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H2-Ready Gasheizung: Warum Heizen mit Wasserstoff zum Problem wird


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Experten warnen
H2-ready-Gasheizung könnte zum Problem werden


31.08.2023Lesedauer: 4 Min.
Heizkörper: Ob die Umrüstung einer Gasheizung auf den Wasserstoffbetrieb jetzt schon sinnvoll ist, ist umstritten.Vergrößern des Bildes
Heizkörper: Ob die Umrüstung einer Gasheizung auf den Wasserstoffbetrieb jetzt schon sinnvoll ist, ist umstritten. (Quelle: Rocco-Herrmann/getty-images-bilder)
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Ist es sinnvoll, die Gasheizung H2-ready zu machen? Oder sollten Sie mit der Investition noch warten?

Laut dem Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes, über das kommende Woche im Bundestag beraten wird, sollen Gasheizungen weiter genutzt und neue eingebaut werden dürfen, wenn sie mit bis zu 65 Prozent mit Wasserstoff oder Biogas betrieben werden können. Experten zufolge kann das jedoch zum Problem werden. Denn zum einen obliegt die Wärmeplanung den Kommunen und Städten – und inwiefern sie auf ein klimaneutrales Gasnetz setzen müssen, ist (noch) nicht vorgeschrieben. Zum anderen könnte es allgemein zu Problemen bei der Wasserstoffversorgung kommen, wie mehrere Expertenmeinungen zeigen.

Grüner Wasserstoff ist ein knappes Gut

Jan Rosenow, Energie-Experte an der Oxford University und Europa-Direktor der Denkfabrik Regulatory Assistence Project (RAP), erklärt dem ZDF, dass "die gesamte globale grüne Wasserstoffproduktion [...] gerade einmal 0,2 Prozent des deutschen Energiebedarfs für Raumwärme und Warmwasserbereitung bereitstellen" könnte. Zudem werde der Energieträger künftig primär für die Großindustrie und die Schifffahrt eingesetzt werden, damit diese Branche klimaneutral(er) arbeiten kann. Er geht daher davon aus, dass Deutschland den grünen Wasserstoff vorerst importieren muss, damit die politischen Ziele eingehalten werden können.

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Unterstützt wird Rosenows These durch die von der SPD-Fraktion vorgelegten Pläne, eine Importquote für grünen Wasserstoff einzuführen.

Preisprobleme

Laut einer Untersuchung des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI könnte es neben der Menge auch noch ein weiteres Problem für Gasheizungen geben, die mit Wasserstoff betrieben werden. Durch die "ambitionierten deutschen Treibhausgasminderungsziele" dürften sich die Preise für grünen Wasserstoff "in Zukunft auf einem relativ hohen Niveau bewegen", resümiert Martin Wietschel vom Fraunhofer ISI die Ergebnisse seiner Studie. Um allein den Bedarf an grünem Wasserstoff im Stahl- oder dem Grundstoffchemiesektor decken zu können, "müssten allerdings allein in Deutschland enorme Elektrolyse-Kapazitäten aufgebaut werden – rund 20 GW, also in etwa das Vierzigfache der aktuell global installierten Elektrolyseleistung –, was nicht nur zeit- und kapitalintensiv ist, sondern auch ein hohes Ausbautempo erfordert."

Die deutschen Ziele könnten allerdings erreicht werden, wenn die Wasserstoffnachfrage hierzulande verringert wird – beispielsweise indem "die Grundstoffchemie und die Stahlindustrie einzelne energieintensive Produktionsschritte ins außereuropäische Ausland verlagern", erklärt Tobias Fleiter, Leiter des Geschäftsfelds Nachfrageanalysen und -projektionen am ISI.

Dennoch gehen die Experten des ISI davon aus, dass der Großhandelspreis für grünen Wasserstoff im Jahr 2040 nicht unter 50 Euro/MWh (Megawattstunde) sinken werde – Wietschel rechnet mit Preisen von deutlich über 90 Euro/MWh allein im Jahr 2045. "Eine großangelegte Förderung des Wasserstoffeinsatzes in Bereichen wie der Gebäudewärme, des landgebundenen Verkehrs oder der energetischen Nutzung in der Industrie erscheint aus diesem Grund wenig sinnvoll", so der Experte.

Greenpeace hingegen geht in einer Studie davon aus, dass die Wasserstoffpreise künftig sinken werden. Allerdings müsse hierfür der Fokus auf die Produktion von grünem Wasserstoff gelegt und dieser zusätzlich importiert werden.

Bedenken der Verbraucher

Und auch Verbraucher stehen dem Einsatz von Wasserstoff in ihrer Region eher skeptisch gegenüber, wie eine britische Untersuchung von Gareth Thomas, Nick Pidgeon und Karen Henwood von der Cardiff Universität, Wales, zeigt. Zwar hätten viele Bürger auch Sorgen, dass der Heizungstausch – beispielsweise von Gas- oder Öl- auf Wärmepumpen – negative Folgen für die Substanz ihrer Immobilien hätte. "Diese könnten jedoch stark von Ängsten hinsichtlich der Kostenauswirkungen der Umstellung auf Wasserstoff überschattet werden", erklären die Wissenschaftler. Zudem müsse bei der Wasserstoff-Ausbaustrategie auf die Bürgerpräferenzen Rücksicht genommen werden. Abschließend erklären die Wissenschaftler in ihrer Studie, "dass Wasserstoff keineswegs eine unterbrechungsfreie Alternative zur Elektrifizierung darstellt, sondern das Risiko birgt, dass er die prekären Finanzen und Lebensstile der Haushalte erheblich beeinträchtigt."

Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) bestätigt die Einschätzung der britischen Forscher. Laut ihrer Prognose könne "die Versorgung mit grünem Wasserstoff kurzfristig knapp und langfristig unsicher" sein. In ihrem Bericht heißt es: "Selbst bei einer günstigen Entwicklung in absehbarer Zukunft wird das Wasserstoffangebot viel zu knapp sein, um die Nutzung fossiler Brennstoffe in wirklich großem Umfang zu ersetzen." Sie mahnen aber: "Wasserstoff darf jedoch nicht als Vorwand dienen, um die Einführung anderer, leicht verfügbarer sauberer Optionen wie Elektromobilität oder Wärmepumpen zu verzögern." Stattdessen sollen "sämtliche wichtigen kohlenstofffreien Technologien gleichzeitig und mit voller Kraft" eingesetzt werden, um die Treibhausproduktion zu begrenzen.

Und auch der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfachs ist der Meinung, dass mit "den notwendigen Weichenstellungen" im Jahr 2023 genügend grüner Wasserstoff für die Versorgung für die Industrie und Haushalte zur Verfügung stehen könnte.

Gasinfrastruktur

Ein Problem könnte laut Experten zudem die Umrüstung der Gasinfrastruktur sein. Zwar seien neuere Erdgasrohre durchaus dafür ausgelegt, auch Wasserstoff zu transportieren. Bei älteren Leitungen könnte es hingegen Schwierigkeiten geben. Denn Wasserstoffmoleküle sind wesentlich kleiner als Erdgasmoleküle und zudem sehr flüchtig. Damit das Material möglichst verlustfrei transportiert werden kann, müssen die Rohre und Speicher extrem dicht sein – doch die Abdichtung gestaltet sich teilweise als schwierig. Zudem kann Wasserstoff diffundieren und das Material verspröden, erklärt der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags in einer Analyse.

Ein weiterer Gefahrenpunkt, den der Wissenschaftliche Dienst sieht, ist die leichte Entzündlichkeit des Gases. "Ein Wasserstoff-Luftgemisch ist bei Wasserstoffanteilen zwischen 4 und 77 Prozent explosionsfähig." Demnach könnte ein Leck im Rohrsystem oder im Tank zu einer Explosion führen, heißt es. Trotz dieser Probleme könnten die deutschen Pipelines laut dem Wissenschaftlichen Dienst Wasserstoff transportieren. Vorab seien jedoch umfangreiche Tests nötig.

Ein weiterer Problemfaktor in der Gasinfrastruktur ist der technische Aufwand, der durch die Umrüstung entsteht: Vorhandene Messeinrichtungen müssten ersetzt und "Kundenanlagen angepasst oder ausgetauscht werden, da aufgrund der wasserstoffhaltigen Gase ein anderer Brennwert vorliegt", so die Einschätzung der Experten. Und schon jetzt haben viele Handwerksbetriebe kaum Kapazitäten, den Heizungstausch- oder -modernisierungswünschen ihrer Kunden zeitnahe nachzukommen.

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