Ressourcen dieser Welt nur so nutzen, dass Deine Kinder noch dieselben Chancen haben.'
zuhause.de: Inzwischen ist dieses Bewusstsein bis tief in die Mitte von Gesellschaft und Politik vorgedrungen.
Jean Pütz: (unterbricht) Ja, wobei ich bestimmt kein Grüner bin. Ganz im Gegenteil!
zuhause.de: Im letzten Bundestagswahlkampf haben Sie dafür geworben, mit der Zweitstimme FDP zu wählen.
Jean Pütz: Richtig. Ich habe mich engagiert, weil ich gegen diese ganzen Technologie-Verweigerer bin. Technik hat viel Unheil in der Welt angerichtet, aber wir können technischen Fortschritt auch nutzen, um die Welt zu verbessern. Und ich finde, das müssen wir auch.
"Ich wünsche mir, dass die Jugend ihre Neugier behält"
zuhause.de: Sie haben als erster Prominenter in Deutschland den Nachhaltigkeitsbegriff geprägt, haben eine Fitness-Sendung gemacht, als noch niemand wusste, was ein Stepper oder Crosstrainer ist und über die Gesundheitsschäden durchs Rauchen gesprochen, als in allen Talkshows noch munter vor sich hin gequalmt wurde. In vielen Punkten wurden Sie durch den Lauf der Geschichte nachträglich bestätigt. Ist das für Sie mehr Genugtuung oder empfinden Sie auch manchmal Groll, wenn Sie an manch bornierte Haltung denken, die Ihnen damals entgegen schlug?
Jean Pütz: Ach, mit Groll kommt man nicht weiter. Ich bin auch deshalb Christ, weil Christus der Erste war, der den Hass gebrandmarkt und mit dem bis dahin gültigen Auge-um-Auge-Prinzip aufgeräumt hat. Der, der hasst, der hat das größte Problem.
zuhause.de: Jetzt haben wir viel zurück geblickt. Fehlt noch der Ausblick: Was wäre Ihr wichtigster Wunsch für die Zukunft?
Jean Pütz: Ich wünsche mir vor allem, dass die Jugend ihre Neugier behält. Bei all den Reportagen und Dokumentationen ist das nicht ganz leicht. Aber die kratzen ja in Wirklichkeit alle nur an der Oberfläche. Bildung und Wissen darf nicht zu reinem Herrscher-Wissen verkommen. Das war mir immer wichtig, und das wünsche ich mir auch für die Zukunft.
zuhause.de: Herr Pütz, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Ralph Wefer sive Evermann.