Experten schlagen Alarm Dieser Schädling bedroht Kartoffel- und Spargelernte
Ein winziges, unscheinbares Insekt bedroht die Kartoffelernte und alarmiert deutsche Landwirte. Die Schilf-Glasflügelzikade breitet sich unaufhaltsam aus.
Zusammengerollte, verfärbte Blätter und schrumpelige, gummiartige Kartoffeln – dieses Schadbild hinterlässt ein Schädling, der sich gerade massiv in Europa und Deutschland ausbreitet: die Schilf-Glasflügelzikade. Doch das Insekt schädigt die Pflanzen nicht direkt. Es gilt vielmehr als Überträger krankheitserregender Bakterien wie Stolbur-Phytoplasma (Candidatus Phytoplasma solani, kurz PHYPSO) sowie Candidatus Arsenophonus phytopathogenicus (kurz ARSEPH). Diese Bakterien schwächen die Pflanzen so stark, dass Ernteerträge gefährdet sind. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft warnt vor massiven Folgen, Landwirte sprechen sogar von einem wirtschaftlichen Totalschaden.
Tückisch ist vor allem, dass die nur wenige Millimeter große Zikade jährlich 30 Kilometer zurücklegt und sich unaufhaltsam ausbreitet. Lange Zeit war der Schädling überwiegend in Südeuropa ein Problem. In Frankreich ist er seit den 1990er-Jahren bekannt, in der Schweiz wurde er 2017 erstmals nachgewiesen. Doch inzwischen breitet er sich ungehindert auch in Deutschland aus.
Landwirte fürchten um ihre Ernte
Vor allem in Bayern wächst die Sorge um die Ernte. Landwirte sehen ihre Existenz gefährdet, wenn der Befall nicht eingedämmt wird. Gleichzeitig könnten Verbraucher bald vor weniger gut bestückten Gemüseregalen stehen. Denn die Schilf-Glasflügelzikade bedroht nicht nur Kartoffeln, sondern auch Zuckerrüben, Erdbeeren, Spargel, Kohl, Kräuter und Wurzelgemüse. "Grund für diesen breiten Befall könnte die immense Population der Insekten sein", erklärt Prof. Dr. Jürgen Gross, Leiter des JKI-Instituts für Obst- und Weinbau, in der "Bauernzeitung". Der hohe Vermehrungsdruck zwinge die Zikade dazu, neue Wirtspflanzen zu besiedeln.
Ein Import dieser Produkte aus anderen Regionen oder Ländern ist laut Experten keine Alternative – die hohen Transportkosten machen dies unwirtschaftlich.
Fehlender Schutz gegen Zikaden
Ein weiteres Problem: Die Schilf-Glasflügelzikade steht offiziell noch auf der Liste der bedrohten Arten. Das ist nach Ansicht von Experten längst überholt, verhindert aber die Zulassung wirksamer Pflanzenschutzmittel. "Es gibt bis heute kein zugelassenes Mittel gegen diesen Schädling", sagt Gross. Die Forschung steckt noch in den Anfängen.
Wissenschaftler der Universität Regensburg arbeiten an RNA-basierten Lösungen, um lebenswichtige Gene der Insekten gezielt auszuschalten. Auch die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft testet verschiedene Maßnahmen, um die Zikade besser zu kontrollieren. Landwirte setzen auf frühreife Kartoffelsorten, die weniger anfällig sind – doch für die industrielle Verarbeitung sind sie oft ungeeignet.
Neben dem Fehlen von Gegenmitteln begünstigt auch der Klimawandel die Ausbreitung des Schädlings. Höhere Temperaturen und mildere Winter erleichtern seine Vermehrung und das Überleben über den Jahreswechsel hinweg. Experten warnen: Falls keine Lösungen gefunden werden, könnte der Kartoffelanbau in Deutschland drastisch zurückgehen – mit weitreichenden Folgen für Landwirtschaft und Lebensmittelversorgung.
- bauernzeitung.de "Schilf-Glasflügelzikade: Bedrohung für Zuckerrüben, Kartoffeln und Gemüse"
- dlg.org "Schilf-Glasflügelzikade hat enormes Schadpotenzial"
- lfl.bayern.de "Entwicklung von Bekämpfungsverfahren zur Kontrolle von Schilf-Glasflügelzikaden und der von diesem Vektor übertragenen bakteriellen Zuckerrübenkrankheit "SBR""
- bmel.de "Schilf-Glasflügelzikade: BMEL veranstaltet Runden Tisch"
- ndr.de "Zikaden breiten sich aus: Niedersachsens Kartoffelernte bedroht?"
- faz.net "Flexible Zikaden bedrohen die Kartoffelernte"