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Forscher ergründen den Orgasmus bei Frauen


Dem Höhepunkt auf der Spur
Warum Frauen einen Orgasmus bekommen - oder nicht

spiegel-online, Jörg Römer

Aktualisiert am 03.08.2016Lesedauer: 3 Min.
Der Orgasmus der Frau hat seinen Ursprung in der Evolutionsgeschichte.Vergrößern des Bildes
Der Orgasmus der Frau hat seinen Ursprung in der Evolutionsgeschichte. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Biologisch macht der weibliche Orgasmus keinen Sinn - das war lange Forschermeinung. Doch nun glauben Wissenschaftler, die Wurzeln des weiblichen Höhepunkts gefunden zu haben.

Es soll Frauen geben, die ihr ganzes Leben keinen Orgasmus haben, und viele erleben ihn längst nicht jedes Mal, wenn sie mit ihrem Partner Sex haben. Wie Frauen den Höhepunkt erreichen, darüber gibt es Tausende Ratgeber mit schlauen Tipps und Tricks.

Orgasmus bei Frauen biologisch gesehen sinnlos

Weitgehend einig sind sich Evolutionsbiologen bisher nur in einer Sache: Männer brauchen einen Orgasmus samt Ejakulation, um sich fortpflanzen zu können - schließlich gelangt ihr Samen nur so in die Gebärmutter. Für Frauen hingegen ergibt ein Orgasmus keinen Sinn - zumindest nicht aus biologischer Sicht.

Forscher vom Cincinnati Children's Hospital und der Yale University in New Haven haben im Fachmagazin "JEZ-Molecular and Developmental Evolution" nun eine neue Theorie vorgestellt. Nach dieser könnte der weibliche Orgasmus im Laufe der Evolution für die Fortpflanzung doch eine entscheidende Rolle gespielt haben: Denn durch ihn könnten wichtige Hormone ausgeschüttet worden sein, die die Reproduktion erst möglich gemacht haben, glauben die Forscher.

Ist der Eisprung der Ursprung?

Für ihre Untersuchung haben die Wissenschaftler den Eisprung, die sogenannte Ovulation, von Säugetieren evolutionsbiologisch untersucht. Bei Katzen und Kaninchen etwa werden während des Geschlechtsakts Hormone ausgeschüttet, die die Ovulation bewirken - die Forscher sprechen vom männlich-induzierten Eisprung. Beim Menschen und auch bei Primaten findet der Follikelsprung dagegen spontan nach einem unterschiedlich langen Zyklus statt.

Allerdings ist der männlich-induzierte Eisprung aus Sicht der Evolution älter als der zyklische Eisprung. Er habe sich vor etwa 75 Millionen Jahren in den gemeinsamen Vorfahren von Primaten und Nagern entwickelt, so die Forscher Mihaela Pavlicev und Günter Wagner. Sie glauben, dass der weibliche Orgasmus ein Überbleibsel des männlich-induzierten Eisprungs ist. Mit der Entwicklung des Ovarialzyklus bei Primaten sei er aber überflüssig für die Reproduktion geworden.

Welche Rolle der weibliche Orgasmus heute spielt, klären die Forscher in ihrer Studie nicht. "Wichtig ist, dass der Vorgang damals anders aussah als der weibliche Orgasmus beim Menschen heute", schreibt Mihaela Pavlicev. Die vieldiskutierten Möglichkeiten, der weibliche Orgasmus sei wichtig für die Bindung an den Partner, könnten die Wissenschaftler nicht ausschließen. "Möglicherweise hat er andere Funktionen übernommen, nachdem er seine Rolle für die Fortpflanzung verloren hat", so Pavlicev.

Orgasmus saugt Sperma auf

Die Forscher sehen ihre Theorie aber durch ein wichtiges Merkmal bestätigt: die Lage der Klitoris. Bei Spezies, die bei der Reproduktion auf einen Orgasmus angewiesen seien, liege das Sexualorgan sehr nahe oder im weiblichen Sexualkanal - schließlich seien sie auf eine möglichst gute Stimulation während des Aktes angewiesen. Dagegen befinde sich die Klitoris bei Spezies mit einem Ovarialzyklus eher weiter weg. "Das erklärt, warum einige Frauen durch Penetration alleine keinen Orgasmus bekommen können", so Pavlicev. "Orgasmus und Kopulation gehen nicht automatisch miteinander einher."

Unabhängige Forscher loben die Arbeit: "Sie zeigt sehr gut, woher der Orgasmus bei der Frau kommen könnte", sagt die Biologin Elisabeth Lloyd dem "Guardian". Gleichzeitig kritisiert sie, dass die Untersuchung der Forscher neurologische und muskuläre Prozesse beim weiblichen Orgasmus außer Acht lasse. Zudem sei bisher sehr wenig über den Orgasmus bei Tieren bekannt.

Weiblicher Orgasmus ein Zufallsprodukt?

Laut einer von Lloyd und auch vielen anderen Forschern unterstützten Hypothese ist der weibliche Orgasmus gewissermaßen ein Zufallsprodukt des männlichen: Denn bei der Entwicklung des Menschen werden in der frühen Entwicklungsphase des Embryos bei Jungen und Mädchen gleichermaßen die Organe aus anatomisch gleichem Gewebe gebildet - auch Penis und Klitoris liegen dieselben Anlagen mit einem ähnlichen sensorischen Apparat und neuronalen Gebilde zugrunde. Der Hypothese zufolge haben die Frauen, die später leichter zu einem Orgasmus fähig sind, das Glück, dass bei ihnen diese Anlagen zu einem größeren Teil vererbt wurden, die eigentlich für den männlichen Orgasmus zuständig sind. Dass Orgasmusfähigkeit vererbt werden könnte, hatten bereits frühere Studien gezeigt.

Einige Forscher vermuten auch, dass der weibliche Orgasmus durchaus einen physiologischen Sinn hat. Denn dabei ziehen sich Scheide und Gebärmutter zusammen, zudem senkt sich der Muttermund ab. Diese Kontraktionen könnten es begünstigen, dass sich die Chancen einer Befruchtung erhöhen - das Sperma wird regelrecht angesaugt.

Auch weitere evolutionsbiologische Theorien gibt es: Demnach könnte der Orgasmus bei der Frau eine Art Auswahltest für den perfekten Partner sein. Denn Männer, die eine Frau zum Orgasmus bringen, könnten so ihre empathischen Fähigkeiten nachweisen - und sich damit als besonders einfühlsame Väter herausstellen.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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